Donnerstag, 23. Januar 2014

Hartmudo Spezial: Walter 1und2/14

1
Nach dem Tod meines Vaters lernte Mutter Walter 1994 kennen. Seither hatte ich Walter all die Jahre schätzen gelernt. „Udo, mein Freund“. So sprach er mich stets fast 20 Jahre lang an, bis er am 12. Mai diesen Jahres in der Klinik Salzdahlumer verstarb.
In all den Jahren seit 1994 hatten wir viel Spaß. Ich erinnere mich gern an unsere Reise nach London, bei der ich quasi als „Übersetzer“ fungierte. Anläßlich einer zweiten Reise fuhren wir in dem Zug von London nach Paris im Tunnel unter dem Ärmelkanal. Walter und ich nutzten die Tunnelfahrt, um den Rotwein, den es umsonst gab, zu vernichten.
Überhaupt haben wir beide immer gern einen zusammen getrunken. Stolz berichtete ich im Freundeskreis, wenn Walter mich wiederholt „unter den Tisch“ getrunken hatte. Da war er schon weit über 80; auch noch mit Anfang 90 konnte er ordentlich Gas geben.
Meine Löwin und ich gingen mit meiner Mutter und Walter jahrelang ca. einmal pro Monat Essen. 3 Jahre davon mit Gutscheinen von Butlers oder auch Flips. Trotz meiner Proteste ließ meine Mutter es sich nicht nehmen, jeweils die Rechnung zu bezahlen. Vielleicht eine Handvoll-mal hatte ich es geschafft, die Rechnung selbst zu übernehmen.
Zu Feierlichkeiten holten wir sie stets ab, insbesondere, als Walter vor ein paar Jahren erblindete. Walter war voll in die Familie integriert. Monatlich brachte ich ihm eine Kiste Bier in den Seniorenstift, wo er eine schöne Wohnung hatte. Schnaps und Wein brachte ich unregelmäßig vorbei.
Insgesamt kann ich sagen, das mein Verhältnis zu Walter herzlicher als das zu meinem Vater war. Wenn irgendetwas anlag, rief ich immer zuerst Walter an. Erst Walter, dann meine Mutter. Fast 20 Jahre lang.
Im Jahr 2000 hatte er mich gebeten, eine Vorsorgeverfügung für den Fall seines Ablebens einzugehen, da er keine Kinder oder auch nur nähere Verwandte hatte. Im August 2000 waren wir also beim Notar, der diese Verfügung auch beurkundete. Damit einher setzte Walter ein Testament zugunsten meiner Mutter auf. Der Notar beurkundete auch das Testament.
Ich war dabei, als Walter das Testament beurkunden ließ. Vorher saßen er, meine Mutter und ich noch zusammen. Er übergab mir Unterlagen und zählte die seinerzeitigen Vermögenswerte auf. Ich weiß noch, das ich anläßlich dieser Beurkundungen auf Mutter eingeredet hatte, ebenfalls eine Vorsorgevollmacht aufsetzen zu lassen, falls sie hilflos im Krankenhaus liegen sollte. Sie hyperventilierte förmlich, als ich ihr dies vorschlug.
So war ich dann einerseits geschockt, andererseits auch gefaßt, als ich auf Ediths Party vom bevorstehenden Tod von Walter hörte. Als ich am nächsten Tag mit meiner Mutter und der Vorsorgevollmacht im Arm in der Salzdahlumer auftauchte, bot sich mir ein grausiges Bild. Walter lag auf der Seite, wurde intravenös ernährt und schüttelte sich krampf- und schmerzartig.
Nach dem Schlaganfall hätte jetzt eine Magensonde gesetzt werden müssen. Hinzu wäre noch eine Maschine für die Lungenfunktion gekommen. Wie die Ärztin uns erklärte, war die Hirnschädigung irreparabel, so dass er auf Dauer an irgendwelchen Maschinen hängen würde. Taub, blind und stumm. Als sie die Vorsorgevollmacht durchblätterte, überlegte sie auch nicht lange und ordnete die Abschaltung aller Geräte an, um den Sterbevorgang nicht unnötig zu verlängern.
Meine Mutter konnte dies aus Kummer nur schwer verstehen. Aber gerade deswegen hatte Walter mich ja 2000 gebeten, diese Verantwortung zu übernehmen. Für mich war dies keine Frage, sondern Ehrensache.
Am nächsten Tag – Sonntagnachmittag – verstarb Walter dann. Ruhig und friedlich, meinte die Schwester. Ich werde allerdings den aufgerissenen Mund, der mich an das berühmte Gemälde von Edvard Munch erinnerte, nicht vergessen. Er hatte seinen Frieden gefunden. Jetzt galt es, die Wohnung aufzulösen, den Nachlaß zu regeln und die Bestattung zu organisieren.

2
Jahrelang hatte ich nicht mehr an dies Testament aus dem Jahr 2000 gedacht, jetzt erinnerte ich mich wieder daran. Um alles zu regeln und meiner Mutter zu helfen, nahm ich 2 Tage Urlaub und begab mich mit Berta und Mutter Montag vormittag in die Wohnung, um die Papiere zu sichten.
Walter hatte die Unterlagen in seinem Sekretär verstaut. In den Leitz Ordnern fand ich alle wichtigen Dokumente. Kontoauszüge, Versicherungsunterlagen und eine Stahlkassette. Den Schlüssel hierzu fanden wir später.
Das Testament aus dem Jahr 2000 fand ich auch sehr schnell. Das er eine Seebestattung wollte, daran konnte ich mich auch noch erinnern. Auch Mutter wußte dies noch. Im Testament, dessen Inhalt ich über die Jahre schon halb vergessen hatte, fand ich auch den Namen des Bestattungsunternehmers aus Steinhude, der seinerzeit Walters Frau beisetzte.
Das ich laut diesem Testament den Nachlass regeln und meine Mutter quasi Alleinerbin sein sollte, habe ich dann erstmal Berta sagen müssen. Denn Berta wußte davon natürlich nichts. Meine Mutter sicherlich. Während ich den Inhalt des Testaments Berta und auch Mutter erklärte, blieb Mutter stumm. Ich schob dies auf die Trauer über Walters Tod.
Hinterher waren wir mit der sichtlich geknickten Mutter noch bei Karstadt. Meine Mutter war total aufgeregt, weil sie Angst hatte, das für die Beerdigung das Geld nicht da sei. Sie wollte schnell an Walters Konto ran, zumal sie auch eine Kontovollmacht dafür hatte.
Ich konnte die Eile nicht verstehen. Berta und ich redeten ihr auch ins Gewissen. Wir erklärten ihr, das sie als Alleinerbin erstmal auf den Erbschein des Amtsgerichts warten muß. Ich wollte da auch nichts falsch machen als Nachlaßverwalter. Zur Not hätten wir halt die Rechnung schieben müssen, falls das Amtsgericht zu langsam arbeitet.
Das alles bei Karstadt 1 Tag nach dem Tod von Walter wohlgemerkt.
Es schien Mutter dann von Tag zu Tag besser zu gehen. Meine Löwin und ich machten uns Sorgen, das sie vor Kummer zuhause vor sich hin dämmert. Wir haben sie dann öfters abgeholt; mindestens einmal pro Wochenende. Auch nach Hamburg zum Schollenessen mit Dora und Herbert nahmen wir sie mit.
Berta kümmerte sich ebenfalls seitdem um Mutter, damit sie auf andere Gedanken kam.
Ich hatte jedenfalls in der Woche nach Walters Tod genug zu tun. Ich informierte die Rentenversicherung und meldete den Tod von Walter 3-4 Tage nach dessen Tod dem Amtsgericht. Schließlich sollte es ja schnell gehen. Mutter sorgte sich bekanntlich um die Beerdigungskosten und ich wollte ihr den Frust ersparen, das die Rechnung fällig wird und das Geld dafür, welches zweifelsfrei da war, vom Amtsgericht noch nicht freigegeben ist.
„Im Rahmen der Nachlaßverwaltung setze ich sie davon in Kenntnis, das Herr Walter ...“ Ich war zugegebenermaßen schon ein bißchen stolz, das ich Walters Willen entsprechen konnte. Die Last der Verantwortung machte mir weniger zu schaffen. Eindeutig überwog das Gefühl, Walters Wünschen nachgekommen zu sein und ihn nicht enttäuscht zu haben. Das war mir wichtig.
Die Rechtspflegerin vom Amtsgericht machte mich auf das Formular zur Vermögensaufstellung (hatte ich schon im Netz runtergeladen) aufmerksam. Außerdem sollte ich alle im Testament benannten Erben mit Anschrift aufführen. Ich berief mich auf das Testament zugunsten von Mutter, aber trotzdem sollte ich den Vordruck …. Bin ja selber Beamter.
Die Rechtspflegerin teilte mir noch die Geschäftsnummer des Gerichts mit. Trotzdem brauchte ich noch bis zum 9. Juni (!), bis ich tatsächlich alles zusammenhatte.
Denn außer Versicherung, Zeitung zu informieren mußte ich noch mit der Heimleitung sprechen. Und, natürlich auch nicht unwichtig, der Bestattungsunternehmer. Der war relativ schnell. Das ich die zugeschickten Sterbeurkunden zuerst übersehen hatte und deshalb eine Woche lang gar nichts lief, zeigt mir, das mich das Ganze doch nicht so kalt ließ. So etwas kostet halt Körner.
Seebestattung in Travemünde. Wie bei seiner Frau. Walters Willen sollte entsprochen werden. Ich sagte meiner Mutter am Telefon: „Kann ich das jetzt unterschreiben? Du weißt: Wer die Musik bestellt, muß sie auch bezahlen. Nicht das ich auf den Kosten sitzen bleibe!“
„Nein, nein. Mach das.“ sagte Mutter. Diese von mir als Scherz gemeinte Frage … Als ob ich es geahnt hätte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen