Samstag, 20. November 2021

guterPlatzzumBiertrinken: Sommer geht doch zu Ende

Mittwoch, 25. August. Vor 25 Jahren sagte ein damaliger Kunde zu mir: "Hartmudo, ich hab doch nur noch Schwanz!" Damit meinte er nicht sein Geschlechtsteil, sondern den Umstand, dass er immer Pech hatte bzw. den Umstand, dass das Leben im Allgemeinen stets ungünstig für ihn verlief.
Das ist im Moment mein Feeling, wo ich hier auf einer Parkbank neben einer Flüchtlingsunterkunft in der Gartenstadt sitze und eine Dose Wolters leere. Es war mal wieder Zeit für diese Kolumne. Der Arbeitstag, nein - die letzten Arbeitswochen! - waren wie so häufig in letzter Zeit extrem nervig. Beide Vertreterinnen längerfristig krank und ich will übernächste Woche in Urlaub gehen. Da wird wohl einiges liegen bleiben müssen, scheiß drauf.
Noch nen Schluck aus der Dose. Letzte Woche bin ich bei erregten Diskussionen über Afghanistan und Corona mit Freunden an einem Punkt angekommen, wo ich merkte: Das geht jetzt nicht so weiter, jetzt geht es unter die Gürtellinie und wir geraten in Gefahr, uns auseinander zu dividieren. Ich hatte eine schlaflose Nacht deswegen, meinen Freunden dürfte es ebenso ergangen sein. Und wenn nicht - noch ein Schluck aus der Dose.
In den letzten beiden Tagen streikten die Lokführer mal wieder. Daher war ich gezwungen, mit dem Auto meiner Löwin zur Arbeit zu fahren. Mein Aufreger hierbei ist nicht der Streik, sondern die überraschende Erkenntnis, das meine Kollegen in Diskussionen über die Tage den Streik vehement ablehnten.
Dabei bin ich doch der einzige meiner Kollegen, der auf den Zug angewiesen und überhaupt damit unterwegs ist. Zum Glück habe ich zurzeit das übliche WhatsApp Geklickere mit meinen Freunden eingestellt, weil ich die Atmosphäre unter uns nicht weiter in die Eskalation treiben wollte. Das bringt ja alles nichts.
Im Hintergrund das Heim

Oh, eine Burka Trägerin mit ihren beiden Kindern geht gerade an mir vorbei. Die erste Dose Bier ist fast alle, den Rest auf ex. Unsere Eintracht ist wenigstens ein Lichtblick: 3:0 gestern in Verl. Das war der dritte Sieg hintereinander. Nein, darauf keinen Dujardin, lieber etwas von dem Wolters. Wie ihr seht, hatte sich bei mir genug aufgestaut, um mal wieder mit dem Rad hinaus zu fahren. Wobei... ich heute nach der Dienstbesprechung pünktlichst Feierabend machte, um dann vom Bahnhof aus gleich loszufahren.
Als Ruheplatz hatte ich mir eine Stelle neben den US Apartments in der Otto-von-Guericke-Straße ausgesucht. Die Apartments sind ja mittlerweile aufgegeben worden, aber auf dem Weg zwischen Messegelände und Globus Markt befindet sich eine kleine Parkbank in einer S-Kurve unter einer Brücke beziehungsweise der Otto-von-Guericke-Straße. Jene Stelle ist eine der ersten, die mir überhaupt für diese Kolumne in den Sinn kam.
Aua, ein Mückenstich in den Nacken. Dose zum Mund. Beim Losfahren mit dem Rad musste ich an den Begriff "Indian Summer" denken. Die Sonne schien mit voller Kraft und es wehte ein kräftiger, aber kühler Wind. Es gibt kein schöneres Wetter. Die Bäume sind noch grün und dennoch ist ein kräftiger Wind zu spüren.
Oh, eben ging eine Afrikanerin mit ihren beiden kleinen Kindern an mir vorbei. Wir tauschten ein Lächeln aus, fanden uns gegenseitig sympathisch. Das Bier trinke ich aber alleine. Die Dose ist auch schon wieder halb alle...
Jedenfalls war das Licht-Schatten-Spiel an jener Stelle schön anzusehen, als ich vorbeifuhr, weil ich zunächst bei Globus noch kaltes Bier kaufen wollte. Nach langer Suche fand ich in der Getränkeabteilung bei Globus doch tatsächlich den Kühlschrank fürs Bier. Der Kühlschrank war voll mit den verschiedensten Sorten, aber leider nicht an die Stromversorgung angeschlossen. Nun gut, warmes Bier ist eh bekömmlicher.
Ich kaufte 3 Wolters und setzte mich wieder aufs Fahrrad. In freudiger Erwartung auf den Genuss eines leckeren Wolters fuhr ich in Richtung jener Stelle, die ich wohl als einziger Mensch auf dieser Welt als schön bezeichnen würde.
Als ich nach kurzer Fahrt dort ankam, saß dort bereits ein junges Pärchen. Sie lachten und scherzten und ich kam nicht zu meinem Platz. Deprimiert drehte ich um und fuhr Richtung Ringgleis. Die nächste Bank würde meine sein. Es kam aber keine. Ich hab doch nur Schwanz Oh je, jetzt ist die zweite Dose auch noch alle.
Charlie Watts ist gestern auch gestorben. Dritte Dose auf, R.i.P. Charlie. Ich hatte die Hoffnung auf eine Parkbank schon aufgegeben, aber hinter der Flüchtlingsunterkunft wurde ich fündig. Hier in der Gartenstadt fühle ich mich wohl.
Gerade kommt die Sonne wieder heraus, ich fühle mich entspannt. Die schlechten Gedanken und Gefühle sind passé. Ich muss nur weiter meinen Weg gehen. Für die Arbeit bedeutet dies: das Desinteresse nicht nur vorgeben, sondern auch empfinden. Oh Gott, klingt das schlimm. Noch einen Schluck.
...diese Ruhe...

Stumpf ist Trumpf und in den letzten ein bis zwei Wochen klappt das auf der Arbeit gut. Bei meinen Freunden möchte ich auch downcoolen. Im Moment geht das. Hauptsache, ich halte dies durch. Denn diese Freunde sind mir so wichtig wie meine Löwin. Der könnte ich ja auch mal wieder einen Strauß Rosen mitbringen.
Ach was, eine gute Schokolade oder Edelsalami tut es auch. Wenn der Wind leise durch die Blätter rauscht... Herrlich! Ah, die dickliche Sozialarbeiterin verlässt die Flüchtlingsunterkunft und macht Feierabend. Es ist schlimm, wenn Klischees auch noch bedient werden. Die Wolters Dosen sind auch so hässlich, dass sie schon wieder schön sind.
Für mich immer noch eins der besten Biere Deutschlands. Gleich ist auch das dritte Bier alle, dann fahre ich über das Ringgleis nach Hause. Aber zunächst einmal an den Baum. Ich muss pinkeln. Okay, gerade guckt keiner. Ah, war das gut am Ahornbaum. Jetzt bin ich wieder im Einklang mit der Welt.
Letzten Freitag bei Detzer und Nelling fühlte ich mich auch geerdet, so wie jetzt. Ich muss es schaffen, mich nicht dauernd in Sachen hinein zu steigern, die ich eh nicht ändern kann. Meine Güte, ich bin jetzt 60. Ab sofort sollen die Jungen mal die Welt ändern, ich habe fertig. Nicht nur mit dem Bier, sondern hoffentlich auch mit der ständigen Streitkultur.
Hartmudo liebt euch alle, er muss es nur noch umsetzen. Meine Güte, was labere ich da. Dritte Dose alle. Jetzt aufs Rad, ab nach Hause. Und die Vögel zwitschern zu dem Wind, der sanft durch die Bäume fegt. "It's all quiet on the eastern front" sangen die Stranglers und dies werde ich zu Hause hören. Chaka!

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