Sonntag, 8. Mai 2022

H. Lecter: Alf

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Kommen wir jetzt zu einer anderen schönen Aktion mit Alf: Dem Besuch eines Weingutes am Rhein. Diese Aktion wurde seinerzeit von Frank-Walter angeschoben, zu der Zeit berüchtigter Kollege aus Salzgitter-Bad und ausgewiesener Alkohol Profi.
Diese Aktion muss in irgendeinem September um die Jahrtausendwende stattgefunden haben, denn zu der Zeit hatte ich bereits am Amalienplatz gewohnt. Zu Fuß ging ich früh morgens zur Autobahnauffahrt in Lehndorf, wo mich der Reisebus aufschnappte.
Genau gegenüber dem hinteren Einstieg hatten wir unsere Plätze. Frank-Walter, Detzer, Alf und ich. Mike war diesmal nicht dabei, Sylvester fuhr zu der Zeit schon gar nicht mehr mit, weil er es mit seinem Gewissen als Vorgesetzter nicht verantworten konnte. Des öfteren hatte er Alf schon auf den Pott gesetzt - vollkommen zu Recht übrigens, wie ich heute konstatieren muss.
Im Bus war ich mit meinen 40 Lebensjahren tatsächlich einer der jüngsten, die überwiegende Anzahl der Mitfahrer war mindestens 10 bis 15 Jahre älter als ich. In Erinnerung an das letzte Kapitel möchte ich hier noch eine kurze Bemerkung zum Thema Rock n' Roll machen: Wie zu erwarten war, dudelte der Busfahrer eine volle Breitseite Schlager über die quäkenden Bordlautsprecher herunter.
Insbesondere die zahlreichen Damen, welche die reichlich vorhandenen Stolpermänner a la kleiner Feigling oder saurer Apfel konsumierten, zeigten sich bereits zu früher Morgenstund ausgelassen, ungehemmt und fröhlich. Im Chor stimmten sie "Hermann Löns, die Heide Heide brennt" an.
Vergleichbar mit Moshern auf einem Heavy Metal Konzert tanzten sie im Mittelgang des Busses, und das während der Fahrt auf der Autobahn. Eine derart ekstatische Stimmung hatte ich über alle Jahre ausgiebiger Konzertbesuche äußerst selten erlebt. Die Konzerte der Cramps und der schöne Gig der Meteors in Hildesheim sind da eine rühmliche Ausnahme gewesen. Halt, Jason and the Scorchers mit Uli in Berlin!
Zur Zeit dieser Busfahrt war dies alles aber mindestens 10 Jahre her gewesen und meine Kumpels und ich eher seltener auf Konzerten anwesend. Und wenn, dann eher unbeteiligt und vermeintlich cool. Ohne Feeling halt.
Doch gerade diese Damen in diesem Bus hatten den Rock 'n' Roll verinnerlicht, obwohl sie bei Motorhead oder AC DC schreiend rausgerannt wären. Die waren halt nicht so verkopft wie meine Kumpels und ich seinerzeit.
Dass Alf mit seiner schönen Stimme die Damen tatkräftig unterstützte, dürfte den geneigten Leser nicht überraschen. Frank-Walter als ehemaliger Hauptfeldwebel und besonderer Freund des weiblichen Geschlechts ließ sich hier natürlich auch nicht zweimal bitten, während Detzer und ich das Geschehen eher stoisch ertrugen.
So nach und nach hatte sich die Mannschaft ausgepowert und setzte sich wieder auf ihre Plätze. Für Alf war dies das untrügliche Zeichen, kurz die Augen schließen zu können. So friedlich, wie er schlief, waren die Damen von ihm immer noch ganz bezuckert.
Bis zur Ankunft am Weingut konnten Frank-Walter, Detzer und ich die Stimmung am hinteren Einstieg hochhalten, auch Alf stieg alsbald wieder ein, da er bislang nur von den unzähligen Stolpermännern zehren konnte. Eine Druckbetankung war ihm gottlob nicht vergönnt gewesen.
Beim Weingut angekommen, wurden wir sofort in einen größeren Raum bugsiert, wo uns die verschiedenen Produkte des Weinguts vorgestellt werden konnten. Von jedem der an die zehn Weine des Sortiments gab es lediglich kleine Schlückchen von etwa 0,1 Litern. Damit wir die hohe Qualität jedes Weines auch würdigen konnten, kauten wir zwischen jedem Wein ein Stückchen Weißbrot.
Als letztes wurde uns ein extrem schwerer Eiswein kredenzt, welcher erst im November nach dem ersten Frost abgeerntet und gekeltert wird. Anschließend wurde noch die Möglichkeit eingeräumt, uns mit den edlen Produkten dieses Weingutes einzudecken und die eine oder andere Flasche käuflich zu erwerben.
Das Alf sich hierbei mit dem Eiswein eindeckte, war keine große Überraschung. Rasch verstauten wir unsere Beute im Bus; ich selbst hatte nichts eingekauft, weil ich nicht so der Weintrinker bin.
Doch was machten wir jetzt mit dem angebrochenen Tag? Schließlich hatte gerade man erst die Mittagsstunde begonnen. Daher fuhren wir zu einem der zahlreichen Weinfeste, was zugegebenermaßen auch von vorne herein geplant war. Dort konnte das Unglück seinen Lauf nehmen.
Der Busfahrer überließ uns beim Weinfest unserem Schicksal und wollte uns zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsammeln. Schneller, als Usain Bolt die 100 m laufen konnte, zerstreute sich die Reisegesellschaft in kleine Gruppen. Blitzschnell standen Detzer, Alf und ich allein auf weiter Flur.
Frank-Walter, der ja die anderen Mitreisenden gut kannte, hatte sich vorsichtshalber in Luft aufgelöst. Bereits zuvor am Tage hatte er sich mir gegenüber derart geäußert, dass er sich nicht um Alf kümmern wolle. Der alte Schlawiner! Aber ich konnte ihn gut verstehen, schließlich waren die Mitreisenden Frank Walters Freunde und Bekannte.
Somit sollte die Arschkarte an Detzer und mir hängen bleiben. Doch zunächst war alles friedlich. Zu dritt gingen wir gemütlich ein Stück des Weges über das Fest. An dem einen oder anderen Stand nahmen wir einen Schoppen Wein und gingen einfach weiter.
Von den Anderen war weit und breit nichts zu sehen, stattdessen kamen wir an einem Riesenrad vorbei. An dieser Stelle war Alf bewusst, dass er dieses Riesenrad betreten musste. Natürlich nicht Allein! Ehe er mich bitten konnte, ihn in einer Gondel zu begleiten, hatte ich mich auch schon verkrümelt.

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