Mittwoch, 2. September 2020

Hartmudo: E Scooter


Ich hasse diese Dinger. Als sie 2019 angepriesen wurden als schnelles Fortbewegungsmittel in den Städten, war ich schon stark verwundert. Dieser neue Hype aus den USA soll jetzt auch in deutschen Städten den Weg zwischen Wohnung und Büro oder Büro und Büro erleichtern? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen.
Zunächst einmal macht es in größeren Städten Sinn, weil Parkplätze für Autos aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens rar gesät sind. Und ehe man z.B. in München oder Hamburg an der U-Bahnstation und nach einmal umsteigen und Weg zum Büro am Ziel ist, kann man in der Innenstadt häufig schon zu Fuß gehen. Da ist man schneller.
Ja, warum machen die Nerds das dann nicht? Weil es mit einem E Scooter noch etwas schneller geht. Einfach draufstellen und der E-Motor zieht Dich im hohen Tempo über die Bahn. Um da hinterher zu kommen, muss sich ein Radfahrer ganz schön abstrampeln. Dabei käme dieser ins Schwitzen, was schlecht ist. Denn schon morgens schwitzend im Büro zu erscheinen, ist natürlich ein No Go für die zukünftigen und heutigen Führungskräfte dieses Landes.
Da isser, der Kleine

Das gleiche gilt selbstverständlich auch für Studenten auf dem Weg zur Uni oder Mensa. Jedoch… verlief der Verkauf an E Scootern eher schleppend, so dass letztes Jahr E Scooter auf den Straßen meiner Heimatstadt noch Mangelware darstellten. Das änderte sich erst, als die Firmen Tier und „Lime“ ihre E Scooter dieses Jahr zum Mieten in der Stadt verteilten. Diese im alten polizeigrün gehaltenen Scooter stehen seit diesem Sommer überall in der Stadt an markanten Punkten am Straßenrand zur Benutzung bereit.
Zum Nutzen dieses Services benötigst Du zunächst einmal die dementsprechende App. Dort kannst Du Dich registrieren und bist durch Angabe Deiner Karte zahlungsfähig. Oder Du buchst einfach so Geld ins „Wallet“. Nach jeder Fahrt wird Dir der zu entrichtende Obolus abgezogen. Zur Zeit liegt die Nutzungsgebühr je nach Stadt bei 30 oder 25 cent pro Minute Fahrt, in Braunschweig gnädigerweise bei 20 cent.
Bei einer Strecke von 5 km – ich gehe mal vorsichtig von 20 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit aus – wären wir damit bei 15 Minuten Nutzungsdauer und einem Fahrpreis von 3,- €. Am Zielort kannst Du dann den Scooter einfach stehen lassen; irgendein Mindestlöhner wird ihn nachts schon einsammeln und aufladen, anschließend an bestimmten Punkten wieder aufstellen. Zurück zur Natur geht allerdings anders.
Mal abgesehen davon, dass man bei Regen genauso nass wird wie die anderen Fußgänger oder Radfahrer auch. Aber warum stehen die Leute auf diesen Geräten so kerzengerade und bewegungslos, als ob sie einen Stock im Arsch hätten? Warum nehmen sie sich nicht nen normalen Scooter ohne Elektroantrieb und treten ein wenig. Bewegung soll ja gesund sein. Wahrscheinlich wäre das uncool.
Zugegebenermaßen ziehen die Dinger ganz gut ab. Letzten Monat fuhr ein E Scooter vor mir; morgens um halb Sechs (!). Da kam ich mit meinem Bike einfach nicht hinterher. Da konnte ich mich abstrampeln, wie ich wollte. Auf einer der vielen Nebenstraßen, noch dazu um diese Tageszeit, ist das für den Scooter kein Problem. Da gilt ja noch „freie Fahrt für freie Bürger“.
Bedenken bezüglich der Fahrtauglichkeit von E Scootern hatte ich aber in der Vergangenheit auf den zahlreichen Fahrradwegen von Braunschweig. Diese sind häufig – wie in den meisten anderen Städten auch – in einem erbarmungswürdigen Zustand. Bei den Minirädern an den Dingern ist jeder Huckel, jedes Löchlein ein potenzielles Sturzrisiko. So dachte ich jedenfalls mal.
Wie ich allerdings in den letzten Wochen feststellen durfte, ist dies selbst auf buckeligen Wegen doch kein Problem. Da war ich baff erstaunt. Wenn ich jedoch andererseits an die 25 km Strecke des Ringgleises denke, kommen bei mir erneut Zweifel der Fahrtauglichkeit auf Schotter, Sand oder Kopfsteinpflaster. Aber selbst wenn ich mich da auch täuschen sollte, wäre es eigentlich egal, denn: Wer ist schon so blöd und reitet auf nem Scooter 25 km so just for Fun um Braunschweig?
Überhaupt diese Fremdwörter. Ein „Scooter“ ist nichts anderes als ein Roller, bloß eben nicht zum selber treten. Diese Tretroller waren so vor 10 Jahren schon mal hip und kamen schnell aus der Mode, weil sie tatsächlich sehr wackelig zu fahren waren. Da brachte es auch nichts, dass jene Dinger klappbar waren und daher leicht in Bus und Bahn mitgenommen werden konnten. Aber wenigstens fuhren die Kids noch selbst.
Scheinbar ist die Covid-19 Pandemie auch hier für den Erfolg dieser Mietschiene mit verantwortlich. Zumindest bei schönem Wetter kann man so schnell vom Außenbereich oder Bahnhof die Innenstadt ohne Auto erreichen, ohne mit Maske im Bus oder Bahn neben einem Coronaleugner sitzen zu müssen.
Ist ja auch nur konsequent. Man trifft sich mit seinen Freunden nur noch virtuell über die einschlägigen Apps. Dank Home Office muss man gar nicht erst vor die Tür und andere Menschen ertragen, zur Not bestellt man alles online, auch Lebensmittel. Und wenn man dann doch mal irgendwo persönlich hin muss, dann nimmt man einen Scooter zur Kontaktvermeidung.
Schöne neue Welt.

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