Sonntag, 2. November 2025

Hartmudo: Superwumms

33
Dies war leider mittlerweile Normalzustand; Tagsüber ging es mir immer relativ gut bis lebensfroh, sei es, weil ich ein schönes Erlebnis mit anderen teilte oder weil ich alleine zu Fuß bzw. mit dem Rad (ab diesem Tag) unterwegs war. Sowie die Sonne weg ging, war meine gute Laune auch verflogen. Zumindest dann, wenn ich Zeit zum Grübeln hatte. Erst die Routine aus Fernsehserien und Lesen vor dem Einschlafen beruhigte mich etwas, Ehe ich dann doch zumindest einschlafen konnte, ehe sich dann das Kopfkino mit dem Toilettengang einzusetzen pflegte.
Auch hatten mich die Schlaftabletten wenigstens im Februar dahingehend nach vorne gebracht, das ich irgendwie doch genug Schlaf des Nachts bekam. Leider fühlte ich mich beim Aufstehen und in den ersten 2-3 Stunden immer noch mau und niedergeschlagen. Also so ganz anders als in den letzten 60 Jahren.
Wenigstens hatte ich die Schlaftabeletten ausschleichen können, aber leider reichte es noch nicht zum Gamechanger. In meiner Not griff ich ab dieser Woche zu Baldriparan ("Stark für die Nacht"), welches ich heute noch konsumiere. Baldrian zur Beruhigung - ein Tip von Randy. Das nehme ich hier mal vorweg: Schaden tut es nicht, ist aber wohl doch eher Placebo.
Am neuen Morgen war dann ein neuer Monat ausgebrochen. 1. März - Danny's Geburtstag mithin. Und in diesem Jahr fand sein Geburtstag nicht draußen am Grill, sondern innen in der Wohnung statt. Bewaffnet mit alkfreiem Bier kämpfte ich mich durch den Abend, unterhielt mich gut mit dem einen oder anderen Kumpel von Danny.
Jela und die anderen Kids waren gut mit sich selbst beschäftigt, so dass auch die Oma lediglich unterstützend eingreifen konnte. Irgendwann sind meine Löwin und ich dann nach Hause gefahren und ließen die "jungen Leute" allein. Mittlerweile sind wir die Generation, die bei Feierlichkeiten eher am Rande sitzt, aber immer wieder eingeladen wird, weil "wir" irgendwie doch mit dazu gehören.
Wie auch bei verschiedenen Aktionen zuvor im Februar war ich jeweils im Nachhinein erstaunt gewesen, dass ich auch ohne Alkohol Spass haben konnte. Dieses Gefühl trug ich wie eine große Fahne vor mir her, bis ich selbst daran glaubte. Doch so richtig ausgelassen und bisweilen stark überschwänglich bin ich erst ab dem dritten Bier. Das war vorher so und zeigte sich dann wieder, als ich mein Zölibat beendet hatte.
2. März und Themenwechsel. Denn an diesem Abend rief ich den Kanonier, meinen alten Kumpel aus Bundeswehrtagen, an. Irgendwann in den Wochen zuvor hatte ich bereits mit ihm telefoniert gehabt und ihn von meiner momentanen Verfassung in Kenntnis gesetzt. Der Kanonier hat eine psychiatrische Praxis innerhalb einer Klinik. Nach dem unschönen Reinfall mit dem Psychiater im Schlosscarree hatte ich wohl irgendwann diesen Strohhalm ergriffen.
Gern hätte ich den Kanonier aus meiner Krankengeschichte herausgehalten, aber allein war ich mit der Situation komplett überfordert gewesen. Trotz aller möglichen Unterstützung durch meine Löwin und anderen Freunden und Verwandten trat ich auf der Stelle und kam nicht aus dem Abwärtssog hinaus.
Ich benötigte also professionelle Hilfe und die sollte ich vom Kanonier dann auch erhalten. Dieser fragte auch nicht lange, sondern bot mir seine Hilfe unverzagt an. Es macht halt doch schon etwas aus, wenn man 15 Monate lang zusammen in einer Achterstube untergebracht ist. Eine komplett zusammengewürfelte Truppe, die sich ansonsten nie freiwillig über den Weg gelaufen wäre, musste beim Barras funktionieren.
Und das taten wir auch - 15 Monate lang. Und dadurch wurden zumindest der Kanonier und ich Freunde fürs Leben - auch wenn das jetzt sehr schwülstig klingt. Das kann man vielleicht auch nicht verstehen, wenn man - oder eher eigentlich Frau - nicht "dort" gewesen war. Der künstlich aufgebaute Druck in der "Schule der Nation" hatte uns alle zusammengeschweißt.
Dabei konnten wir uns am Anfang nicht wirklich aufs Fell gucken. Mir gefiel die kindische und zynische Art von ihm überhaupt nicht; Er störte sich an meiner zur Schau gestellten Arroganz. Doch so nach und nach - beim Stuben- und Revierreinigen, beim Technischen Dienst - kamen wir uns näher und hingen dann auch gern nach Dienstschluss zusammen ab.
Klingt wie eine Liebesgeschichte a la Rosamunde Pilcher; aber hey, Leute: Der Grundwehrdienst hatte den Sinn, die Soldaten durch möglichst viel Druck auf Gehorsam und Funktionieren zu trimmen. Eigenschaften übrigens, die auch im späteren Berufsleben vorausgesetzt werden. Selbstständiges Arbeiten und/oder so zu tun als ob - genau das lernten wir bei der Bundeswehr und sind deshalb auch in der Lage, einen Betrieb am Laufen zu halten.
Und wir machten das Beste draus, insbesondere der Kanonier und ich. Unsere Stube wurde von den Vorgesetzten als Familie definiert: Jeder für jeden und alle zusammen im Wach- oder Bereitschaftsdienst. So wuchsen wir von Monat zu Monat immer mehr zusammen, gerade auch bei unseren "Campingurlauben" oder den Abenden auf der Standortschießanlage. Legendär zu nennen - für mich immer noch ein Schlüsselerlebnis - das Nachtschießen am 8. Mai 1985.
Ein Trauriges, wohlgemerkt. Denn dies war der 40. Jahrestag der Kapitulation Nazideutschlands. Kurz danach - und in den ersten Jahren dieser Republik - hieß es: "Von Deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen." Was ist bloß aus diesem guten Vorsatz geworden; aktuell rasseln selbst ehemals friedensbewegte Menschen, die Mitte der 80er noch gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen auf die Straße gegangen waren, mit dem Säbel. Traurig ist das allemal, aber die heutige Jugend muss ja (noch) nicht zum Bund.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen