Mittwoch, 8. März 2017

H Lecter: Onkel Hotte 7/x

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Am nächsten Morgen, besser gesagt spätem Vormittag, wurde ich vom Klingeln oder Klopfen an unserer Tür geweckt. Unsere Mitreisenden, also die männlichen von Denen, hatten sich einen Kopf gemacht. Wastl und Mike meinten, das sie einfach mal sehen wollten, wie es uns geht.
Na wie schon nach einer durchsoffenen Nacht? Gottlob waren wir ja gut ausgerüstet. Ein Konterbier konnte ich Wastl, Mike und dem Krankenkassenangestellten daher anbieten. Und mein Schädel schmerzte mit jedem Schluck aus der Pulle weniger. So saßen wir scherzend auf unserem Balkon des Appartements, den Onkel Hotte und ich ansonsten nicht nutzten. Dazu war die Sonneneinstrahlung tagsüber viel zu intensiv.
Kurze Zeit später. Onkel Hotte hatte sich zwischendurch auch aus dem Bett gequält. Ein großes Hallo war die Folge, selbt Hotte schnappte sich eine Flasche Bier und arbeitete sich an dieser ab. Die Differenzen der vergangenen Tage waren wie weggeblasen, so als ob es niemals Streit gegeben hätte. Es erfolgte auch keine Aussprache über eventuelle Missverständnisse oder eine Klarstellung der jeweiligen Positionen. Schließlich sind wir ja keine Mädchen, gell?
Diese waren erst mal gar nicht mitgekommen, um uns zu besuchen. Wahrscheinlich hatten die Jungs Sehnsucht nach ungestörten Rülpsen, Sackkraulen oder auch... Ich zitiere erneut den Krankenkassenangestellten: „Kann die alte Fotze ruhig mal machen". Denn bei den Mädels war so eine dabei, die hatte so richtig Haare auf den Zähnen. Aktiv in der Gewerkschaft, unbemannt und mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber dem männlichen Geschlecht ausgestattet. Ein bisschen pummelig, aber Dicke Dinger...
Bereits nach kurzer Zeit war also alles Friede Freude Eierkuchen und Hotte und ich durften anschließend auch wieder mit dabei sein. Mike's Freundin wie auch die Frau des Krankenkassenangestellten waren ja auch fröhliche Menschen, und Wastl's Süße fiel ebenso nicht beim ersten Windhauch um. Die Frau von der Gewerkschaft nahm es wenigstens locker, was blieb ihr auch anderes übrig.
An der Bar nahmen wir alle zusammen ein paar Getränke zu uns, ehe wir mit dem Taxi in die Berge fuhren. Wastl kannte da ein exquisites spanisches Restaurant, das er uns gern zeigen wollte. Die Kosten der Gerichte lagen Meilen über meiner damals üblichen Preisklasse, aber bis heute habe ich mir dank des damaligen Abends einen Heißhunger auf Tapas bewahrt. Seinerzeit gab es leider keinen Spanier in Braunschweig, das ist jetzt gottlob anders.
Die Steakkarte ließ ich sofort passieren, Fleisch war noch nie so mein Ding. Aber die von uns bestellten Tapas mit gegrillter Paprika, Serrano mit Melone, Pflaume im Speckmantel, um nur die Bekanntesten zu nennen, harmonierten vorzüglich mit dem Weißbrot und der Aoli. An mein Hauptgericht kann ich mich nicht mehr erinnern, doch Bier gab es zur Genüge.
Und da wir nach dem wohlfeilen Mahl noch unternehmungslustig waren, fuhren wir im Anschluss mit dem Taxi in die Cita, eines der großen und terassenförmig angelegten Shopping Malls von Playa Ingles. Übersetzt heißt das bekanntlich „Strand der Engländer", was sich anhand der Namen der Restaurants und Kneipen gut nachvollziehen lässt. Die Läden haben so klangvolle Namen wie „der Schnitzelwirt" oder auch „zum Pflaumenbaum".
Genau in diesem Pflaumenbaum beendeten wir letztlich diesen feucht fröhlichen Abend. Und obwohl ich an diesem Abend ausnahmsweise Bier statt Wodka-O zu mir nahm, legte ich gleich wieder einen hoffnungsvollen Auftritt hin. Ich muss hier schnell vorausschicken, das der Wirt nicht nur das frisch gezapftes Bier kurz zwischen die Kühlrippen der gigantisch anmutenden Konstruktion eines Luftkühlers an der Thekenwand zu stellen pflegte. Dasselbe machte er auch mit dem Becherovka.
Dieser tschechische Kräuterschnaps, den ich seit jenem Abend wohlweislich nicht mehr trinke, erfreute sich im Pflaumenbaum einer großen Beliebtheit. Und nachdem ich den einen oder anderen „Jan Becher" geleckert hatte, muss ich garantiert etwas enthemmt gewesen sein, da ich mit der attraktiven Thekenfrau herumschäkerte.
Irgendwann am Tag vorher hatte ich mir wohl ein rosa T-Shirt in einem Touriladen gekauft, das mit tickenden Mäusen in allen denkbaren Stellungen übersät war. Die Thekenfrau fuhr auf das T-Shirt total ab und überredete mich, es ihr für einen Becherovka zu schenken. Freudig lallend willigte ich ein und lief anschließend den ganzen Abend lang mit freiem Oberkörper durch die Gegend. Zum Glück fuhren wir nach dem Pflaumenbaum sofort in unsere Appartements.
Zu diesem Absacker im Pflaumenbaum fällt mir noch ein, das ich natürlich nicht wie erhofft mit der Thekenfrau nach Hause ging, dazu war ich auf alle Fälle zu breit. Und obwohl ich seinerzeit noch eine Figur hatte, die dem Bachelor zur Ehre gereichen würde, war die Thekenfrau sicherlich nicht daran interessiert, sich mit einer Schnapsleiche zu vergnügen. Wenn ich noch ein bisschen Verstand bei mir gehabt hätte, dann wäre mein schönes T-Shirt nicht für lediglich einen Becherovka über die Theke gewandert.
Ich hätte wohl besser doch zwei Becherovka verlangen sollen. So blieb mir am Ende des Abends wieder einmal nur der Griff zur langen Rakete, worauf ein tiefer Schlummer folgte.

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