Montag, 13. Dezember 2021

Sam Phillips

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Die Veröffentlichung dessen bester Songs „Flying Saucer Rock `n` Roll“ und „Red Hot“ fielen auf demselben Zeitpunkt wie „Whole lotta Shakin`“ und „Great Balls of Fire“. Als Folge davon floppten die Singles von Billy Lee Riley, der vermeintlich erst für Jerry Lee`s Erfolg verantwortlich war. Stinksauer und vor allem besoffen demolierte Riley das Studio. Der herbeieilende Phillips blieb ruhig und es gelang ihm, Riley den Rest der Nacht über zu beruhigen. In einem langen Gespräch vertröstete er Riley auf die nächste Single. Der glaubte dies und ließ sich besänftigen, schaffte aber mit seinen restlichen 3 Singles bei Sun keinen Durchbruch mehr.
Unterdessen war Jerry Lee Lewis mit Jack Clement und Sam Phillips Bruder Jud in dessen Bus unterwegs. Jud, der Sam seit ihrer Kindheit begleitete, hatte mit der Zielstrebigkeit seines Bruders nicht viel im Sinn. Seine Stärke war das Gespräch an sich - sprich: Er war ein guter Verkäufer. Und er spielte sich zum Manager von Jerry Lee Lewis auf.
Zu dieser Zeit hatte er mit Judd Records kurzzeitig ein eigenes Label, dessen größter (und einziger) Erfolg Cookie & the Cupcakes mit „Mathilda“ war. Er hatte von diesem Business nicht wirklich Ahnung und konnte auch deshalb den Skandal um Jerrys Privatleben nicht verhindern, weil er die Macht der öffentlichen Meinung unterschätzte.
Jerry Lee Lewis war u. a. mit Chuck Berry auf Tour unterwegs, mehr aber noch im TV bei Dick Clark und all den anderen Shows gebucht, um seine beiden Megahits präsentieren zu können. Die diesbezüglichen Videos auf YouTube sollte man sich unbedingt anschauen, um eine leichte Vorstellung zu bekommen, warum Jerry Lee Lewis im Business (fast) alles überstrahlte.
Million Dollar Quartett

Leider hatte Jerry Lee Lewis ein Problem: Kurz vor der Alan Freed Show an Weihnachten 1958 hatte er die dreizehnjährige Myra Gale Brown, Tochter seines Bassisten und Cousins J.W. Brown, geheiratet, obwohl er formell noch mit zwei anderen Frauen verheiratet war. Dies war ein gefundenes Fressen für die Presse, als Jerry Lee dummerweise seine Hochzeit mit Myra Gale öffentlich machte.
Die Reaktion der Presse und dann auch der Fans kam sofort. „Baby-Räuber“ und „Ekelerregend“ waren nur zwei Schlagwörter, mit denen Jerry Lee auf den nächsten Konzerten konfrontiert wurde. Dabei konnte er noch von Glück sagen, dass Sam Phillips mithilfe eines Anwalts das Ende der ersten beiden Ehen zurückdatieren ließ, um den Vorwurf der Bigamie entkräften zu können. Dies hätte für den arglosen, ja arroganten, Jerry Lee Gefängnis bedeuten können.
Jedenfalls war es das mit der Karriere als Superstar. Erst bald ein Jahrzehnt später konnte er sich im Countrybereich wieder einige Meriten erspielen. Auch für Sun Records waren jetzt die großen Höhenflüge vorbei. Der Boom mit dem Rockabilly war 1959 vorbei, daran hätte selbst ein begnadeter Musiker wie Charlie Rich nichts ändern können, selbst wenn er es mit Rockabilly ernsthaft versucht hätte.
So bleibt aus dieser großen Zeit nur noch das „Million Dollar Quartet“ zu erwähnen. Diese legendäre Session in den Sun Studios vom 4.12.1956 wurde erst 1981 veröffentlicht und präsentiert eine Jam Session von Carl Perkins, Elvis Presley, Johnny Cash und Jerry Lee Lewis. Zu dieser spontanen Aktion kam es, als Elvis, der schon über ein Jahr nicht mehr bei Sun unter Vertrag stand, zwanglos in die Sun Studios kam und anfing, mit den anderen Drei zu improvisieren.
Der Begriff Million Dollar Quartet stammt von Sam Phillips, der dank dieser vier Musiker Millionenumsätze feiern konnte. Wenn man sich diese Session heute anhört, fällt sofort die locker gelöste Stimmung der Musiker auf. Dank dir aufwändig remasterten Bänder werden auch die Hintergrundgeräusche hörbar.
Hier möchte ich jetzt erwähnen, dass ich erst dank Peter Guralnick erfahren habe, dass Johnny Cash bei dieser Session nicht wirklich mit dabei war. Oder, um es präzise zu sagen: Die Reporter und auch Johnny Cash hatten das Studio bereits verlassen, als das Band überhaupt erst eingeschaltet wurde.
Die Jungs arbeiteten sich an den Spirituals ab, die sie bereits seit ihrer Kindheit her kannten. Hinzu kamen natürlich noch Songs u.a. von Fats Domino und Chuck Berry. Gegen Ende riss dann Jerry Lee das Klavier an sich, so dass der Rest eigentlich nur noch begleiten konnte. Die einzelnen Songs der Session sind häufig gerade mal angespielt, deshalb empfehle ich, die Session in einem Rutsch durchzuhören.
Guralnick erwähnt in seinem Buch häufig das besondere Flair, welches in dem Studio bei Aufnahmen herrschte. Die Musiker trafen sich in den Sun Studios, blödelten herum und tranken Bier oder Kaffee. Dadurch schüttelten die einzelnen Musiker in dieser Frühphase des Rock Business die Songs einfach nur so aus dem Ärmel, dass es eine wahre Freude war.
Leider war es nach dem Skandal um Jerry Lee Lewis vorbei mit den Millionen Umsätzen des Labels. Ich glaube ja, dass er der einzige Rockabilly Musiker von Sun Reords war, der dank seiner Ausstrahlung auf dem großen Markt in den USA überhaupt eine Chance zum Verkauf gehabt hatte. Ein Billy Lee Riley z.B., der seine Chance versoffen hatte, konnte den beginnenden Abstieg des Labels nicht aufhalten.
Natürlich hatte Sam Philips, wie immer eigentlich, noch einen Musiker in der Hinterhand. Charlie Rich hatte ich schon kurz erwähnt. Charlie Rich war eigentlich Jazzmusiker und ein begnadeter Pianist. Sam gab Charlie Platten von Jerry Lee Lewis zu hören, auf dass Charlie sein Klavierspiel vereinfachen möge.

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