Dienstag, 8. September 2020

H. Lecter: Alf

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Wo ich das Köludu schon erwähnt habe: Bleiben wir doch gleich mal dabei. Am Anfang der Fußgängerzone gelegen, war das Köludu vom Rathaus gesehen nicht mal 2 Minuten entfernt und lag innerhalb des Gebäudekomplexes Schlemmermarkt. Damit will ich sagen, dass die Kneipe von der Fußgängerzone aus nicht einsehbar war.
Hier trafen wir uns jahrelang jeden Freitag nach Feierabend, um das Wochenende einzuläuten. Diese schöne Tradition wird sonst höchstens noch von den Briten gepflegt. Schade, dass dies hierzulande nicht mehr en Vogue ist. Ein weiteres Stückchen an Lebensqualität, welches in Salzgitter Ende der 90er Jahre leider verschwand.
In meinen ersten Jahren in Salzgitter trafen wir uns gerne auch noch zusätzlich donnerstags in dieser Schänke. Den Begriff „gemütlich“ lasse ich allerdings weg, wenn ich das Interieur beschreibe. Da wäre zunächst der mit großen Steinfliesen versehene Boden. Der grau-schwarz-weiße Farbmix gemahnte an die goldenen 60er Jahre, während die Holztische nebst Sitzbänken und Stühlen offenbar in den frühen 80er Jahren bei Möbel Boss gekauft wurden. Erkennbar war dies an der dunkelgrünen Sitzpolsterung.
Als Farbton habe ich Buche oder Birke in Erinnerung. Die nicht ganz halbkreisförmige Theke samt den dazugehörigen Barhockern stammten aus derselben Serie. Viel mehr kann ich über die Inneneinrichtung schon nicht mehr sagen, außer dass es die Atmosphäre einer leeren Bahnhofshalle ausstrahlte, da der Laden für die übliche Besucherzahl überdimensioniert war. Die Tische waren dann auch eher selten besetzt. Die Menschen trafen sich hier noch an der Theke. Während eines Bummels durch die Stadt oder eben wie wir nach der Arbeit, 18.30 Uhr in Deutschland halt.
Hier tranken wir König Ludwig Dunkel, ein malziges Schwarzbier. So wie Guinness, bloß mit Zucker. Da waren Kopfschmerzen vorprogrammiert, aber davor fürchteten wir uns nicht. Und donnerstags war der Platz vor dem Tresen immer gerammelt voll gewesen. Die Leute standen da schon in dritter Reihe und unterhielten sich prächtig. An die Tische wurde sich nur gesetzt, wenn man etwas Persönliches zu besprechen hatte.
An einem solchen Donnerstag hatte Alf mal wieder einen hohen Redebedarf. Das süßliche König Ludwig Dunkel mundete ihm ausgezeichnet; zuvor hatten wir bis 18.00 Uhr wie jeden Donnerstag einen stressigen und nervigen Arbeitstag hinter uns gelassen. Alf war ja während der ersten Getränke am Abend immer gut drauf gewesen und konnte den ganzen Saal unterhalten. Dabei lachte er in einer Tour und gestikulierte wild mit seinen Händen herum.
An diesem Tag war Alf besonders rege. Er stand von uns ein wenig abseits und redete die ganze Zeit auf Madou ein, einer damals vielleicht 40jährigen Frau, die auch nicht ins Glas gespuckt hatte (ist mittlerweile auch schon tot). Madou kannte jeder Kneipengänger, denn Madou hatte in Lebenstedt bereits in jeder Gaststätte gearbeitet.
Eine richtige Szenefrau demnach, die abends auf ihrer Runde durch die Gemeinde gern mal im Köludu vorbeischaute. Ihren Pegel hatte sie dabei stets im Auge, sicherlich an diesem Abend auch schon erreicht. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich erkennen, dass beide gerade noch halbwegs sicher auf ihren Füßen standen.
Und beide lachten und scherzten, dass es eine Freude war. An ihren Blicken konnte ich erkennen, dass sich beide etwas näher gekommen waren. Alf, der alte Wolf, hatte Witterung aufgenommen. Nun würde ich Madou gewiss nicht als Rehlein bezeichnen, dazu hatte diese Frau sicherlich zu viel erlebt.
Alf gestikulierte immer wilder und heftiger, das Lächeln von Madou wurde immer strahlender und ihre Augen fingen an zu glänzen. Alf kannte jetzt kein Halten mehr; zielsicher fingen seine Hände ihre Brüste ein. Ob er einfach nur prüfen wollte, ob ihre Dinger echt waren, weiß ich nicht mehr.
Vielleicht wollte er sie auch einfach nur massieren, denn das machte er als Nächstes. In kreisenden Bewegungen, mit einer anzüglichen Lache, schraubte er in aller Öffentlichkeit an ihren Titten rum. Zum Glück war es da schon etwas später am Abend, so dass nur noch die Stammgäste im Laden abhingen. Die Laufkundschaft war bereits fortgegangen.
Auch Madou ging relativ schnell. Als geübte Trinkerin hatte sie die Situation jederzeit unter Kontrolle gehabt und haute schnell ab, ehe Alf noch zudringlicher werden konnte. Auf so ein Techtelmechtel hatte sie keinen Bock; Madou kannte ihn schließlich zur Genüge. Da zog sie lieber weiter in den nächsten Laden.
Sie war gerade aus der Tür raus. Alf nahm noch einen Schluck und redete mit uns weiter, als ob nichts gewesen wäre. In diesem Moment, keine 10 Sekunden nach Madous Flucht aus dem Laden, kam die Frau von Alf in den Laden geschossen, um ihren sturzbetrunkenen Ehemann abzuholen.
„Schaat – zii! Meine Liebste, da bist Du ja!“ rief Alf freudestrahlend und lief auf seine Frau zu, die sichtlich genervt ob seines Zustandes war. Zum Glück kam sie nicht eine Minute eher, denn dann hätte es ein Unglück geben können. So aber nahm sie den überglücklichen Alf mit nach Hause. Meine Güte, sie hatte wohl noch nicht einmal guten Tag gesagt.
Da ging Alf dann auch mit seiner Frau mit und ward verschwunden. Auch wir anderen hatten genug intus und machten uns auf den Heimweg. Meine Güte! Alf hatte da mal wieder ganz schön Glück gehabt.

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