Detzer wieder ! Heute Morgen
überraschte er mich mit folgender Meldung:
Die Piratenpartei hat also die
Telefonnummern der Mitarbeiter von 130 Jobcentern im Netz
veröffentlicht, die sich ein engagierter Mitarbeiter einer
Wuppertaler Arbeitslosen Ini aufgrund des
Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) von den Jobcentern aushändigen
ließ.
Groß ist hieraufhin die Aufregung
seitens der Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit.
Die Mitarbeiter des Jobcenters könnten
ihrer „sensiblen“ Beratung nicht mehr ungestört nachkommen,
wenn dauernd das Telefon klingelt. Bei der komplexen Berechnung der
Sachverhalte bestünde die Gefahr von Berechnungsfehlern, falls das
Telefon klingeln würde. Deshalb hatte man sich ja zum Einsatz von
Call Centern entschlossen – zum Wohle der Kunden also.
Um es gleich vorauszuschicken: Ich
arbeite in einer bürgerfreundlichen Verwaltung und nicht bei einem
öffentlichen Dienstleister, der „Kunden“ betreut. Will sagen:
Ich arbeite im „Sozi“ und nicht im Jobcenter.
Eine bürgerfreundliche Verwaltung ist
auch immer ansprechbar; Der Bürger kann also den „Entscheider“
auch direkt ansprechen, selbst telefonisch. Ob der Bürger bei einem
Anruf seinen Sachbearbeiter sofort an der Strippe hat, ist aus
naheliegenden Gründen nicht garantierbar. Aber ein Anrufbeantworter
ist dahintergeschaltet und bietet die Möglichkeit, eine Nachricht zu
hinterlassen.
Trotzdem kann ich noch komplexe
Berechnungen durchführen und sensible Gespräche vor Ort mit den
Antragstellern führen. Zur Not gehe ich halt nicht ans Telefon;
Schließlich gibt es noch die Mailbox.
Was „Kunde“ dagegen bedeutet, lernt
man, wenn man die Störungsstelle eines Telefonie- und
Internetunternehmens (Telekom, 1 &1, etc.) oder
Versorgungsanbieters (Strom, Heizung, etc.) anruft. Versicherungen,
Banken …. Die Liste ist ja endlos, aber auch das Jobcenter hat
Kunden.
Und die landen halt in einem Call
Center, egal wie sich das Ding schimpft. Man wird günstigstenfalls
weiterverbunden mit einem, der sich auskennt. Andernfalls
zurückgerufen – Irgendwann.
In der Privatwirtschaft mag das noch
angehen, auch wenn es ärgerlich ist. Aber für eine Behörde wie das
Jobcenter bzw. die Bundesagentur für Arbeit ist der lapidare Verweis
auf komplexe Berechnungen oder sensible Gespräche ein Armutszeugnis.
Hierbei wird zuallererst unterschlagen,
das in Jobcentern Leistungsabteilung und persönliche Beratung zwei
voneinander getrennte Bereiche darstellen. So sind Kundengespräche
vor Ort in der Leistungsabteilung eher selten; Bei den persönlichen
Gesprächen werden auch keine relevanten Berechnungen durchgeführt.
Die in den Kommentaren geschilderten
Erfahrungen kann ich als Behördenmitarbeiter, der dienstlich einen
Mitarbeiter im Jobcenter erreichen muß, nur deshalb nicht gänzlich
bestätigen, da mir natürlich dank des kurzen „Dienstweges“
andere Möglichkeiten als dem Kunden zur Verfügung stehen.
Dass ein Call Center Mitarbeiter
telefonisch garantiert, das der zuständige Sachbearbeiter spätestens
nach 48 Stunden zurückruft, kann nicht wirklich beruhigen, wenn es
„um die Wurst“ geht.
Und das geht es häufig. Denn viele
Kunden sind ja gerade deswegen im Leistungsbezug, weil sie dank
Schwierigkeiten und Ängsten persönlicher Natur ohne fremde Hilfen
häufig einfach überfordert sind.
Oder ganz platt ausgedrückt: Es ist
schon bitter, wenn man sich als Sachbearbeiter einer Sozialverwaltung
in einem der reichsten Länder des Planeten hinter einem Call Center
verstecken muß. Fehlt nur noch eine Verkleidung a la Klu Klux Klan.
Das mag übertrieben böse sein, aber
einem betroffenen Antragsteller, der in der Regel dem wilden
Dschungel des deutschen Rechts hilflos gegenüber steht, können
solche Empfindungen schon mal vorkommen.
Die Argumentation der Bundesagentur ist
schon sehr befremdlich. In mittlerweilen 9 Jahren sollte es doch
machbar sein, den Betrieb so zu organisieren, das eine schnelle
persönliche Beratung oder Kontaktaufnahme per Telefon möglich ist.
Den Vorwurf an die Bundesagentur, sie
würde durch den Einsatz von Call Centern vorsätzlich Hürden
aufbauen, kann man den Verantwortlichen nicht ersparen, so dämlich,
wie sie sich in der Außendarstellung geben. Mehr und mehr wird jetzt
nach bald 10 Jahren „Hartz IV“ offenbar, das es mit dem „Fordern
und Fördern“ bei den Jobcentern nicht weit her ist.
Die hohen Erfolgsquoten bei
Widersprüchen, die gängige Praxis einer strengen Sanktionierung bei
Fehlverhalten und als Krönung die zweifelhafte Buchung der Ausgabe
von Vermittlungsgutscheinen bei privaten Arbeitsvermittlern als
eigenen Vermittlungserfolg sprechen da eine eindeutige Sprache: Mit
dem Fördern ist es beim Jobcenter nicht so weit her.
Ich kenne einige Kollegen im Jobcenter
persönlich und weiß, das sie im Rahmen ihrer eingeschränkten
Möglichkeiten eine gute Arbeit machen.Und zur Ehrenrettung der
Jobcenter kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass bei vielen
Telefonaten, die bei mir auf der Mailbox landen, lediglich ein „Hier
spricht xyz, bitte rufen sie mich zurück“ draufgesprochen wird.
Einen Grund für den Anruf, damit ich
mich zum Rückruf schon mal vorbereiten kann, suche ich dann
vergebens. Das Wort „wichtig“ wird dann auch mal gerne eingebaut.
Und wenn ich dann tatsächlich während der allgemeinen
Öffnungszeiten zum Rückruf komme und feststellen muß, das
lediglich mein Leistungsbescheid falsch gelesen worden ist, ja dann
wünsche ich mir auch ein Call Center.
Einen, der den Kunden wenigstens nach
dem Grund des Anrufes fragt.
Aber es bleibt dabei: So wie sich die
Jobcenter – es sollen aber doch nicht alle sein – im Umgang nmit
ihren Kunden gebähren, kann man nicht von einem Kontakt auf
Augenhöhe sprechen. Da kann man als Bürger schon mal den Eindruck
gewinnen, bei dieser Institution als Kunde nicht wichtig genommen zu
werden.
Was ist denn da bloß so schwierig:
Telefonische Sprechzeiten kann man auch publik machen und ist dann
eben erreichbar. Den Rest besorgt eine Mailbox. Das kann doch nicht
so schwierig sein.