Freitag, 2. November 2018

Uncle Fester: grad gelesen November 2018

Andreas Brandhorst - Die Tiefe der Zeit
Der neue Brandhorst - „Endlich!“ oder „Och ne, schon wieder?“ ist hier die Frage. Und die Antwort ist: „Sowohl als auch.“ Um es vorwegzunehmen: Ich habe ihn gern durchgelesen, aber der Autor hat einige Fäden offen herumliegenlassen. Das kenne ich von Brandhorst nicht, vielleicht hatte er beim Schreiben nicht die nötige Ruhe gehabt. Ging mir beim Lesen aber auch so, weil.... das ist erine andere Geschichte. Soll Hartmudo erzählen.
Der Roman spielt mehrere hunderttausend Jahre in der Zukunft. Die Menschheit führt Krieg gegen die Crul. Keiner hat jemals einen Crul gesehen. Doch dieser Feind taucht seit tausenden von Jahren lediglich sporadisch in verschiedenen Ecken des Universums auf, um menschliche Planeten anzugreifen. Die Hauptstreitmacht ist irgendwo im Universum und will die 7 menschlichen Kernwelten vernichten. Irgendwann. Die Erde? Ein mystischer Ort, dessen Standort wohl in Vergessenheit geraten ist.
Jarl und Prizilla sind die beiden Protagonisten dieses Romans. Bereits als sechsjähriges Kind in der Ausbildung zum Soldaten träumt Jarl von der legendären Erde, die er finden soll. Er ist etwas schwächlich und wird deshalb von seinem älteren Kameraden Ruk schikaniert. Nur das Mädchen Sotia hält zu ihm.
Im Laufe der Jahre erfährt Jarl und damit der Leser, dass die Menschen Alienvölker brutal unterdrücken und notfalls vor Genoziden nicht zurückschrecken. Nur der Stärkere überlebt - das ist das Credo. Ruk wird irgendwann Jarls Truppführer. Bei einer verdeckten Operation vermasselt Jarl den Einsatz, so dass sein Trupp massive Verluste zu verzeichnen hat und ein ganzes Volk deshalb ausgelöscht wird.
Aber Jarl wird nicht hingerichtet, da die Armee jeden Mann im Kampf gegen die Crul braucht. Und deshalb ist er im Alter von 37 bei einem Himmelfahrtskommando auf Onnizza dabei, um eine Navigationsbarke der Crul zu vernichten, mit der die Hauptstreitmacht der Crul die menschlichen Kernwelten erreichen kann. Der Trupp wird gnadenlos aufgerieben, aber Jarl und Ruk können einen Crul lebend fangen - den ersten in all den Jahren.
Ruk beansprucht den Ruhm für sich und schickt den Sträfling Jarl auf ein Himmelfahrtskommando. Er ganz allein soll Sotia befreien, die in den Tiefen des Staubmeeres vor den Crul geflohen ist. Jarl erreicht auch den Bunker, kann sich aber selbst nur noch neben Sotia in einen Tiefschlaftank legen und hoffen, dass sie beide irgendwann gerettet werden.
Parallel dazu wird die Geschichte um Prizilla erzählt. Sie ist die Chefstrategin der großen Ewora, die als Suprema die Herrscherin der Menschheit ist. Eifersüchtig wird sie von der Taktikerin Nadala bekämpft. Coridian, der General und Held unzähliger Schlachten gegen die Crul, ist Prizilla in bedingungsloser Treue ergeben.
Zur Überraschung aller führenden Köpfe der Menschheit wird Prizilla von Ewora kurz vor ihrem Tod als neue Suprema bestimmt. Als Prizilla ein havarierendes Schiff innerhalb einer offenen Zeitstraße betritt, kollabiert die Zeitstraße und Prizilla ist 31 Jahre lang dort gefangen, ehe sie wieder ihr Universum betritt. Auf dem Schiff trifft sie auf ein Hologramm ihrer selbst aus der Zukunft. Prizilla soll die Erde finden, vorher aber den Soldaten Jarl suchen. Nur dieser sei in der Lage, die Waffe, welche den Krieg entscheiden soll, zu bedienen. Diese Waffe ist natürlich auf der über die Jahrtausende verschollenen Erde.
Prizilla erscheint aber leider zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Crul sind gerade dabei, das Sonnensystem von Memoria zu zerstören. Und Nadala, die während der langen Abwesenheit von Prizilla Suprema geworden war, macht Prizilla für den Angriff der Crul verantwortlich, weil sie diese zu diesem System geführt hatte.
Während Nadala das System zügig verlässt, soll Prizilla zusammen mit dem zum General beförderten Coridian den aussichtslosen Kampf gegen die Crul aufnehmen. Über ein alternatives Fulkrum (künstlich geschaffene Wurmlöcher, durch die man innerhalb kürzester Zeit die Galaxis durchqueren kann) können jedoch Prizilla und Coridian ebenfalls aus dem zerstörten Memoria-System fliehen, um nach Onnizza zu gelangen und Jarl zu finden. Coridian wird bei den vielen Raumsprüngen schwer geschädigt und kann fortan lediglich mit Hilfe eines mechanischen Roboters an der weiteren Handlung teilnehmen.
Vor Onnizza trifft Prizilla auf Ruk und durchschaut dessen Versuch, Jarl vor Ort sterben zu lassen. Da die Crul für alle überraschend urplötzlich das System verlassen, kann Prizilla auf Onnizza in Ruhe nach Jarl suchen. Sie zwingt Ruk mitzukommen. Tatsächlich können sie zusammen nicht nur Jarl, sondern auch Sotia retten.
Danach kann auch Nadala Prizilla und die anderen nicht an der Reise zur Erde hindern, da ein Admiral Prizilla ein Schiff zur Verfügung stellt. Zunächst jedoch müssen unsere Helden die Geisterwelt Ira besuchen, denn dort hatte Atalea, die allererste Suprema, die Koordinaten der Erde versteckt, damit diese äonenlang in Vergessenheit geraten konnte.
Und nicht nur das: Prizilla und Jarl erfahren ein Geheimnis, welches ihr gesamtes Weltbild auf den Kopf stellt. Denn Atalea erweist sich nicht als die Retterin der Menschheit, die das feindliche Volk der Gromka bezwang, sondern als Anführerin rebellierender künstlicher Menschen. Denn es warten die Menschen, die das Volk der Gromka mit Hilfe einer Androidenarmee vernichten wollten. Anschließend sollten die Androiden dank eines eingebauten Gendefekts sterben, aber Atalea durchschaute die Pläne der letzten „echten“ Menschen.
Die vom Gendefekt verschonte Atalea fand den Zufluchtsort der letzten 50000 Menschen und vernichtete sie mithilfe der Gromka. Danach mussten die Gromka dran glauben und der Mythos „Immer stark, niemals schwach sein“ wurde geboren. Die Menschheit, welche eigentlich Androiden waren, begegnete fortan fremden Kulturen mit Argwohn und löschte sie notfalls aus, bevor sie gefährlich werden konnten.
Nach diesem Schock reisen Prizilla, Jarl und Sotia zur Erde weiter, während Coridian die angreifenden Crul ablenkt und dabei sein Leben verliert. Auf der kahlen und eigentlich toten Erde angekommen, entdecken sie das havarierende Schiff aus der offenen Zeitstraße, welches als einziges Gebäude weit und breit zu sehen ist.
Im Inneren des Schiffes angekommen, erwecken sie unabsichtlich Konstantin, den Lenker dieses Schiffes, das dazu bestimmt ist, durch den Ozean der Zeit und auch alternative Universen zu reisen. Und dieses Schiff ist die Waffe, die nur Jarl bedienen bzw. fliegen kann. Konstantin dagegen ist der Sohn eines Paares, welches bei der Vernichtung der 50000 übersehen wurde.
Konstantin tötet Sotia und zwingt damit Jarl, das Schiff in den Zeitozean zu fliegen, um in die Vergangenheit zu reisen. Dort soll er verhindern, dass Atalea die letzte Zuflucht der 50000 findet, um dadurch die Geschichte zu ändern. Das hätte auch die Zerstörung der Erde verhindert. Jedoch springt „der Feind“ (die Crul?) beim Übergang in die Zeitanomalie aus dieser hervor und greift das Schiff an.
Prizilla nutzt die Gelegenheit und entreisst Konstantin die Waffe. Sie zerschießt seinen Kopf, so dass sich Konstantin nicht mehr mithilfe des Schiffes reparieren kann. Prizilla und Jarl fliegen der Ewigkeit entgegen; statt Atalea an der Vernichtung der letzten Menschen zu hindern sorgt Jarl dafür, dass die Suprema Prizilla das Zeitschiff gar nicht erst betritt, so dass sie die menschliche Gesellschaft von innen heraus positiv beeinflussen und von weiteren Grausamkeiten abhalten kann.
Sotia wie auch Coridian leben dadurch noch. Wir haben im Epilog zwei Liebespaare: Jarl und Sotia, dazu endlich Prizilla und Coridian. Ein Happy End also, was an und für sich in Ordnung ist. Leider versanden andere Handlungsstränge bzw. Personen gegen Ende des Romans vollkommen. Die Herkunft der Crul wird nicht erklärt; zuvor wird bei der ersten Ergreifung eines lebenden Cruls durch Jarl und Ruk kurz der Eindruck erweckt, es würde sich um eine andere Fraktion der Menschheit handeln. Dass Ruk sang- und klanglos aus der Geschichte verschwindet, ist ja noch nachzuvollziehen. Aber Nadala?
Ich denke, Brandhorst wollte oder musste diesen Roman schnell zu Ende bringen. Hat ja auch einen Output, der Mann. Das ist jedochr schade, weil der Plot an sich wie immer stark ist. Nur tritt Brandhorst alle Entwicklungsmöglichkeiten einfach so in die Tonne. Es sei denn... es gibt eine Fortsetzung. Dann nehme ich meine Kritik zurück. Versprochen.

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