Den folgenden Artikel bekam ich –
ausgedruckt – von einem wutschnaubenden Detzer in die Hand
gedrückt. „Und Du, Du bist auch so Einer! Einer, der bei Amazon
kauft.“ geiferte er.
Ich versprach Detzer, mir den Artikel
einmal anzuschaun und machte dies natürlich auch. Denn die
Wirtschaftswoche ist ja nun eine seriöse und anerkannte Zeitung.
Fachkompetenz ist da vorauszusetzen. Allerdings kein Gespür für
sich ändernde Märkte, deshalb muß ich mich hier etwas auslassen.
Tenor dieses durchaus lesenswerten
Beitrages ist, dass die Kaufkraft zunehmend vom Einzelhandel weg zum
boomenden Online-Handel fließt. In kleinen und mittleren Städten
ist dies besonders zu spüren. In Großstädten noch nicht so extrem,
weil hier natürlich die Kundenströme größer sind.
Dieser Analyse kann ich voll und ganz
zustimmen. Schließlich arbeite ich in Salzgitter Lebenstedt.
Salzgitter Bad kriege ich auch ab und an zu Gesicht. Hier möchte ich
nicht einkaufen müssen. Auch alteingesessene Geschäfte wie z.B.
Schuhhaus Rose fristen hier ein trübes Dasein und werden wohl oder
übel bald über die Wupper gehen müssen.
Große Ketten wie KiK, Takko, Tedi,
McGeiz sind da zwar robuster. Aber allein die Häufung dieser Art von
Läden und das Fehlen origineller oder innovativer Ladenkonzepte
lassen mich an Lucky Luke Comics denken.
Dort sitzen die Geier auf den großen
Kakteen und warten geduldig auf die Opfer, die sich in der Wüste
verirren und wehrlos sind. Das wären in diesem Falle die älteren
Mitbürger, die eben nicht mehr so beweglich sind und nach
Braunschweig zum Shoppen fahren können. Die Hartzer können
wenigstens noch mit dem Zug weg, aber mit nem Rollator wird das eng.
Dieses Muster aber funktioniert auch
ohne den Online Handel. Hier widerspreche ich dem Artikel
entschieden.
Denn auch früher schon gab es den
Versandhandel über Quelle, Neckermann oder Otto. Die haben lediglich
die Vertriebsmöglichkeiten über das Netz falsch eingeschätzt und
den Anschluß verloren. Meine Eltern hatten immer über Quelle
Kleidung und Spiele, ja sogar Elektrogeräte gekauft. Letztere dann
vielleicht über den Laden auf dem Bohlweg, wo heute Meckes ist. Aber
ausgesucht im dicken, fetten und bunten Versandhauskatalog.
Übrigens: Daneben war auch Salzmann,
in Spitzenzeiten auf 3 Etagen und noch ne Zweigstelle in der
Burgpassage. Der Hauptladen am Bohlweg machte schon vor dem Internet
Boom die Grätsche; In der Burgpassage ging es bis 2006.
Aber bleiben wir in Salzgitter. Als ich
in Lebenstedt 1991 anfing zu arbeiten, war Hertie gerade noch auf.
Ich hatte dort mal irgendetwas kaufen müssen, weil mein Auto nicht
mehr fuhr. Wagenheber? Jedenfalls war der Laden damals schon ziemlich
abgerockt. Das bedeutet, das man dort zwar z.B. einen Staubsauger
kaufen konnte, aber keine Auswahl hatte.
4 – 5 verschiedene Modelle wenns
hochkommt. Und dann noch alles Einzelstücke. Hier wurde das Dilemma
deutlich, dass erst Hertie in Braunschweig und Salzgitter, Karstadt
in Wolfenbüttel und Bad zum Verhängnis wurde. Du hattest kaum
Auswahl bei den einzelnen Artikeln und dann waren die Preise auch
denen beim Elektro- oder Textildiscounter gegenüber hoffnungslos
unterlegen.
Fachkenntnis beim Verkaufspersonal war
da Mangelware. Deshalb gingen nach und nach die umsatzträchtigen
Abteilungen in den Kaufhäusern ein. Elektro- und Haushaltsgeräte,
Unterhaltungselektronik: Media Markt und später Saturn waren da
nicht nur aufgrund ihrer aggressiven Werbung gnadenlos günstig.
Durch die vielfältige Markenauswahl machten insbesondere Hertie oder
selbst Karstadt und Galeria Kaufhof dicke Backen.
Wie gesagt, Lebenstedt wie Bad aber
auch Wolfenbüttel verloren mit der Zeit „ihre“ Kaufhäuser. Für
nen Fernseher konnte man eben auch schon mal nach Braunschweig zu
Media Markt fahren, wenn man da 100 bis 200 Deutschmark sparen
konnte. Wir reden hier von Artikeln, die man schließlich nicht jeden
Tag kauft.
Etwas häufiger braucht man Bekleidung.
Hier wird mir jeder Ehemann seufzend zustimmen, wenn ich sage: Die
Mädels brauchen Auslauf äh Auswahl. Unseren Eltern reichte es
vielleicht noch, mal kurz bei Karstadt und C&A nach dem Rechten
zu sehen. Aber mehr und mehr mußten es viele Geschäfte, kleine wie
große Läden sein. Das „Shopping“ avancierte zum angesagten
Freizeitspaß. Die Damenunterwäsche bei Karstadt ist da natürlich
nicht mehr so prickelnd. Dass sich C&A bis heute hält, ist wohl
eher den angenehmen Preisen geschuldet.
Diese Art der Spezialisierung, im
normalen Arbeitsleben seit den 70ern gang und gebe, erfordert eine
Flexibilität auch bei der Ladengestaltung, da ist ein Kaufhaus
klassischen Stils schlichtweg überfordert. Das private und
unabhängige Kaufhaus im hessischen Gelnhausen kann ja nur froh sein,
dass es sich in diesem Kaff überhaupt solange halten konnte. Der
vielgescholtene Internethandel hält da höchstens die Grabrede.
Die genannten Beispiele sind sicherlich
selbst für die Braunschweiger Region nicht abschließend aufgezählt,
zeigen aber eines deutlich: Das Sterben im Einzelhandel begann schon
vor dem Internethandel, weit vorher.
Denn eins mußte Detzer auf meine
Nachfrage auch eingestehen: Im Schuhhaus Rose kauft er auch nicht
ein. Aber warum beklagt er sich dann, dass die Leute „bei Amazon“
oder in Braunschweig einkaufen? Und da steht er garantiert nicht
alleine da.
Das Schuhhaus Rose ist ein
alteingesessenes Familienunternehmen wie das Kaufhaus in Gelnhausen.
Deichmann ist nicht weit weg, C&A um die Ecke. Hat Rose da schon
Probleme im Pricing, dann darf man an Braunschweig erst gar nicht
denken. Da ist die Auswahl noch größer und die Preise nochmals
günstiger. Und wenn es Qualität auf Teufel komm raus sein muß;
Hildesheim ist auch in der Nachbarschaft.
Da hilft nur noch arrivierte
Stammkundschaft – und die stirbt nach und nach weg. Das klingt
jetzt bitter, aber Reinicke & Richau Haushaltswaren in
Braunschweig mußten auch vor 2 Jahren mangels Kundschaft aufgeben.
Kaufgewohnheiten, ja der Markt hatte sich halt verändert. Das
Konzept eines reinen Haushaltswarenladens hatte sich überlebt.
Witzigerweise wird in dem
Wirtschaftswochen Artikel vom Sterben des Einzelhandels in kleinen
und mittleren Städten berichtet. Die Autoren haben hier schlampig
recherchiert. Zuallererst gingen schon seit den 70ern, spätestens
80ern die „privaten“ Geschäfte vor die Hunde, als findige
Betriebswirtler den Vorteil von größeren Ketten mit den Filialen
vor Ort entdeckten.
Wenn man schwarze Lacklederstiefel für
bundesweit 137 Filialen en gros beim Hersteller aufkaufen kann, ist
der Einkaufspreis natürlich wesentlich geringer als für das
Schuhhaus Rose. Zumal bei einem größeren Unternehmen auch eher Luft
ist, um auch mal pinke Lacklederstiefel testweise für Düsseldorf
einzukaufen. Bei Rose käme wohl niemand auf diesen innovativen
Gedanken.
Blitzschnell sind wir bei der größeren
Markenauswahl, bunter Ladengestaltung und besseren Preisen. Ohne
dabei schlechteren Service bieten zu müssen, das haben die Kunden
sehr schnell gelernt. Der Preis ist heiß – denn mit schwarzen
Lacklederstiefeln kennen wir uns doch alle aus, oder?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen