Sonntag, 16. August 2020

Hartmudo:Verlogenheit


Als letztes Wochenende die große Hitzewelle über uns hereinbrach, saßen wir abends vor der Tagesschau. Wir hatten die kleine Jela über Nacht zu Besuch; die schlief mittlerweile tief und fest in ihrem Bettchen. Tagsüber waren wir mit dem Kanonier, Bienchen und ihren beiden Kindern im Tierpark Essehof gewesen. Hier konnte sich Jela gut austoben und schlief bereits auf der Rückfahrt in ihrem Autokindersitz ein.
Wie ich in der Tagesschau erbost feststellen musste, setzte an diesem Wochenende pünktlich zur großen Hitzewelle ein Run auf die deutschen Nord- und Ostseebäder ein. Gerade die Touristen, die nur mal für einen Tag an die Küste (mit ihren dicken Kisten?) gefahren waren, versperrten die Straßen und sorgten am Strand dafür, dass der Mindestabstand nicht eingehalten werden konnte. Das Tragen einer Maske viel da natürlich aus.
Die eingesetzten Leute eines Sicherheitsdienstes sahen sich Pöbeleien ausgesetzt, als sie den Zugang zum Strand reglementieren wollten und die in Massen andrängenden Badegäste auf die eineinhallb Meter Sicherheitsabstand hinwiesen. Ein Strandkorbaufsteller, der extra weniger Körbe freigegeben hatte, um den behördlichen Vorgaben zu genügen, erzählte im Interview, dass es fast zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre, weil einige uneinsichtig waren.
Den Samstag zuvor. In Berlin demonstrierten eine Vielzahl von Leuten gegen die Maskenpflicht. Laut Polizei waren es 20.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von bis zu 1,3 Millionen und die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo in der Mitte. Die Interviews in der Tagesschau hierzu legten den Verdacht nahe, dass die Teilnehmer an der Demo die falschen Drogen geschluckt hatten. So viel Paranoia und geistigen Dünnpfiff auf einen Haufen sieht man selten.
Ich denke, die „Wahrheit“ bezüglich der Teilnehmerzahl liegt wie immer dazwischen; ich tippe da jetzt mal forsch auf 100.000 bis 150.000. Die Konzentration der Leitmedien auf die teilnehmenden Verschwörungstheoretiker und rechtsradikalen Wirrköpfe hat mich darüber hinaus geärgert. Hier wird in übelster Agitationstechnik wie weiland in der Aktuellen Kamera mit aller Macht versucht, ein politisches Leitbild der breiten Zustimmung zu den Schutzmaßnahmen während der Covid-19 Pandemie zu verkaufen.
Hierzu passen auch die Meldungen Ende letzter Woche, dass laut einer aktuellen Umfrage des Forsa Instituts im Auftrag von RTL 91% der Deutschen kein Verständnis für die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben. Auch in der Tagesschau wurde gleich nach dem Bericht von den überfüllten Stränden mitgeteilt, dass 90% der Deutschen die Schutzmaßnahmen für gerechtfertigt halten. Wie passt das zusammen?
Dieser nur scheinbare Widerspruch kommt durch den allgegenwärtigen Opportunismus des durchschnittlichen Deutschen zustande. Da die Covid-19 Schutzmaßnahmen staatlich verordnet sind und (fast) alle Medien die Notwendigkeit dieser betonen, wird der Eindruck allgegenwärtig, dass eigentlich alle die Maßnahmen für erforderlich halten.
Gegenteilige Meinungen werden in den Leitmedien verunglimpft; sei es die Demo-Teilnehmer oder alternative Medien, die flugs zur Querfront erklärt werden. Jedem wird sofort bewusst, welches die richtige Meinung ist. Und selbst die Linke stößt hier (wie auch bei den Flüchtlingen 2015) ins selbe Horn. Als einzige Opposition verbleibt dann die AfD, die per Definition der Leitmedien, aber auch der politischen Linken, dem faschistischen Lager zuzurechnen ist.
Hand aufs Herz: Wer von uns möchte sich denn bei dieser Konstellation hinstellen und behaupten, die Schutzmaßnahmen wären übertrieben? Da wird man doch sofort in die AfD Ecke gestellt. Und die Einschränkung von Freiheitsrechten ist natürlich nur temporär, bis... Ja bis wann eigentlich? Erst ging es nur um die Anzahl an Beatmungsbetten in den Intensivstationen, dann sollte der Ansteckungsfaktor unter 1 rutschen. Weiniger als 50 Neuansteckungen pro 100.000 Anwohner war auch noch so ein Richtwert, der auf Fläche bereits seit langem unterschritten ist.
Sicherlich gab es bereits viele Lockerungen in den letzten Wochen und Monaten, aber die Masken- und Abstandspflicht besteht unverändert fort. Und die zugestandenen Lockerungen sind wohl eher wirtschaftlichen Notwendigkeiten geschuldet. Denn die Tourismusbranche ist für diese Volkswirtschaft schon systemrelevant.
Ohne seinen Urlaub wäre der Deutsche wohl nicht so folgsam und würde in Scharen auf solche Demos wie in Berlin rennen, Agitprop hin oder her. Das hatten die Apparatschiks im ZK der SED vor 30 Jahren eben nicht kapiert und wurden dann von der Geschichte fortgeweht. Erst als die Demos in Leipzig so groß wurden, dass der Staat es sich nicht leisten konnte, dies zu vertuschen oder alle zu verhaften, wuchs die Teilnehmerzahl und die Demos griffen auf andere Städte in der DDR über.
Hieraus hatte man schon 2015 gelernt und konnte das Thema über die Jahre austrudeln lassen. Der geniale Trick, Politiker der Linken wie z.B. Frau Kipping in der Kampagne mitzunehmen und missliebige Stimmen (Wagenknecht) kalt zu stellen, hatte Erfolg.
Aber ob dies auch bei Covid-19 klappt? Schließlich konnte man an den deutschen Stränden die Verlogenheit des typischen Deutschen erkennen. Ob vor einer Kamera oder im Gespräch mit Freunden oder Kollegen: Wir alle sind natürlich für eine Maskenpflicht und Abstand, bis ein Impfstoff gefunden ist. Da gibt sich keiner die Blöße, dass sich herumsprechen könnte, dass man ja als Gegner dieser Maßnahmen auf AfD Kurs segelt.
Aber wenn es Strandwetter ist, dann ist auf einmal wieder alles egal. Natürlich war tatsächlich niemand am Strand gewesen, genauso wie niemand Bild liest oder bei McDonalds isst, Amazon bestellt oder oder oder. Diese Verlogenheit ist allgegenwärtig und eigentlich typisch für autoritäre Regimes wie dem dritten Reich oder der DDR.
Dies zeigt mir, dass wir zur Zeit von einer demokratischen Gesellschaft weit entfernt sind. Und das noch ohne Not, denn wir haben noch eine Demokratie. Noch. Wenn wir aber so weitermachen und
Leute mit abweichenden Meinungen - seien sie auch noch so krude - an den Nazi-Pranger stellen, dann haben wir bald dank Denunzianten und freiwilliger Blockwarte genau die Diktatur, vor der wir angeblich immer warnen.
Da sind mir die Leute, die Dich an der Kasse bei Kaufland immer darauf aufmerksam machen, dass Du den Mindestabstand nicht einhältst und die sich ansonsten nicht mehr aus der Wohnung trauen - die sogenannten Abstandsnazis - immer noch lieber. Oder eben die Coronaleugner auf der Berliner Demo vom 01. August. Denn beide Gruppen sind von ihrer Meinung felsenfest überzeugt und stehen auch in der Öffentlichkeit dafür ein.
Die meisten Leute aber - zumindest die Tagestouristen an den deutschen Küsten - predigen Wasser und saufen Wein. Wenn der Chef um die Ecke schaut, verteidigt man die Maskenpflicht vehement und schimpft über die unvorsichtigen Mitbürger. Doch wenn die eigene Freizeit darunter leidet, dann kann man nicht einmal auf den Strandbesuch verzichten. Was für Heuchler da in Massen unterwegs sind.
Ich stehe wohl irgendwo zwischen den Coronaleugner und den Heuchlern. Ich arbeite seit Pfingsten wieder normal und kriege da den ganzen Irrsinn mit „Maske auf Maske runter“ mit. In nicht-desinfizierten Zügen und Bussen harre ich bis zu einer Stunde am Stück mit Maske bzw,. Face Shield aus. Da sieht man Maskenpflicht und Abstandsregelung naturgemäß kritischer als im Home Office.
Wäre ich im Home Office, würde ich auch jeden Maskenverweigerer ins Arbeitslager schicken lassen.

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