Sonntag, 27. Oktober 2019

Uncle Fester: grad gelesen Oktober 2019

Pierce Brown - Tag der Entscheidung (Red Rising 3)
Im dritten Band kommt mit Quicksilver noch ein neuer Charakter in die Story, der die Brücke zwischen der archaischen Gesellschaft der Goldenen, welche an die Antike angelegt ist, und unserer Realität schlägt. Der silberne Quicksilver ist Industriemagnat und der reichste Mensch des Sonnensystems. Daneben ist er der eigentliche Gründer der Söhne des Ares, weil er an einen ehrlichen Kapitalismus glaubt und in der bestehenden Kastengesellschaft keinen Fortschritt sieht. Er ist Martin Schulz!
Rollo, ein roter Mechaniker, reißt Darrow aus seiner Lethargie und überzeugt ihn, die Rebellion anzuführen. Sevros terroristischer Weg ist zum Scheitern verurteilt. Ziel ist vielmehr eine klassenlose Gesellschaft. Rot oder Gold - das soll zukünftig keine Rolle mehr spielen.
Doch zuerst ist Darrow wie einst der Graf von Monte Christo in einem dunklen Kerker gefangen. Und das genau unter dem Speisesaal des Schakals! Befreit wird er durch Holiday und Trigg, zwei grauen Geschwistern, die für Ares als Söldner kämpfen. Trigg verliert bei der Aktion sein Leben, weil Darrow unbedingt noch Victra, die ebenfalls gefangen war, mitnehmen musste.
Während sich Darrow und Victra mühsam von den Qualen der Gefangenschaft erholen, stoßen Sevro mit seinen Heulern und Ragnar, mittlerweile Darrows wichtigster Mann, zur Truppe hinzu. Mustang und Roque sind zunächst absent; Cassius wiederum taucht mit Kavax und seinem Sohn Daxo wieder auf, beides gefürchtete Kämpfer aus dem Hause Telemanus und gute Freunde von Darrow in seiner Phase als Goldener, auf dem Mond Phobos.
Auf Phobos will Darrow den silbernen Banker und Wirtschaftsführer Quicksilver entführen und dadurch das Wirtschaftssystem der Goldenen zerstören. Dies gelingt auch, aber beim zentralen Handgemenge kann Cassius fliehen. Es bleibt Kavax vorbehalten, Darrow ein Treffen von Virginia (Mustang) mit Cassius, ihm und Quicksilver zu erklären, welches Darrow bei der Ankunft auf Phobos beobachten konnte.
Roque hat wohl die Seiten gewechselt und kommandiert eine Flotte von Oktavia. Mustang wiederum wollte einen Deal mit Oktavia aushandeln. Denn Mustang hatte den Kampf gegen die Goldenen während Darrows Abwesenheit weiter geführt und sich mit den Mondlords, den goldenen Herren auf den äußeren Planeten des Sonnensystems, verbündet.
Dem Bündnis droht dank der taktischen Fähigkeiten von Roque die Niederlage, und somit bietet Mustang Oktavia den Waffenstillstand bei ihrer gleichzeitigen Inthronisierung als Erzgouverneurin des Mars an. Da der Schakal Oktavia ein Dorn im Auge ist und Cassius dem Deal ebenfalls zustimmt, hätte Quicksilver als Vermittler gute Chancen zur Einfädelung des Deals gehabt.
Da platzt Darrow mit seinem Angriff dazwischen und beendet die Sitzung. Zum Erstaunen aller entpuppt sich Quicksilver als eigentlicher Gründer der Söhne des Ares, der dank seiner finanziellen Mittel den Widerstand überhaupt erst ermöglicht hatte. Übrigens, ich vergaß es beim zweiten Band zu erwähnen. Fitchner (Ares) wird am Ende des zweiten Bandes wohl von Aja, Oktavias treuester Kämpferin, getötet. Oder war es der Schakal? Bei den vielen Personen verliert man leicht den Überblick.
Bei der Verfolgung von Cassius und Aja in der Schneewüste von Phobos wird Ragnar von Aja getötet. Da ist auch schon Sefi, die Schwester von Ragnar, mit ihren Walküren zu unserer Startruppe dazu gestoßen. Sefi als Königin der Obsidianen wird zum wichtigen Rückhalt in Darrows Feldzug. Dieser kann den schwelenden Konflikt zwischen den „roten“ Söhnen des Ares und den Goldenen, die uralte Ängste vor den Obsidianern haben, nur mit Müh und Not schlichten. Zu groß sind die Vorbehalte zwischen den Kasten. Schließlich erkennen aber alle, dass sie nur zusammen siegen können. Denn die Goldenen werden trotz allem gebraucht. Liegt hier eine Parallele zu unserer Gegenwart? Ich denke, der Autor hat hier eine dementsprechende Botschaft versteckt.
Aja kann leider fliehen, aber Cassius nicht. Er wird von Darrow gefangen genommen und eingesperrt. Das nächste Ziel unserer Helden ist nun Titan, wo der Anführer der Mondlords namens Romulus von Oktavias Flotte unter Führung von Roque bedroht wird. Romulus steht auch mit Mustangs Unterstützung auf verlorenen Posten.
Bei direkten Verhandlungen auf Titan kommt es nicht nur zum kitschigen Wiedersehen zwischen Mustang und Darrow, die Romulus überzeugen können, der Revolution treu zu bleiben. Ein letztes Mal unterhalten sich Darrow und Roque fast freundschaftlich, bevor die große Schlacht beginnt. Durch einen Trick kann Darrow Roque überlisten und die Brücke seines Schlachtschiffes stürmen. Roque tötet sich lieber selbst, als in Gefangenschaft zu geraten. Nicht so Antonia, die in die Zelle neben Cassius eingesperrt wird.
Bleibt noch das große Finale auf dem Mond, wo Oktavia und der Schakal das Imperium der Goldenen erhalten wollen. Um jeden Preis. Das Sevro noch schnell Victra heiratet, ist schon ein Vorgriff auf eine eventuelle Nutzung als mehrstaffelige TV Serie.
Darrow täuscht einen Angriff auf den Mars vor, aber der Schakal hat auch seine Spione und baut um Luna eine Falle auf. So steht Darrows Flotte vor dem Mond vor dem Untergang, als Darrow aus nicht nachvollziehbaren Gründen Cassius vor der Rache seiner Mitkämpfer schützen will und ihn aus der Zelle lässt gegen das Versprechen, vom Kampf fernzubleiben.
Noch dilettantischer ist, das sich Cassius ganz plump Darrows Razor schnappen kann, Antonia befreit, Sevro tötet und mit den gefangen genommenen Darrow und Mustang unerkannt auf den Mond fliehen kann. Ich war kurz davor, das Buch in die Ecke zu schmeißen. So ein blauäugiges Verhalten wie das von Darrow ist für einen Feldherrn mehr als unglaubwürdig. Da sollte wohl kurz vor Ende noch mal schnell eine überraschende Wendung eingebaut werden.
Dann liegen Darrow und Mustang in der Schlussszene gefesselt neben der mitgeschleppten Leiche von Sevro in Oktavias Thronsaal. Der Schakal und Aja danken Cassius für die Auslieferung Darrows, der hier vom Schakal hingerichtet werden soll. Aber zuerst findet Antonia hier ihr Ende. Zwei Bände lang hat sie sich immer mühsam aus der Affäre gezogen, jetzt lässt Oktavia, sie von Aja töten.
Und in dem Moment, in dem der Schakal Darrow in den Hinterkopf schiessen will und merkt, dass er nur Platzpatronen hat, wechselt Cassius die Seiten und befreit Mustang und Darrow. Sevro bekommt eine Spritze mit Adrenalin ins Herz und mischt sich in den Kampf ein. Nacheinander verlieren Aja, Oktavia und der Schakal das Leben.
Cassius hatte wohl schon lange die Seiten gewechselt, weil er einen Schwur geleistet hatte, das Wohl aller Menschen zu schützen und als Goldener Ritter für Gerechtigkeit zu sorgen. Wie Oktavia auch, aber die hatte selbst aus Cassius`s Sicht diesen Eid verraten. Eine schwache Begründung, wenn ihr mich fragt.
Zum Schluss herrscht also endlich Frieden und die Farben sind abgeschafft. Alle Menschen sind gleich - Für diese simple politische Botschaft hat Pierce Brown 3 Bücher mit bald 1800 Seiten geschrieben. Wenn die Story nicht so spannend erzählt und die Charaktere so ausdrucksstark skizziert worden wären, würde ich mir den folgenden, ebenfalls dreibändigen, Zyklus sparen. So bleibt also ein unterhaltsames Erstlingswerk, welches nicht zum Nachdenken anregt und deshalb nicht mit ins Altersheim kommt, wenn ich die richtig guten Bücher noch einmal lesen werde.

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Hartmudo: Mutter


50
Sonntag, 11. Dezember. Ohne meine Löwin tauchte ich am Vormittag leicht verspätet in der Wohnung von Mutter auf. Ich war der letzte, sowohl Berta und Sunny als auch der Interessent waren schon in der Wohnung. Wobei Interessent hierbei bedeutet, dass dessen Eltern mit dabei waren, um die Wohnung zu inspizieren. Schließlich sollten die ja auch die Wohnung kaufen.
Eine ähnliche Konstellation hatte ich bereits vor 10 Jahren erlebt, als ich seinerzeit meine Wohnung in der Gartenstraße verkauft hatte. Ich erinnere mich noch gerne daran, dass meine Löwin und ich uns vor Freude abgeklatscht hatten, als die Interessenten die Wohnung verließen. Denn sie waren total begeistert und griffen seinerzeit sofort zu. 7000,-€ mehr, als zwei Makler seinerzeit geschätzt hatten. Da waren wir natürlich vollkommen aus dem Häuschen gewesen.
Mit einem derart freudigen Ausgang der Wohnungsbegehung war an diesem Tag sicherlich nicht zu rechnen gewesen, dazu war der von Sunny ausgerufene Preis mit 135.000,-€ um einiges zu hoch gegriffen. Und da stand sie auch schon: Sunny hörte gerade aufmerksam den Ausführungen des Vaters zu. Berta stand direkt daneben. Beide stiegen in das muntere Geplauder mit ein und erklärten die Vorzüge der Wohnung. Da mochte ich nicht zurückstehen und faselte auch gleich irgendein dummes Zeug.
„Jawohl, die Küche würden wir drin lassen. Das Bad ist natürlich nicht schön, aber da hat ja jeder einen anderen Geschmack. Deshalb bleibt auch das Bad drin, so dass sie sich das Bad bei Bedarf selbst umgestalten können. Gleiches gilt für die Tapeten. Insgesamt würden wir die Wohnung bis auf Küche und Bad total leer räumen.“ Voller Begeisterung schwadronierte ich vor mich hin.
Aber dem Vater fiel natürlich auf Anhieb die schlechte Elektrik mit lediglich 3 Sicherungen ohne FI-Schalter auf. Da er sofort erwähnte, dass dieses dringend gemacht werden müsste, was natürlich gewaltige Kosten verursachen würde, ersparte ich mir den Hinweis auf die Vorteile, dass der Käufer zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten hätte. Vielleicht wollte er auch wirklich nur den Preis drücken, was mir durchaus verständlich erschien.
Mittlerweile hatten wir uns über die gesamte Wohnung verteilt. Und während Sunny Berta die ganze Zeit nicht mal mit dem Arsch anguckte, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruhte, konnten Sunny und ich uns im Gespräch mit den Interessenten die Bälle zuspielen. Ein Außenstehender hätte nicht erkennen können, dass auch wir uns nicht mehr leiden konnten. Bruder und Schwester halten bekanntlich zusammen - genau dieses Bild konnten wir beide glaubwürdig vermitteln.
Berta kam da nicht mit, weil sie wegen der permanenten Beleidigungen durch Sunny mehr als angefressen war. Entscheidend für das Scheitern der Verkaufsverhandlungen war das sicher nicht, dazu war unser Preis einfach zu hoch. Unverrichteter Dinge zogen die Interessenten dann ab. Sie wollten sich melden, das kennt man ja.
Nun konnten wir also zum gemütlichen Teil des Tages übergehen. Außerdem war ich nicht wegen des Gesprächs mit den Interessenten hier. Das Scheitern der Verhandlungen war meiner Meinung nach vorprogrammiert gewesen. Nein, wichtig an diesem Tag war einzig und allein der schriftliche Auftrag zum Wohnungsverkauf für den Makler, den wir am letzten Montag besprochen hatten. Der Startpreis lag bekanntlich zwischen 120 und 125 Tausend!
Das Schreiben hatte ich zuhause bereits aufgesetzt, wir brauchten bloß noch alle unterschreiben. Berta unterschrieb unmittelbar, nachdem die Interessenten die Wohnung verlassen hatten. Jetzt fehlte nur noch Sunny... wo war sie denn nur...
Aah, in Mutters Schlafzimmer. Ich ging zu ihr hin und ersuchte sie höflich um die Unterschrift. „Ich habe jetzt keine Zeit. Du kannst auch mal warten!" blaffte sie mich sofort aggressiv an. Mit erhöhtem Puls schlich ich ins Wohnzimmer zurück und ging im Gedanken einige Tötungsarten durch. Auch Berta überkam das untrügliche Gefühl, dass dieser Nachmittag mal wieder einer der denkwürdigen Sorte sein dürfte.
Im Wohnzimmer standen noch die Tapeziertische von dem Wohnungsflohmarkt herum. Ich half Berta beim Abräumen derselben, als ob Sunny das versöhnlicher stimmen würde. Berta hatte dieses Verhalten bereits in ihrer Kindheit an den Tag gelegt. Wenn Sunny da mal fies drauf war, hatte Berta auch immer versucht, es Sunny recht zu machen, damit diese nicht mehr böse auf sie war. Erschreckt musste ich an diesem Nachmittag feststellen, das auch ich dieses Verhalten automatisch verinnerlicht hatte.
Als ob das jetzt noch was nützen würde. Mitnichten! Nach einigen Minuten des emsigen Zusammenräumens von Kleidern unserer Mutter, die Sunny als Kleiderspende nach Neuerkerode geben wollte, kam sie ins Wohnzimmer herein. Ich sah sogleich meine Gelegenheit gekommen und bat Sunny erneut höflich um ihre Unterschrift. Irgendwie drängte sich bei mir der Verdacht auf, dass Sunny mich einfach nur zappeln lassen wollte. Sie wollte zeigen, wer hier die Richtung vorgibt.
Sunny ließ jetzt wahrlich keine Missverständnisse aufkommen, denn sofort ging sie in den Angriffsmodus über und verdeutlichte mir, dass ich eigentlich ein schlechtes Gewissen haben müsste. Sie selbst habe sich um alles gekümmert bzw. angeleiert - den Verkauf des Schmucks beim Juwelier, den Wohnungsflohmarkt, an dem ich mich nicht mal beteiligt hatte. Und als Krönung natürlich die Räumung der Wohnung. Da hatte sie ja eine Firma an der Hand gehabt, aber ich hatte es torpediert und einfach jemand anderen beauftragt.
In Zusammenarbeit mit Berta, wie sie gehässig nachschob. Fasziniert hörte ich mir ihr Geseiere an. Wie bereits öfters von mir schon erwähnt, setzte Sunnys engagierter Einsatz erst ein, als es um die Auflösung von Mutters Habseligkeiten ging. Vielleicht ja wirklich nur aus Angst, übervorteilt zu werden.
Aber mir war das mittlerweile herzlich egal. Sie hatte z.B. beim Wohnungsflohmarkt etwas verkauft, aber bis heute - und das ist fast ein Jahr später - hat sie dies nicht mit Berta und mir abgerechnet. Sicherlich hatte ich lauthals auf eine Beteiligung beim Wohnungsflohmarkt verzichtet und vor allem auf meinen „Anteil". Aber wenigstens Gundula und Eveline, die sich an jenem Samstag auch hingestellt und geholfen hatten, hätte Sunny für den Aufwand entlohnen müssen.
Ihr Verhalten kann ich einfach nur noch als schäbig bezeichnen. Sunny warf Berta die ganze Zeit vor, ein geldgieriges Weib zu sein. Sie selbst war es jedoch, die den Hals nicht voll kriegen konnte. Und dann noch ihre herablassende Art bei dieser Aktion. Ich sollte gefälligst warten, so viel Zeit würde ich ja wohl noch erübrigen können. Während all dieser Vorwürfe war Sunny stàndig in Bewegung, räumte wohl auch ein oder zwei Gegenstände von einem Tapeziertisch herunter. Plötzlich verschwand sie aus dem Zimmer und begab sich wieder ins Schlafzimmer von Mutter.
Verwirrt schauten Berta und ich uns an. Vor dem Termin hatte ich Berta noch gesagt, dass ich mich auf alle Fälle wegen der Wohnungsräumung, bei der ich Sunny zugegebenermaßen überfahren hatte, entschuldigen wollte. Nach der gerade gezeigten Vorstellung verschwendete ich allerdings keinen Gedanken mehr daran.
Konsterniert musste ich erkennen, dass Sunny meinte, durch Schreien und forsches Auftreten Druck ausüben zu können. Auf solche Machtspielchen bin ich noch nie abgefahren, da reagiere ich nicht drauf. Das habe ich von meinem Vater, der sich gegen Mutters Wutausbrüche auch nicht anders zu wehren wusste. Keine Reaktion ist in solchen Fällen die einzig mögliche Reaktion.
Ich hatte Sunny während ihrer eben geschilderten Vorwürfe zwar noch entgegengehalten, dass sie ja erst in dem Moment aktiv wurde, als es ums Verteilen ging. Die Organisation der Beerdigung, der ganze Schriftkram mit Behörden und Co... Da hatte sich Sunny vornehm zurückgehalten, da gab es auch nichts zu holen. Auch das Berta im Prinzip am meisten von uns Dreien gemacht hatte, nämlich den ganzen Papierkram von Mutter, insbesondere die Abrechnung mit dem Steuerberater, schmierte ich Sunny zum wiederholten Mal aufs Brot.
Doch all dies bekam Sunny nur am Rande mit, weil Sie mir ins Wort fuhr und ihre Tiraden fortsetzte, nur etwas lauter als zuvor. Und in selbstgerechter Empörung ließ sie uns dann stehen. Ich weiß nicht, wie viele Minuten Berta und ich anschließend kopfschüttelnderweise im Wohnzimmer standen und auf Sunny warteten, aber irgendwann hatte ich die Lösung.
Das Ganze war mir allmählich zu doof geworden. Anstatt noch lange blöd herumzustehen, ging ich zu Sunny in Mutters Schlafzimmer, wo sie mit versteinerter Miene Mutters Kleider zur Spende an die Neuerkeröder Anstalten zusammenpackte. Ein letztes Mal fragte ich sie. Erneut brüllte sie mich an, ich solle gefälligst warten.
„Ich lege den Auftrag für den Makler ins Wohnzimmer auf das Tischchen. Du kannst Dir das ja in Ruhe angucken, wenn Du Zeit hast und mir den Zettel unterschrieben zuschicken. Ich bringe ihn dann zum Makler", sagte ich eleganterweise, drehte mich um und ging ins Wohnzimmer zu Berta zurück.
Das ich da nicht früher drauf gekommen war! Ich legte den Zettel auf das Tischchen, sagte Berta noch kurz Bescheid und verabschiedete mich dann von ihr. Ohne weitere Erklärungen verließ ich die Wohnung. Beim Runtergehen kam mir Reiner noch entgegen, der wohl Sunny beim Tragen half. Ich nickte ihm zu, er nickte zurück.
Mein Verlassen von Mutters Wohnung war eine einzige fließende Bewegung, so kann man es am besten beschreiben. Sunny war stinksauer und rief mir hinterher, als ich gerade noch in der Wohnung war. „Hau nicht einfach ab, ich wollte Dir noch was sagen!" rief sie mir hinterher, doch das hörte ich schon nicht mehr. Ebenso wenig wollte ich ihre wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen hören, wobei Arschloch das harmloseste war. Ich meine, ich verstand es akustisch noch nicht einmal richtig. Befreit, so wie in einem Rausch, ging ich die Treppe im Haus hinunter. Die Geräusche hörte ich wie durch Watte, höchstens ein längeres Rauschen nahm ich war, aber keine zusammenhängenden Wörter.
Dieses Mal war es das eine Mal zu viel gewesen, was sich Sunny geleistet hatte. Ich lasse mich nicht wie ein kleiner Schulbub abkanzeln. Nicht einmal mein Puls stieg mehr in die Höhe, ich fühlte mich völlig tiefenentspannt. Auch Sunny wird gemerkt haben, dass sie mit Ausüben von Druck bei mir nichts mehr erreichen konnte.
Mein Fazit lautet daher: Nur wenn man solche Leute wie Sunny ignoriert, hat man eine Chance gegen sie.

Montag, 21. Oktober 2019

Hartmudo: Wismar 2/2

Nach der Koggenfahrt passierte nicht mehr viel. In der aufkommenden Dämmerung gingen wir zum Hotel zurück und ließen den Abend dort ausklingen. Ich saß noch mit Charles, Mary, Ulf und Nina lange Zeit in der Lobby, während uns die Bedienung die Licher brachte. Später, beim letzten Bier, waren Charles und ich auf uns allein gestellt, bis auch wir uns endlich zur Ruhe begaben.
Am nächsten Morgen gingen meine Löwin und ich nicht zum Markt, sondern gleich zum Frühstück. Überhaupt waren wir alle äußerst pünktlich, da wir schon gegen 10.00 Uhr einen Termin hatten. Heute sollte es zur Insel Poel gehen, die sich vor Wismar befindet und durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Dort wurde 1945 die Cap Arcona von britischen Fliegern irrtümlich versenkt. Insgesamt kamen über 7000 ehemalige KZ Häftlinge ums Leben.
Also ab zum Hafen, rauf auf die Fähre und alsbald waren wir im Hafen von Kirchdorf auf Poel angelandet. Wir mussten nur ein kurzes Stück um die Ecke laufen, um zum Fahrradverleih zu gelangen. Eine nette ältere Dame zeigte uns den Weg dorthin. Dies natürlich nicht zufällig, denn die Dame war die von uns kontaktierte Biologin, die mit uns einen Exkurs zu den Salzwiesen am westlichen Ufer von Poel unternehmen wollte.
Das Motto dieser Tour lautete „manche Pflanzen mögen es salzig“. Denn auf den Salzwiesen wachsen allerlei seltene Gräser und Blumen, welche eine hohe Salzkonzentration vertragen und sich somit dort in Ruhe entwickeln können. So gegen 16.00 Uhr war anschließend noch eine Kremserfahrt geplant, ehe wir mit einem Bus nach Wismar zurück fahren wollten.
Die Salzwiese im Blick

So weit der Plan. Die Fahrräder entpuppten sich leider als schwer in der Handhabung. Eine Federung unter meinem Sattel bewirkte, dass mein Pöter ständig auf und ab gehoben wurde. Dazu ließ sich die Sitzhöhe eh nicht richtig einstellen, so dass ich die Beine beim Treten nie durchdrücken konnte.
Die Biologin führte uns über eine lange Steigung auf einer Kreisstraße in Richtung einer Ferienhaussiedlung. Ralle und ich waren gut drauf und hatten die anderen sehr schnell hinter uns gelassen. Als wir bei einer Zwischenrast nach einer längeren Abfahrt eine Pause eingelegt hatten, um auf die anderen zu warten, stellte sich heraus, dass meine Sestra Berta bereits an der ersten Steigung gescheitert war und aufgrund ihres Asthmas umgedreht war- Sie schob ihr Rad zum Fahrradverleih zurück.
Bud, der sich bis zum Zwischenhalt gequält hatte, fuhr sofort allein zurück, damit Berta nicht allein am Hafen rumhängen musste. Das Bud die Steigung überhaupt geschafft hatte, freute mich sehr, da er zu Fuß sonst immer seine Probleme hat. Derart dezimiert, fuhren wir über ein kleines Waldstück zu einer Salzwiese, dem Ziel unserer Fahrt.
Und während sich der Himmel zunehmend mit dunklen Wolken überzog, ohne dass es abregnete, stellte uns die Biologin verschiedene Gräser und Kräuter auf der Salzwiese vor. Sie ließ uns von den Gewächsen probieren und erläuterte uns die heilende Wirkung diverser Kräuter. Wir blieben hier knapp eine Dreiviertelstunde und bewunderten die Kühe hinter uns auf der Weide, ehe wir zurückradelten und an einem Aussichtspunkt einen Kilometer später noch einmal rasteten, um ein Bierchen zu schlürfen oder auch ein Stückchen Käse zu essen. Die Biologin verabschiedete sich hier von uns, nicht ohne noch einige Geldscheine in Empfang zu nehmen.
15.30 Uhr war es inzwischen geworden, als wir uns auf den Weg zurück machten, um zum Treffpunkt für die Kremserfahrt zu gelangen. Diesmal preschte ich alleine vorneweg, damit wenigstens einer rechtzeitig da ist. Bei leicht einsetzenden Regen und einem stark böigen Gegenwind kam ich auf meiner Hutschefiedel schnell ins Keuchen, zumal es erst einmal permanent bergauf ging. Dennoch erreichte ich Kirchdorf mit einem gewaltigen Vorsprung vor den anderen und merkte gleich, dass wir den Termin nicht schaffen konnten. Innerhalb von den verbleibenden 10 Minuten wäre ich nie rechtzeitig zum Treffpunkt gekommen.
Immerhin hatte Mary den Fahrer bereits zu kontaktieren versucht, leider aber keinen Erfolg gehabt. Weder beim Ponyhof, der die Kremserfahrt veranstaltete, noch auf dem Handy des Kutschers hatten wir Erfolg, als der Rest der Truppe nach einer Viertelstunde Kirchdorf erreicht hatte.
Wir hatten unsere Fahrräder dann gleich abgegeben, Berta und Bud eingesammelt und es erneut beim Ponyhof versucht. Als wir uns bereits damit abgefunden hatten, dass es dieses Mal nichts mit unserer Kremsertour wird und wir unverrichteter Dinge mit dem Bus zurückfahren müssten, kam der Kontakt mit dem Kutscher doch noch zustande. Er holte uns 20 Minuten später aus Kirchdorf ab. Wider Erwarten hatte er keine Getränke an Bord. Er meinte, wenn wir vorher Bescheid gesagt hätten... Das war fast das Einzige, was er während unserer Fahrt sagte.
unsere Kutsche

Wenn wir ihn allerdings angesprochen hatten, kamen die Infos über die Insel schon rüber. Er wollte sich halt nicht aufdrängen. Außer am Ende der Tour - da wollte er abdrängen. Und zwar den Linienbus! Mitten im Ort setzte er sich kackfrech vor den Bus und blockierte die Fahrbahn, so dass wir in Ruhe aussteigen konnten und diesen Bus erwischten. Andernfalls hätten wir ne geschlagene Stunde auf Poel ausharren müssen, bis wir nach Wismar zurück gekonnt hätten.
Im Hafen mit dem Bus angekommen, blieben wir gleich dort. Denn wir hatten in „Gottfrieds Steak und Fischrestaurant“ einen Tisch ab 19.00 Uhr bestellt. Dieser war aber um 18.00 Uhr schon frei, so dass wir die Gelegenheit ergriffen, um uns etwas früher den Fisch zu gönnen. Mein Filetteller mit Dorsch, Lachs und Scholle war äußerst lecker und harmonierte ideal mit dem Störtebecker, welches ich mir reichlich einverleibte.
Danach war der Abend quasi gelaufen. Wir nahmen wohl noch einen Abschiedstrunk in der Hotellobby und gingen dann zeitig zu Bett.
Montag, Abreisetag. Wir griffen beim Frühstück nochmals richtig zu. Ich liebe ja Rühreier! Die Koffer hatten meine Löwin und ich selbstverständlich bereits vorher gepackt, also direkt nach dem Aufstehen. Da unser Zug erst kurz nach 13.00 Uhr ging, hatten wir noch viel Zeit, um uns in Wismar noch etwas umzuschauen.
Meine Löwin und ich landeten zunächst in einem historischen Gebäude: Mit 1 000 Talern Startkapital eröffnete Rudolph Karstadt am 14. Mai 1881 in Wismar sein erstes „Tuch-, Manufaktur- und Confectionsgeschäft“. Seine neue Geschäftspolitik - billige, feste Preise und nur gegen Barzahlung - war damals noch ungewöhnlich. Der Erfolg gab ihm jedoch Recht. Bereits im Jahre 1906 unterhielt Karstadt 24 Kaufhäuser in Norddeutschland.
Dort kaufte ich mir einen Wollmantel für die bald kommenden kalten Tage. Anschließend landeten wir in einem Laden namens „Genußwelt“. Der vom Inhaber geführte Laden hatte nicht nur alle möglichen Naschereien mit Sanddorn (der mit Rum war am Besten!) zu bieten, sondern auch Gewürze, Lederwaren und Co.
Derart eingedeckt, schauten wir zum Abschluss schnell nochmal im Hafen vorbei, um ein Fischbrötchen zu essen. Diesmal griff ich zum Bismarckbrötchen... als auf einmal der Kutscher vom Vortag an uns vorbeikam. Er sagte, er wollte zum Golfplatz, weil er einen Einkaufstrolley hinter sich herzog.
Das war als Scherz gemeint. Denn eigentlich ging er gerade zu den Tafeln, um seine Hartz IV Leistung zu schonen. Ich mache es kurz: Zwei Wochen später hatten wir 20,- € an den Ponyhof mit einem netten Brief geschickt, auf das der Kutscher das Geld erhalten möge. Die Nummer mit dem Bus hätte er nicht so durchziehen müssen. Dafür wollten wir ihm nochmals danken.
Spätestens in dem Moment im Hafen, als er uns die Geschichte mit dem „Golfen“ erzählte, hatte jeder von de Trantüten mitbekommen, dass im Osten immer noch nicht gut gezahlt wird.
Die Rückfahrt gestaltete sich dank zweier Umstiege wenig spektakulär... bis zu dem Umstieg in Berlin. Da hatten wir uns stark ärgern müssen, weil unsere reservierten Plätze ohne Kommentar entfielen. Die Bahn hatte einfach andere Wagen eingesetzt und es nicht für nötig gehalten, die Fahrgäste auf dem Bahnsteig mittels einer Durchsage zu informieren. Meine Löwin und Ralle schrieben im Zug erbitterte Kritiken hierzu in das dafür vorgesehene Portal. Und schon kam der Schaffner an und versuchte uns den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wir hätten ja schließlich einen Sitzplatz bekommen. Außerdem wären die geänderten Waggonsd und der Wegfall der Reservierungen groß und breit auf der Anzeigetafel auf dem Bahnsteig angezeigt worden. Und so weiter.
Es war fruchtlos, uns mit dem Schaffner auseinanderzusetzen. Wir waren eine Viertelstunde vor Abfahrt auf dem Bahnsteig. Da stand nichts auf der Anzeigetafel. Und da, wo wir wegen der Wagenreihung stehen mussten, war die Anzeigetafel nicht einsehbar gewesen.
So hatten wir also auch bei unserer diesjährigen Kegelfahrt ein Problem mit der Bahn bekommen. Ansonsten war es wieder ein schöner Trip, der im Gegensatz zu manch anderen Aktionen relaxt und entspannt ablief. Mal sehen, wo es uns in zwei Jahren hin verschlägt.

Freitag, 18. Oktober 2019

Hartmudo: Wismar 1/2


13. September um 7.50 Uhr. Die 10 Leute unseres Kegelvereins trafen sich zum diesjährigen Kegelausflug nach Wismar. Am Hauptbahnhof, denn wir fuhren mit dem Zug. Berta und Bud saßen schon im Wartebereich in der Eingangshalle, als meine Löwin und ich mit Mary und Charles eintrudelten. Ihre Tochter Celine hatte uns zum Bahnhof gebracht und passte während unserer Abwesenheit auf die Katzen auf.
Als ich mir nen Kaffee und etwas zu Beißen vom Bäcker holte, schlichen dort Nina und Ulf auch schon herum. Nur kurze Zeit später trafen als letzte Josie und Ralle ein. Endlich waren wir vollzählig und enterten den IC Richtung Berlin. Nach zweimaligem Umsteigen waren wir ca. 4 Stunden später in Wismar eingetroffen.
Gebucht hatten wir 3 Nächte mit Frühstück im Hotel Stern. Mitten in der Stadt gelegen, war dieses voll durchrenovierte Etablissement der ideale Ort für unsere Tour, da Bud keine weiten Strecken mehr laufen mag; einen Kilometer am Stück zu gehen fällt ihm schwer, da braucht er ne Pause zwischendurch.
Aus diesem Grund nahmen Berta und er auch ein Taxi vom Bahnhof zum Hotel. Da fuhr ich gleich mit, allein um das schwere Gepäck schon mal mitzunehmen. Berta und Bud hatten ihren großen Koffer bereits Tage vorher einem Lieferdienst in Braunschweig anvertraut. Den Tipp hatten sie von Nina und Ulf, die ihre Koffer dort ebenfalls abgaben.
Obwohl wir noch nicht auf unsere Zimmer konnten (erst ab 15.00 Uhr), nutzte ich die Gelegenheit, schon einmal einzuchecken. Kaum waren wir drei fertig, da kamen auch schon meine Löwin und der Rest der Trantüten (Name unseres Kegelvereins) um die Ecke. Jetzt dauerte es urplötzlich doch nicht so lang mit den freien Zimmern. Nach einem kleinen Zimmertausch zwischen Bud/Berta und Mary/Charles brachten wir schnell unser Gepäck auf die Zimmer.
Zeit zum Frischmachen. Für die Jungs und mich hieß dass, in der Sonne vor dem Hotel in der Fußgängerzone ein leckeres Licher zu schlürfen, während die Mädels noch ein wenig ruhten. Ich hatte bereits mein zweites Licher angefangen, als die Mädels so nach und nach eintrudelten.
im Wismarer Hafen

Als wir vollzählig waren, gingen wir durch die Fußgängerzone Richtung Marktplatz und schauten uns noch in den umliegenden Cafes und Geschäften um. Mit Ralle, Ulf und Charles nahm ich noch ein schnelles Störtebecker, ehe es gegen 18.00 Uhr ging. Zeit zum Abendessen, für einige von uns überaus wichtig.
Am Marktplatz gelegen, kann man das Restaurant „Alter Schwede“ durchaus als erstes Haus am Platz bezeichnen. Voll war es jedenfalls; man gut, das wir reserviert hatten. Fisch und Fleisch im gehobenen Ambiente. Was ich gegessen habe, weiß ich nicht mehr. Aber es gab wieder Licher. So langsam schmeckte mir dies Bier.
Nach dem Essen und einigen Getränken war es an der Zeit, zum Hotel zurück zu gehen. Wir verweilten dort noch etwas in der zunehmenden Dämmerung vor dem Hotel auf diesen billigen Gartenstühlen und ließen die zunehmende Stille der Stadt auf uns einwirken. Dazu noch ein oder zwei Licher und wir konnten den Abend beenden.
Meine Löwin war schon voraus gegangen, als ich möglichst leise unser Zimmer betrat. Aus der Minibar nahm ich mir noch die Packung Ültje, da sie mich bereits am Nachmittag so unverschämt angelächelt hatte. Mehr als zwei bis drei Minuten brauchte ich nicht, um die Nüsse einzurüsseln. Danach schlief ich schnell ein.
Am Samstagmorgen wachten wir ausgeschlafen auf. Zum Frühstück wollten wir uns auf Wunsch von Nina und Ulf erst gegen halb Neun treffen, da waren meine Löwin und ich entschieden zu früh auf den Beinen. Wir nutzten die knappe Stunde vor dem Frühstück, um uns auf dem Markt umzusehen.
Dieser war eher übersichtlich gestaltet, aber etwas Käse und Schmuck konnten wir dennoch ergattern. Mary, die ebenfalls früh unterwegs war, freute sich, eine Handtasche auf 25,- € herunterzuhandeln zu können. Charles zog 2 Ledergürtel für 40 und auch Berta war flott am Verhandeln wegen einer Tasche. Josie schlich dort auch noch rum - der Rest lag sicherlich noch in den Federn.
Das Frühstücksbuffet war nicht sensationell, eher übersichtlich. Aber gut, denn mehr als zwei bis drei Brötchen, eine Lore Rührei und noch ein Müsli hinterher brauche ich eh nicht. Der Rest der Truppe hatte sich auch eingefunden und labte an den Speisen, bis wir zusammen Richtung Hafen aufbrachen. Mary hatte im Vorfeld die Plätze für eine Hafenrundfahrt reserviert.
Nach einem erfrischenden Spaziergang zum Hafen mussten wir aber feststellen, dass das Boot überbucht war und wir leider nicht mitgenommen werden konnten. Als Ersatz stiegen wir auf ein anderes Boot, welches um einige Inseln herumfuhr und nebenbei Bier ausschenkte. Da war ich dann wieder im Reinen, obwohl ich selber nur einen Kaffee trank. Dies auch noch unter Deck, wo man zugegebenermaßen gut saß.
Während der Fahrt wechselte ich jedoch den Ort und ging aufs Oberdeck, wo sich Nina, Mary und Josie mit ihren Männern tummelten. Auf Deck war richtig Wetter; will heißen: Böige Winde bei bedecktem Himmel. Zeitweise kam die Sonne mit voller Kraft durch. Ich genoss die Seeluft im Stehen, setzte mich kurze Zeit später hin, um etwas abzuschalten. War viel los gewesen in den letzten Wochen. Insbesondere die Einführung einer neuen Software auf der Arbeit strengte mich seit geraumer Zeit an, da mein Arbeitgeber offensichtlich beliebte, eine abgespeckte Variante der Software anzuschaffen und meine Kollegas und ich deshalb unsere Fälle komplett neu vorgeben mussten. Selbstverständlich mal so nebenbei.
Als wir wieder im Wismarer Hafen eingelaufen waren, wollten wir bald eine Kleinigkeit essen. Die Kutter an der Mole, die Fischbrötchen verkauften, machten aber auch ohne uns gute Geschäfte. Doch zuvor schlichen wir noch etwas im Hafen herum. Ich hatte mich mit Charles, Ralle und Ulf zusammengefunden, um von einem Hafenbecken zum nächsten zu wandern. Zwischen den beiden Becken befand sich eine große Halle, in dem ein Flohmarkt stattfand. Der Rest unserer Truppe hatte sich sofort dorthin begeben.
Nach einer kurzen Runde gingen wir auch auf den Flohmarkt, der allerlei Trödel zu bieten hatte. Ich selber kaufte nichts - nicht mal die Biographie von Erich Honnecker, entdeckte aber in einer Ecke einen Bierausschank. Und während Charles dem Zapfer dabei zuschaute, wie er in Zeitlupentempo das Störtebecker in die Halbliter Plastebecher einfüllte, suchte ich Ulf und Ralle zusammen.
Zur verabredeten Zeit, also 15 Minuten später, trafen wir uns alle wieder auf einer Bank vor den Fischbrötchen. Da ich mein Seelachsbrötchen nicht bekam, weil derselbige alle war, beließ ich es bei einer Flasche Störtebecker. Anschließend schlenderten wir wohl noch etwas herum und kehrten zum Hotel zurück.
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Nina und Ulf machten wohl Siesta, während die anderen Mädels in die Fußgängerzone gingen, um etwas Geld los zu werden. Ich saß derweil gemütlich vor unserem Hotel mit einem Licher. Charles, Bud und Ralle kamen nach und nach hinzu. Irgendwann - war es doch tatsächlich bei meinem dritten Licher - waren die Trantüten endlich vollzählig versammelt; bereit zur nächsten Aktion.
Wir hatten für den frühen Abend eine Fahrt auf der Poehler Kogge gebucht. Dieser Nachbau einer mittelalterlichen Kogge firmiert unter dem Namen Wissemara und wird von einem gemeinnützigen Förderverein betrieben und gepflegt. Während der knapp dreistündigen Fahrt konnte ich das eine oder andere Pullenbier erwerben. Sogar eine Bockwurst lag da noch drin.
Am meisten in Erinnerung an diese schöne Fahrt werden mir aber die beiden Musiker bleiben. Zwei Gitarren mit Verstärker und dazu den Blues. In bester Torfrockmanier rockten die zwei Endfünfziger los, das es eine wahre Freude war. Und wenn jemand „Tuff Enuff“ covert, das Ganze vor der wunderschönen Kulisse des Weimarer Holzhafens, ja dann hat er meine volle Begeisterung sicher.

Sonntag, 13. Oktober 2019

Buddy Holly 7/7

Die Maschine startete in Richtung Süden, um dann bei einer Flughöhe von 800 Fuß planmäßig nach Nordwesten abzudrehen. Wie Augenzeugen später berichteten, hatte sich die Flughöhe nach etwa 5 Meilen dramatisch verringert. Sie machten dies an der gut zu erkennenden Beleuchtung der Beechcraft fest. Nachdem das Flugzeug in dieser Entfernung auch außer Sicht geriet, riss im gleichen Moment der Funkkontakt ab.
Die Versuche, den Kontakt mit dem Piloten wieder aufzunehmen, waren die ganze Nacht zum Scheitern verurteilt. An eine Suche auf dem Boden war wegen des schlechten Wetters und der Dunkelheit nicht zu denken. Erst gegen halb Zehn am nächsten Morgen, als sich die Wetterlage etwas entspannt hatte, begab sich der Besitzer der Fluggesellschaft namens Jerry Dwyer mit einer anderen Maschine auf die Suche nach der vermissten Beechcraft.
Bereits 8 Meilen vom Flughafen entfernt wurde Dwyer fündig. Das Wrack des Fliegers befand sich auf dem Feld eines Bauern; alle Insassen waren bereits beim Absturz der Beechcraft ums Leben gekommen. Die eilig zusammengerufenen Rettungskräfte konnten nur noch die Leichen von Buddy Holly, Ritchie Valens, J. P. Richardson und dem Piloten bergen.
England Tour 1958

Nach dem Bericht der Luftfahrtbehörde war die Unerfahrenheit des Piloten mit diesem Flugzeugtyp die Ursache für den Unfall gewesen. Die Instrumente einer Beechcraft Bonanza zeigen die Flughöhe im künstlichen Horizont genau andersherum an als in den Maschinen, die der Pilot bislang geflogen war. Wahrscheinlich hatte er beim Blindflug die Flughöhe im künstlichen Horizont deshalb falsch abgelesen und geglaubt, er würde zu hoch fliegen. Daraufhin hatte er wohl die Flughöhe entsprechend korrigiert...
...und den Boden berührt. Beim Aufprall verlor die Beechcraft als erstes eine Tragfläche, schleuderte dann über den Acker mit einer bald 200 Meter langen Trümmerspur und wurde dann von einem Weidezaun endgültig gestoppt. Das Ganze ohne Explosion oder Feuer; das wäre dann ja auch für die Augenzeugen über Meilen hinweg zusehen gewesen.
Das Rock `n` Roll Business hatte an jenem Tag sein bis dahin größtes Opfer zu beklagen. Auch wenn J. P. Richardson und Ritchie Valens national bekannte Interpreten mit bekannten Hits gewesen waren und später in die Rock `n` Roll Hall of Fame aufgenommen wurden, kann die Bedeutung von Buddy für die Rock- und Popmusik nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Paul McCartney z.B. sagte einmal, er hätte sich Buddy Hollys Auftritt im März 1958 im Londoner Palladium im Fernsehen ganz genau angesehen, um zu schauen, welche Akkorde Buddy spielt. Das Cover von „Not Fade away“ war die erste Hitsingle für die Rolling Stones. Die Quarrymen / Beatles spielten in ihren Liveshows von 1957 bis 1962 häufig Songs von Buddy Holly; Der Beatles Chronist Aaron Krerowicz kommt in seinem Beatles-Blog auf 13 verschiedene Titel von Buddy. Wer es nachlesen möchte:
https://www.aaronkrerowicz.com/beatles-blog/the-influence-of-buddy-holly-on-the-beatles
Tragisch ist, dass an genau jenem Abend Jerry Allison und Joe B. Maudlin versucht hatten, Buddy zu erreichen, weil sie ihn überreden wollten, wieder gemeinsam zu spielen. Allerdings hatte ich im Netz in einer Biographie auch irgendwo gelesen, dass schon vor Beginn der „Winter Dance Party“ gemeinsame Auftritte von Buddy und den Crickets nach 4 Monaten geplant waren.
Don McLean besang den Absturz in „American Pie“ Die Textzeile „the Day the Music died“ sprach im Februar 1959 sicherlich den meisten Fans des Rock `n` Roll aus der Seele. In nicht einmal drei Jahren begeisterte Buddy Holly mit seinen Crickets Millionen von Fans. Neben seinen genialen Kompositionen - und den Sonny West Covern - verdankte er diesen durchschlagenden Erfolg seinem unnachahmlichen Gesangstil.
Scharen von jungen Kerlen eiferten Buddy Holly nach. Cool und lässig latschten sie die Straße entlang und versuchten dabei, Buddys heute legendären Schluckauf nebst anschließenden Stakkato von Vokalen und Silben nachzuahmen. Das Dehnen der Silben über mehrere Töne hinweg mag dem einen oder anderen Jüngling geholfen haben, seine Traumfrau kennenzulernen.
Von seinen schwindelerregenden Live-Auftritten ist leider nichts überliefert. Einige wenige Aufnahmen aus der Ed Sullivan Show, die auf Youtube rumgeistern, lassen erahnen, mit welch gewaltiger Energie Buddy & the Crickets auf der Bühne standen.
So wie die anderen Großen jener Tage kam natürlich auch Buddy Holly ohne tiefschürfende Texte aus. Wenn es einmal nicht um Mädchen ging, dann ging es um Mädchen. Buddy benötigte keinen technischen Firlefanz wie Verzerrer oder Synthesizer, wenn er mit ruhiger Hand die Saiten streichelte und dann urplötzlich einen harten Akkord anschlug.
Elvis war der King des Rock `n` Roll gewesen, der aber schon früh ins etwas seichtere Schlagerwasser abdriftete und wegen seines Militärdienstes absent war, als Buddy Holly seinen weltweiten Siegeszug begann. Hinzu kam, dass er seine Hits größtenteils selbst geschrieben hatte. Außer Chuck Berry, den Everly Brothers und Eddie Cochran fallen mir da auf Anhieb keine Stars des frühen Rock `n` Roll ein, die mit eigenen Songs vergleichbar erfolgreich waren.
Unfallstelle, nächster Morgen

Aber Buddy Hollys größter Verdienst an der Rockmusik dürfte die Einführung der klassischen Besetzung einer Rockgruppe sein: Leadgitarre, Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug. Die Vermarktung als Gruppe - the Crickets - war in diesem Umfang vorher nicht gelungen. Die Everly Brothers kamen dem zwar schon ziemlich nah, aber sie hatten eben nicht den weltweiten Erfolg wie Buddy Holly mit seinen Crickets.
Dass die Ikonen der 60er Beatexplosion sich auf Buddy Holly als Vorbild beriefen, kam nicht von ungefähr. Egal ob Beatles (Käfer - sie nannten sich wg. Buddy auch nach einem Insekt) oder Stones - die Engländer übernahmen die Besetzung der Crickets und eroberten die Welt. Elvis war da schon nur noch derjenige, der den Markt für junge Musiker eröffnet hatte.
Buddy Holly war auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als die meisten Helden des Rockabilly in den Charts bereits nicht mehr so erfolgreich waren. Als er dann am 2. Februar 1959 viel zu früh das Zeitliche segnete, hatte der Rockabilly kein Zugpferd mehr und verschwand allmählich aus den vorderen Plätzen der Hitparaden.
Wenn ich jetzt die alten Aufnahmen der Crickets höre - insbesondere auch remastered, dann höre ich perfekt produzierte, schnörkellose Songs, die im Ohr haften bleiben. Zeitlos.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Contramann: Aus dem Forum zu…


... Telepolis zu diesem Artikel vom 15.8.2019:
https://www.heise.de/tp/features/Indymedia-Verbot-Wenn-die-Sturmgeschuetze-der-Demokratie-schweigen-4497705.html

„Krieg Superreicher gegen uns alle. Wir verlieren - solange Neolibs regieren
Die Medienmacht haben die superreichen Medienbesitzer.
Und die können die Kids hirnwaschen.
Nicht mehr ihre eigenen Rechte und dass sie ausgebeutet und abgezockt werden interessiert mehr, sondern das neue I-Phone, der neueste Turnschuh.
Jeglicher Widerstand gegen totalen Konsumrausch soll durch Hirnwäsche vernichtet werden.
Früher war noch allen bekannt: Springer verbreitet neoliberale Propaganda.
Einige haben sich dagegen gewehrt, andere haben es hingenommen.
Dass Springer neoliberal/rechtskonservativ ist, wussten alle.
Heute ist es schlimmer, von Orwell wurde gelernt. Es wird gelogen, verdreht und geleugnet was das Zeug hält.
Staatlich finanzierte Rechtsextremisten geben die Parole aus: Rechtskonservative Medien und Regierung seien "links".
Also müsse man nur ganz extrem neoliberal wählen und gegen "Linke" (und deren Themen wie Verbraucherschutz etc.) hetzen und alles wird gut.
Die Realität (wem die Massenmedien gehören, wer an der Regierung ist etc.) wird im Interesse der Superreichen einfach geleugnet.
Erstaunlich ist immer wieder, wie viele darauf reinfallen, obwohl sie es heutzutage eigentlich besser wissen müssten.
Echte Linke wurden mit aller neoliberalen Medienmacht vernichtet, Pseudolinke (meist Kirchenleute) hochgeschrieben und finanziert.
Anstatt jetzt zu erkennen: Wir brauchen mehr echte Linke und müssen die echten Linken unterstützen und evtl. sogar neue linke Parteien gründen, wird blind den extremneoliberalen Hündchen der Superreichen gefolgt.
Und die führen einen Krieg gegen die Bevölkerung, "Privatisierung"/Verscherbeln an Spekulanten bis die Innenstädte entvölkert/frei von Einheimischen sind, alle Preise steigern bis niemand außer den Superreichen überlebt.
In London, Paris ist das bereits größtenteils so.
Filmtipp: Die Macht der Superreichen.“

In der zweiten Hälfte seines Beitrags im Forum verhebt sich der Autor ein wenig und lässt eine latente Paranoia gegenüber dem „System“ im Allgemeinen durchscheinen. Aber die indirekte Kritik an der Jugend, die den Konsum voll verinnerlicht hat und erst seit kurzem dank Friday for Future ein wenig Engagement zeigt, trifft meiner Ansicht nach den Kern der Sache.
Apropos Paranoia dem System gegenüber... Bei diesen Leuten aus einer zumeist anarchistischen Gedankenwelt ist Vorsicht geboten. Wenn man schon mangelnde Demokratie und eingeschränkte Freiheiten in unserer Gesellschaft kritisiert, kann man ruhig das System beseitigen wollen. Eine totale Anarchie kann zwar naturgemäß nicht funktionieren, weil Menschen egoistisch sind und zumeist nach dem eigenen Vorteil schielen. Dennoch ist Träumen natürlich nicht verkehrt.
Aber: Diesen Leuten geht es eher darum, politische Gegner zu bekämpfen und diese in ihrer Freiheit einzuschränken. Rache ist halt süß - und schon im alten Testament hieß es „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“
So sehr ich die „echten“ Linken den Pseudos a la Kipping und Co vorziehe, so hege ich die Befürchtung, dass hierbei eine ganze Menge an Hohlschädeln einfach ihr Mütchen kühlen will und bei tatsächlicher Machtübernahme zu eher faschistischen Ansichten und dann entsprechenden Handlungen tendiert. Der Grat ist also sehr schmal gestaltet, da rutscht man schon mal aus. Ich hoffe nur, dass ich selbst bei der Gratwanderung zwischen Demokratieverständnis und Einsicht zur starken Veränderung des Systems nach vereinzelten Stolpern auf dem richtigen Weg bleibe.
 

Dienstag, 8. Oktober 2019

H. Lecter: Alf


8
Eine weitere Erinnerung an die Gaststätte von „Marlies und Klaus“ möchte ich hier aber noch einfügen. Die Szene ereignete sich nicht bei unserem ersten Aufenthalt, sondern ein paar Male später, also gegen Ende der 90er Jahre. Wir waren an einem Nachmittag bei Marlies und Klaus eingekehrt und hatten wohl auch Fußball geguckt.
An jenem Tag war es Max statt Alf, der im Höchsttempo unterwegs war. Schon vorher im Balneario hatte er sich am Sangria gütlich getan. In der prallen Sonne nuckelte er sein Glas mit dem Strohhalm in einem Tempo leer, dass man unwillkürlich an jene imaginäre Blondine denken musste, die einen Tennisball durch den Gartenschlauch einsaugt. Eine Mütze hatte er selbstverständlich nicht auf seinen Kopf gesetzt, so dass seine nickelumrandete Sonnenbrille lediglich seine Augen schützte. Bei Marlies und Klaus jedenfalls war er anfangs noch guter Dinge und scherzte und lachte mit uns, dass es eine wahre Freude war.
Ob Alf da schon am Tisch eingeschlafen war, weiß ich nicht mehr, halte ich aber für wahrscheinlich. Wenn ich jetzt meine Augen schließe, kann ich Alf vor mir sehen. Auf Malle. Hochroter Kopf in der prallen Sonne. Die geölten Haare kleben klatschnass am Kopf, ohne dass er gerade aus der Dusche kam. Der Schweiß läuft ihm von der Stirn das Gesicht herunter. Die Augen hinter der beschlagenen Brille sind geschlossen. Halt – hinter der verrutschten Brille! Die Arme sind vor der Brust verschränkt. Der Kopf ist leicht nach links vorne und unten geneigt. Ein sanftes Säuseln entspringt seinen roten Lippen, ehe sich sein Sound stakkatomäßig einer Motorsäge annähert.
Nicht so Max. Als wir fertig waren und zum Hotel zurückgingen, um uns noch einmal frisch zu machen, da musste er sich urplötzlich am Tisch abstützen. Jetzt schlug Vater Schwerkraft mit seinem Stiefbruder Gleichgewichtssinn erbarmungslos zu. Max wankte, aber er fiel nicht. Der bekennende Eintracht Fan, der natürlich auch ein Trikot des damaligen Regionalligisten trug, reckte seine rechte Hand in die Höhe und stellte Zeige- und Mittelfinger zu einem V aus.
„Vau - Maaaarkt!“ gröhlte er lauthals in eine unbestimmte Richtung dazu. V-Markt, das war eine Supermarktkette vom Immobilieninvestor Jochen Staake und gleichzeitig der Trikotsponsor der Eintracht. Wieder und wieder schrie Max „Vau – Maaaarkt!“ in die Runde, schwankte dabei noch sehr bedrohlich von links nach rechts, fiel jedoch nicht. Lag vielleicht aber auch daran, dass er sich an der Lehne eines Stuhles festhielt.
Und bevor wir die Terrasse vor dem Lokal ganz verlassen hatten, riss Max das Plakat von der Plexiglastür, welches ihm schon beim Betreten der Gaststätte aufgefallen war. Denn auf dem Plakat war eine Ankündigung für ein Konzert drauf. Michelle im Oberbayern! Da mussten wir noch hin, das Plakat wollte er sofort haben. Als Schlagerfreund freute er sich besonders auf dieses kommende Event; dies ging Buck und Alf zwar auch so (mir weniger), doch Max war stinkebreit und sammelte vorab schon mal schnell das Andenken ein.
Jetzt weiß ich auch wieder, dass wir vor dieser Aktion – Stunden zuvor – am Strand im Balneario 6 einige Getränke zu uns genommen hatten (ja, Sangria – wie zuvor beschrieben) und urplötzlich diese Gruppe von Deutschen und Spaniern an unserem Tisch stand und Handzettel verteilte. Es waren zwei Gruppen; zuerst die Mädels im Dirndl und kurz danach die Kerle im Krachledernen, alle mit einem blauweißen Shirt bekleidet. Sie ließen mehrere Flyer vom Oberbayern an unserem Tisch und zogen dann fröhlich singend weiter.
Heute Abend. Michelle live ab 23.00 Uhr. Vom Schlagermove war da noch nicht die Rede, aber Fans dieser Musik waren wir alle – außer mir. Tja… Gruppendynamische Prozesse… ich musste wohl oder übel mit. Einer musste ja auf Alf aufpassen.
Und am späten Nachmittag also riss Max das Plakat von der Tür, rollte es zusammen und schwang die Rolle, mit der Hand in die Höhe gereckt, wie ein Zeremonienmeister nach vorne. Wir anderen hinterher. „Buenos Dias Matthias und noch einmal…“ skandierte Max hierzu, ein fröhliches „Vau – Maaaarkt“ hinterherschickend.
Zeit fürs Abendessen, da wir im Lancaster Vollpension gebucht hatten. Vielleicht haben wir uns auch noch etwas hingelegt – für Michelle wollten wir schließlich fit sein.

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Contramann: kurz gesehen im Oktober


https://www.welt.de/politik/article199025347/Duesseldorfer-Rheinbad-Man-wird-mit-Vergewaltigung-der-Mutter-bedroht.html
Egal, wie man die Vorfälle im Rheinbad oder auch anderswo einordnet. Egal, ob man eine uneingeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen befürwortet oder ablehnt. Eines sollte uns allen bewusst sein:
Von Seiten der Politik wurde uns nach der großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen ab 2015 eine gute Integration versprochen. Wenn 4 Jahre später Vorfälle wie im Rheinbad Düsseldorf oder anderswo geschehen und verantwortlichen Politikern (hier der Bürgermeister) nichts Besseres einfällt, als den eigenen Mitarbeitern Fehlverhalten vorzuwerfen, dann läuft etwas verkehrt.
Ich sehe hier die Politik in der Bringschuld. Die Integration verläuft ja offensichtlich nicht so problemlos, wie uns immer versprochen wurde. Die Gründe hierfür sind sicher vielfältig und einseitige Schuldzuweisungen führen auch zu keiner Lösung. Ein Umdenken oder wenigstens Nachdenken der Politik zur besseren Integration ist leider nicht erkennbar.
Wenn ein Oberbürgermeister den Bademeister quasi dafür verantwortlich macht, dass Migranten diesem Bademeister mit der Vergewaltigung seiner Mutter drohen und Frauen sexistisch beleidigt werden (wo bleibt da der Aufschrei der Frauenbeauftragten?), dann ist eindeutig der Politiker das Problem und nicht die Migranten, die einfach nur den Freifahrtschein nutzen, den ihnen Politiker durch ewiges Beschwichtigen statt Handeln eingeräumt haben.

https://www.heise.de/tp/features/Buergerliche-Beissreflexe-gegen-den-Mietendeckel-in-Berlin-4507009.html
Die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher von der Linkspartei überraschte die Republik Ende August mit dem Vorschlag einer Mietdeckelung in der Hauptstadt. So sollen für „schöne“ Altbauwohnungen nicht mehr als 8,- € Nettokalt verlangt werden dürfen. Dies könnte ein besseres Instrument als die von der Union ausgerufene Mietpreisbremse sein, die bekanntlich relativ wirkungslos bleibt.
Klartext: Wir reden hier über bezahlbaren Wohnraum in möglichst allen Stadtteilen wie Charlottenburg oder Prenzelberg. Vor allem über den Erhalt von Wohnraum dort für den DHL Paketkurier z.B., der sich für einen kargen Lohn den Arsch aufreißen muss. Oder den Zeitarbeiter, die Kassiererin bei Aldi. Der Rentner, der trotz 40 Jahren Vollzeitarbeit Sozialhilfe (Grundsicherung im Alter – eine 1984mäßige Schönbeschreibung für Sozialhilfe) in Anspruch nehmen muss.
Der Autor dieses Artikels brauchte nun nichts weiter zu tun, als die hierzu veröffentlichten Kommentare und Berichte unserer Qualitätsmedien zusammenzufassen. Und siehe da: Von der TAZ und dem Spiegel bis hin zur Welt sorgen sich die Kommentatoren weniger um die Leute, die ihre Mieten in den Metropolen nicht mehr bezahlen können, sondern um die Vermieter, die Investoren. Als ob die mit 8,-€ pro Quadratmeter nicht noch genug Gewinn abschöpfen könnten.
Auch wenn die Medien das anders sehen, oder auch Du Dir Sorgen um dann verfallende Wohngebäude machst… Ich schließe mich der Meinung von Christopher Stark von Telepolis an, dass eine Mietpreisdeckelung zur Zeit das Mittel wäre, um Wohnungen in Ballungsräumen bezahlbar zu halten und eine Ghettoisierung zu verhindern.

https://www.spiegel.de/auto/aktuell/autofrei-wie-staedte-versuchen-strassen-mit-leben-zu-fuellen-a-1284291.html
In Hamburg Ottensen sollen 2 Straßen für einen Testzeitraum von 6 Monaten autofrei bleiben. Wie der Autor im Artikel glaubhaft darlegt, passiert nach der Testphase in der Regel folgendes: Die anfänglichen Bedenkenträger - zumeist der Handel - stellt am Ende fest, dass die Umsätze eben nicht wie befürchtet in den Keller gegangen sind, sondern eher nach oben.
Hauptgrund dürfte sein, dass die anfänglichen Skeptiker begreifen, dass man nicht stirbt, wenn man ein paar Schritte laufen muss anstatt immer direkt mit dem Auto vor den Eingang des Kaufhauses in der Innenstadt zu düsen.
Diese „Erkenntnis“ erinnert mich an den Streit anfangs des Jahrtausends um das Rauchverbot in Gaststätten. Da beschweren sich heute nicht mal mehr Raucher drüber. Ausnahmen bestätigen da zwar die Regel, diese sind jedoch eher handverlesen zu nennen.

https://www.heise.de/tp/features/Keine-Panik-4508246.html
Ein herrlich bissiger Artikel. Am Beispiel Berlin wird z.B. anschaulich geschildert, warum Fußgänger mit Fahrradfahrern und E Scootern auf dem Fußweg ins Gehege kommen: Weil die Autos den meisten Platz beanspruchen, die Fahrradwege schlecht gepflegt werden (z.B. rissiger Asphalt) und die Hunde überall hinkacken.
Ansonsten meinte ein Forist zur Konkurrenz der Verkehrsteilnehmer hierzu passend:
Die Ölmafia hat die Neoliberalen fest im Griff. Umbau zu Gastank 2000,-€.
„Anstatt kontraproduktiver "Abwrackprämien" sollte der Umbau zu Gasautos staatlich gefördert werden. Kostet nur 2000,-€ und man hat dann Gas- und Benzintank, größere Reichweite.
Gas ist wesentlich billiger, die CO2 Ersparnis wäre enorm.
Keine Extrakosten für die Bevölkerung. Jeder würde einfach nur viel Geld sparen. Wir hätten alle etwas davon.
Steuerliche Absetzbarkeit von Fahrrädern, kostenlose Mitnahme im Zug, Extrawaggons für Fahrräder.
Alles einfache Maßnahmen, die sehr effektiv sind und sofort umzusetzen wären.
Stattdessen wird die Ölmafia gesponsert, sinnvolle Maßnahmen werden von den Neoliberalen sabotiert.“