Eigentlich hatte ich mich gestern abend
hingesetzt, um noch etwas zu dem wirklich guten Konzert vom Freitag
zu schreiben. Aber da mußte ich traurigerweise lesen, dass Lou Reed
gerade verstorben ist.
Onkel Lou ist tot? Ich war fassungslos;
das Konzert vom Freitag war sofort vergessen. Nachdem ich mich etwas
gefaßt hatte, machte ich mir ein Bier auf (das erste des Tages) und
ging noch nicht zu Bett. Stattdessen setzte ich den Kopfhörer auf
und …
„Hey man, what's your style
How you get your kicks for living“ …
How you get your kicks for living“ …
„Kicks“ aus dem 1976er „Coney
Island Baby“ Album schien mir als Starter für meine
Gedenkzeremonie passend zu sein. Der schleppende Rhythmus, die
quäkende Gitarre und der gelangweilt nörgelnde Gesang ist typisch
für Onkel Lou. Wobei die Gitarre normalerweise immer schrammelt –
somit doch irgendwie außergewöhnlich für Onkel Lou.
Und außergewöhnlich war ja
bekanntlich sein zweiter Vorname, wie wir nur zu gut wissen. Der
Beginn seiner Solo Phase mit „Transformer“ markiert wohl auch
seine privat übelste Zeit. Das von ihm selbst gestreute Bonmot, das
Lou Reed seine Drogensucht mit Alkohol bekämpfte, kam in den
Siebzigern nur bedingt zum Tragen.
Gerade in dieser Zeit, der Nähe zu
seinen Westberliner WG Kumpels David Bowie und Iggy Pop, war
drogengeschwängert ohne Ende. Man schaue sich nur Videos aus dieser
Zeit an. Kurze, rotblond gefärbte Haare. Schwarze Sonnenbrille auf
und ständig auf der Bühne rumzappelnd – das war Lou Reed zu jener
Zeit, als er seine bekanntesten Solo Stücke schrieb.
Auf der „Blue Mask“ von 1982 wirkte
er da schon routinierter und abgeklärter. Von nun an konnte man ihn
zu den großen weisen Männern zählen. Seine Zusammenarbeit in jener
Zeit mit u.a. Robert Quine zeigte einen musikalisch gereiften Reed,
der live nur noch selten aus der Haut fuhr.
Sein meiner Ansicht nach bestes Werk
„New York“ von 1989 brachte seine Qualitäten als Songschreiber
voll zur Geltung, das den einzelnen Songs innewohnende politische
Engagement führte Onkel Lou auch ein zunehmend junges Publikum zu.
„Strawman“ oder „Dirty Blvd.“ Sind ja auch zeitlose Kracher.
Songs für die Ewigkeit.
Oder eben für mein zweites Bier in
jener Nacht. „Romeo had Juliette“ ist halt auch ein Song zum
Mitwippen.
Zugegebenermaßen habe ich Onkel Lou
danach nur noch selten mit seinen neuen CDs zugehört. So ist sein
letztes Machwerk mit Metallica kaum erträglich, zeigt aber die
unermüdliche Haltung des Urvaters aller Indie Gitarren Schrapler:
„Fight Them Back !“
Mich persönlich beeinflußte Lou Reed
hauptsächlich in den 80ern, nachdem ich zum Frühstück bei Aki
gelandet war. Wie immer mit viel Raketentreibstoff sowie Kaffee
aufgeladen, hörte ich mir bei Aki Sachen an, die ich noch nicht
kannte. John Cale und Lou Reed waren da auch mal dabei.
Kein halbes Jahr später hatte ich
nicht nur eine Vielzahl von Onkel Lou`s Platten, sondern auch (fast)
alle von Velvet Underground.
Die erste – „Velvet Underground mit
Nico“ – darf heute in keiner ernstzunehmenden Plattensammlung
fehlen, obwohl sich die erste Auflage 1967 nur 30.000mal verkaufen
konnte.
Die düstere, getragene Stimmung war
damals absolut neu und entstand aus der New Yorker Künstler Szene
um Andy Warhol. Wohl zum ersten Mal flossen hier verschiedene
Kunstgattungen zusammen, so man Rockmusik als Kunst zu begreifen
bereit ist.
Mein drittes Bier – halb Liter Dose …
„I am tired, I am weary
I could sleep for a thousand years
A thousand dreams that would awake me
Different colors made of tears“ Velvet Underground – Venus in Furs (1967)
I could sleep for a thousand years
A thousand dreams that would awake me
Different colors made of tears“ Velvet Underground – Venus in Furs (1967)
Selbst heute noch klingt diese Platte
schräg, denn sicher gab es seitdem Bands, die einen ähnlichen Sound
fuhren. Schließlich gilt Velvet Underground nicht zu Unrecht als
Protoband der Punk- und späteren Indiebewegung. Aber dank Nicos
sprödem Gesang und John Cales Streicheinlagen kommt gerade bei den
Songs im Zeitlupentempo eine depressive Stimmung auf, die doch
irgendwie positiv ist.
Das klingt ziemlich dämlich, aber auf
die Schnelle fiel mir nichts ein.
Letztendlich wollte ich diesen Nachruf
auf Onkel Lou so schreiben, wie er seine Songs schrieb: Kurz und
schnell runtergeschrieben, nicht lange dran rumdoktern.
Und jetzt ab damit ins Netz.
Ciao, Lou.