Donnerstag, 8. Juli 2021

H. Lecter: Alf

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...nein, er zog die Unterhose nicht auch noch aus. Urplötzlich stand er nun dort wie der Fels in der Brandung: Satte (geschätzte) 120 kg schwer bei einer Körpergröße von knapp über 1,70 Meter. Nicht braun gebrannt, eher käsig weiß wie Golden Toast, bevor man ihn aus der Tüte holt. Bei Love Island hätte er keine Chance gehabt.
Mit einem lauten „Juchhu! Ich bin es, Euer Alf!“ sprintete er barfuß über den Strand. Die vielen Kollegas, die in mehr oder weniger großen Gruppen im Sand vor dem Wasser saßen und sich über alles Mögliche unterhalten hatten, blickten auf. Schauten in die Richtung, aus der Alf gesprintet kam.
Einige Schamhafte drehten sich sofort wieder weg; Ihnen war die ganze Angelegenheit mehr als peinlich. Die anderen aber - so auch ich und die üblichen Verdächtigen der bekannten Trinkergarde - sahen voller Erstaunen, wie der „kalkweiße Bomber“ über den feinen Sand in Richtung des Wassers sprintete.
An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass der eigentliche Strand an jener Position zum Wasser hin in etwa 50 Meter breit war. Hinter diesem schönen weißen Sandstrand folgte eine kleine Böschung. Nicht besonders hoch - vielleicht 20 - 30 cm. Auch nicht gerade breit - ich schätze mal maximal einen Meter, eher weniger.
Dahinter ging der Sand halt weiter, unterbrochen durch Grasbüschel, die weiter nach hinten zahlreicher wurden. Und noch weiter hinten standen Mike, der singende Slawe, die rote Zora, Detzer und ich zusammen. Fasziniert schauten wir Alf hinterher, der im unnachahmlichen Schweinsgalopp auf die Böschung zulief.
Ein kleiner Sprung auf den Sandstrand und dann weiter hineinlaufen in das kühle Nass. Eine kleine Abkühlung bei dem strahlenden Sonnenschein würde Alf guttun. Die sengende Hitze - auf jeden Fall für mein Empfinden - schrie förmlich nach einem Bad. Wir anderen waren jedoch wohl nicht breit genug, um alle Hemmungen über Bord werfen zu können.
Jedenfalls schien das Alfs Plan gewesen zu sein. Der platzte jedoch in dem Moment, wo er zum Sprung über die Böschung ansetzte und leider an einem Strauch hängen blieb. Es folgte eine Art von Salto, den Alf nicht ganz vollenden konnte. Irgendwie seitwärts flog er auf den Strand und klatschte auf den Selbigen.
Alf schaffte es, sich bei dieser unfreiwilligen Flugeinlage nicht zu verletzen, blieb aber erst einmal reglos liegen. Er brauchte wohl auch etwas Zeit, um zu realisieren, was ihm da gerade widerfahren war.
Nach einigen Schrecksekunden reagierten nicht nur wir amtsbekannten Trinker, sondern auch die anderen Kollegas. Kurze Zeit später stand eine große Traube um Alf herum, der sich immer noch nicht rührte. Seine Lebensgeister kamen erst langsam in Schwung. Er öffnete die Augen und schaute aus liegender Position auf die Meute, die ihm die Sicht auf die Sonne nahm. Blitzschnell war seine gute Laune verschwunden. Er wirkte sehr verwirrt, schaute ängstlich zu uns herauf und begann unverständlich zu lallen.
Dies war der Moment, an dem sich die meisten Kollegas wieder abwandten, denn Alf war offensichtlich nicht gestorben. Sein Lallen im besoffenen Koppe kannten sie schon, da interessierten sie sich nicht für. Somit blieb es Mike und mir vorbehalten, uns um den alten Schwerenöter zu kümmern.
Dies bedeutete zunächst, dass wir ihn natürlich gewähren ließen. Alf rappelte sich auf und schleppte sich zu einer Holzbank, auf der er sich auch sofort hinlegte. Da lag er nun wie ein Maikäfer, der prallen Sonne ausgesetzt.
Nachdem Mike und ich bei den anderen Trinkern weiter hinten noch ein Bier getrunken hatten, schauten wir noch einmal bei Alf vorbei. Er sah schrecklich aus. Dank der prallen Sonne leuchtete seine Haut mittlerweile krebsrot und glänzte vor Schweiß. Wie ein Fisch auf dem Trockenen japste Alf nach Luft.
Keine Frage, Mike und ich mussten etwas tun. Von irgendwoher organisierte Mike ein Handtuch, welches er Alf auf die Stirn legte, damit er nicht noch einen Sonnenstich bekam. Ich meinerseits zog die Jacke aus, die ich bei dieser Hitze nun wirklich nicht mehr brauchte, und legte sie auf dessen feisten Oberkörper. Jetzt konnte ihm nicht mehr viel passieren und Mike und ich konnten weiter Bier saufen gehen.
Als es später wieder an der Zeit war, zum Schiff zurückzugehen, hatte die Sonne schon etwas von ihrer Kraft eingebüßt. Alf konnte sogar alleine aufstehen, zog sich an, als ob nichts gewesen wäre, und trottete mit uns in Richtung des Schiffes. Der Betriebsausflug neigte sich also seinem Ende entgegen.
Als wir wieder im Hafen angekommen waren, stiegen meine Kollegas in den Bus, um endlich nach Salzgitter zurückfahren zu können. Ich selbst bewegte mich mit Bus und Straßenbahn in Richtung Juliusstraße, wo ich seinerzeit hauste.

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