Sonntag, 30. August 2020
Uncle Fester: grad gelesen August 2020
Nach der langen Erde von Baxter und Pratchett wollte ich mal wieder einen kompakten und abgeschlossenen Einzelroman lesen. Was liegt da näher als der letzte Brandhorst? In meinen Augen ist er einer der besten deutschen Autoren; höchstens Thariot und Ebel können in dieser Liga mithalten.
Tess Rosengarten Saggatorius ist als Kartografin für den Konzern Interkosmika unterwegs, um das Netz der „Gleise“ im Hyperon, auf welchen die Menschen quasi ohne Zeitverlust durch den interstellaren Raum reisen können, auszubauen. Sie trägt damit eine Schuld ihrer Familie ab, da ihre Schwester Anita, welche eigentlich diese Schuld abarbeiten sollte, abtrünnig geworden war. An und für sich wollte Tess Musik an der Akademie des Planeten Harmonie studieren.
Stattdessen ist sie zu ihrem ersten Einsatz mit dem Veteran Horace und ihrem Freund Sinclair, der sich nur ihr zuliebe verpflichtet hat, im Explorer unterwegs ins Nirgendwo. Dort soll Tess eine Empfangsstation einrichten, um das dortige System in das Netz der Gleise zu integrieren. Doch urplötzlich kommt es zu einem Unglück; der Explorer fällt aus dem Hyperon und findet sich in einem Trümmerfeld voller menschlicher Leichen wieder.
Vor Jahrhunderten ist das Kolonistenschiff Pegasus ins All aufgebrochen und in diesem System gestrandet. Tatsächlich befindet sich dort ein bewohnbarer Planet, der von den Menschen Zuflucht genannt wurde. Leichen im All, das Schiff der Kolonisten mit den mittlerweile Verstorbenen in den Tiefschlafkammern... was war passiert?
Horace liegt auf der Krankenstation, weil er sich beim Sturz aus dem Hyperon schwer verletzt hatte. Derweil versucht Sinclair, das Rätsel um die Kolonisten auf Zuflucht zu lösen, zumal dort ein exterrestisches Raumschiff ebenfalls gestrandet ist. Handelt es sich hierbei um ein Schiff der Namenlosen, die das System der Gleise errichtet hatten, jedoch als ausgestorben gelten?
Sinclair kehrt nicht zurück und Tess macht sich mit Horace auf die Suche. Das exterrestische Schiff kommuniziert mit ihr, aber Tess kann nichts verstehen. Schlimmer noch: Sinclair bleibt unauffindbar, die menschliche Siedlung ist seit Jahrhunderten verwaist. Horace stirbt bei dieser Aktion und die KI des Explorers namens Ida kann die bewusstlose Tess gerade mal wieder hochpäppeln, so dass sie im Verlauf von Wochen die Empfangsstation herrichten kann.
Eigentlich wäre ihre Schuld durch die Entdeckung des exterrestischen Raumschiffs abgegolten, aber stattdessen brummt ihr Tirell Wayfare, der Befehlshaber von Protektor, dem alles beherrschenden Militär der Erde, noch weitere Jahre des Dienstes auf und schickt sie sofort auf die nächste Mission. Tess soll jetzt ein Gleis hinter die Linien der abtrünnigen Planeten legen, mit denen sich Protektor im Krieg befindet.
Tess begibt sich auf ihre neue Mission, legt jedoch noch einen Abstecher auf einem Planeten mit einer Bibliothek ein, um dort nach juristischen Mitteln zu suchen, gegen die unverdiente Verlängerung ihrer Dienstverpflichtung vorzugehen. Dort lernt sie die Bibliothekarin Zara kennen, die sich als Mitglied der Abtrünnigen entpuppt.
Zara kann Tess überzeugen, wie ihre Schwester zu desertieren und die Empfangsstation hinter den Linien nicht zu installieren. Anita ist zu den Widerständlern übergelaufen und hatte sich zu der unabhängigen Zivilisation freier Maschinen begeben, die zu der Zeit noch neutral waren. Anita will die Maschinen überzeugen, die Widerständler zu unterstützen, weil der sehr faschistisch erscheinende Wayfare auch die unabhängige Maschinenzivilisation besiegen will.
Und es geht rasant weiter. Auf der Flucht können Zara und Tess nur mit knapper Mühe entkommen und erleben einen Zeitsprung um 25 Jahre in die Zukunft. Sie finden sich auf Rosengarten ein. Nach 25 Jahren ist dort jegliches Leben von Protektor zerstört worden. Wayfare hat sich an ihrer Familie gerächt; Auch Anita liegt dort begraben. Zara und Tess begeben sich daraufhin nach Wunca, dem Hauptplaneten des Widerstands.. Tess ist verzweifelt, weil sich ihre dunklen Prophezeiungen bislang erfüllt hatten.
Aber dank des Esprit, einer ihr innewohnenden mentalen Kraft und durch den Kontakt mit dem Raumschiff der Namenlosen kann sie in ihren Träumen die Zukunft sehen. Diese ist allerdings nicht festgeschrieben, denn durch ihre Handlungen kann sie die Zukunft beeinflussen. Dazu ist ein Teil des schlafenden Bewusstseins aus dem Raumschiff in ihrem Kopf.
Ein weiterer Teil des Aliens ist im Kopf von Sinclair, den Zara und Tess auf Wunca treffen. 25 Jahre älter geworden, hat Sinclair Wayfare bei der Vernichtung der Widerständler und der Eroberung des Planeten Wunca geholfen. Am Ende bleibt Zara und Tess nur noch die Flucht nach Terminus, dem Planeten der Maschinenzivilisation.
Doch Sinclair sieht jeden Schritt von Tess voraus. Wayfare erklärt der Maschinenzivilisation den Krieg. Für mich als Leser überraschend, kommen in der Folge alle Verbündeten von Tess ums Leben. Erst Zara, dann die Psychologin Carmen und kurz vorm Showdown noch Juval, ein Konsul der Maschinen.
Tess hatte sich in die Höhle des Löwen begeben und auf der Erde Wayfare ergeben. Mit einer Bombe im Körper tritt sie Wayfare und Sinclair gegenüber. Doch selbst diesen Schritt hatte Sinclair vorausgesehen und den Zündmechanismus der Bombe unterbrochen. Jedoch hatte er nicht mit dem Namenlosen in ihren Köpfen gerechnet. So kann Tess Sinclair den Zündunterbrecher entwinden und sich und Sinclair töten. Wayfare wurde übrigens schon vorher vom offensichtlich verrückten Sinclair getötet.
Die Geschichte endet damit, dass Tess, deren Bewusstsein in eine Maschine transferiert wurde, zusammen mit Ida und dem Namenlosen dessen Mutter (?) in den Tiefen des Universums sucht. Dank vieler überraschender Wendungen ist dieser Pageturner von Brandhorst ein wahres Lesevergnügen. Hinzu kommt dieser gewisse politische Touch, der zwar nicht gerade originell ist, aber durch den Tod der „Buddys“ der Hauptfigur schon ungewöhnlich rüberkommt.
Sonntag, 23. August 2020
Hartmudo: Mutter
61
Nach dem Termin beim Notar war nun erst einmal weitestgehend Ruhe angesagt. Bereits eine Woche vor Unterzeichnung des Kaufvertrages hatte die Hausverwaltung die Abrechnung der Betriebskosten für 2016 geschickt. Das Guthaben betrug knappe 90 Euro, dies hatte ich Sunny auch sofort per Whatsapp mitgeteilt. Die beiliegende Einladung zur Eigentümerversammlung war meiner Meinung nach für uns uninteressant, selbst wenn dort Entscheidungen wegen Heizungssanierung und irgendwelchen Pflanzinseln anstanden. Wir hatten doch bereits einen Käufer.
Wie im vorherigen Abschnitt geschildert, war dies eher schon eine Angelegenheit für den neuen Eigentümer. Deshalb hatte ich die Einladung auch beim Notarstermin an den Dottore weitergereicht; seine Frau ist dann zur Versammlung hingegangen.
Ende März meldete sich Sunny noch einmal. Sie wollte den Maklervertrag noch einmal haben. Da war ich erstaunt, machte mir aber keinen Kopf drum. Offenbar war ich der Einzige, der sich eine Kopie davon gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte sich Sunny den Vertrag bei ihrer Unterschrift, als der Makler sie zuhause besuchte, nicht einmal durchgelesen.
Sofort begann sich der Argwohn bei mir zu regen. Warum bloß in aller Welt wollte sie den Maklervertrag begutachten? Ich grübelte so vor mich hin, bis mir klar wurde, dass es um die Aufteilung der Maklerprovision ging. Also nicht zwischen uns Geschwistern, sondern zwischen Dottore und uns.
18 Monate später (ich schreibe grad diese Zeilen) weiß ich das noch nicht mal mehr. Ich nehme an, dass wir die zwischen Dottore und uns gleichmäßig aufgeteilt hatten. Update 17. September 2018: Ich habe soeben Berta befragt. Die Kaution wurde wohl zwischen uns aufgeteilt.
Kurze Zeit später hatte ich mit BS Energy den Stromstand abgeklärt, damit wir eine saubere Übergabe hinkriegten. Die Stände von Warmwasser und Heizung sollte eigentlich der Hausverwaltung bekannt sein. Dies nahm ich auch noch in die Hand. Ich schickte der Hausverwaltung eine Kopie des Kaufvertrages, um den Eigentümerwechsel anzuzeigen. Nicht dass die noch das Hausgeld von uns kassieren wollten. Hierzu erteilte ich der Verwaltung den Auftrag, sich mit Techem zwecks Ablesung der Heizung in Verbindung zu setzen. Die benutzten zum Ablesen doch tatsächlich noch Röhrchen!
Ab April sollte der Dottore schon das Hausgeld bezahlen, schließlich haben wir ihn auch gleich den Wohnungsschlüssel überlassen, damit er dort renovieren, besser gesagt sanieren konnte. Hierzu muss ich im Nachgang anmerken, dass der tatsächliche Eigentumsübergang erst zum 1.5.2017 vollzogen wurde, weil sich die Zahlung des Kaufpreises dann doch bis in den April hinzog.
Daher blieb das Hausgeld für April noch bei uns kleben. Allein deswegen zitterten Berta und ich gleich wieder wie Espenlaub, weil wir da schon wieder irgendein Ungemach durch Sunny witterten. Dies war allerdings vollkommen unbegründet, denn selbst Sunny war bewusst, dass wir wegen einer Hausgeldzahlung den gesamten Verkauf nicht noch gefährden sollten. Schlimm, wie zerrüttet die Nerven von uns Geschwistern durch die ganzen Streitereien geworden waren.
Bei mir äußerte sich dies übrigens im Kontrollverlust, was meine Ernährung angeht. Im Jahr zuvor, als es mit Mutter gesundheitlich bergab ging, hatte ich mich noch jeden Morgen gewogen und lag wohl so bei ca. 115 kg Kampfgewicht. Als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, stellte ich meine Gewichtskontrollen bei all dem Stress ein und landete dann im Jahr nach Mutters Tod bei satten 125 kg.
Kartoffelchips und Schokolade, Geißel und Tröster meiner Kindheit, wanderten während der ganzen Zeit verstärkt in meinen Einkaufskorb. Ich sah das Michelin Männchen, wenn ich mich im Spiegel betrachtete. Freunde und Verwandte machten mich ebenfalls darauf aufmerksam, doch ich ignorierte das alles.
Spätestens als Teenager hatte ich gelernt, dass Schokolade und Kartoffelchips gute Trostspender während der Unbill der Pubertät darstellen. Ich wechselte damals täglich. Mal verdrückte ich mindestens eine Tafel Schokolade - Sarotti, Sprengel, Ritter Sport oder auch Milka. Vorrangig Vollmilch, aber dank meines Vaters lernte ich auch Waldbaur Vollnuss zu schätzen. Genau, die von Aldi.
An den anderen Tagen drückte ich immer eine ganze Tüte Kartoffelchips alleine weg. Chio und Bahlsen waren nicht so mein Ding. Ich verzehrte Chips schon mit Niveau, will sagen: Chipsfrisch Ungarisch oder Pepperoni. Da geht nichts drüber. Zugegebenermaßen gab es auch da schon mal Tage, da mussten es einfach Ibu Paprika sein.
All diese Kindheitserinnerungen brachen wieder durch in dem knappen Jahr, in dem Berta und ich uns mit Sunny beharkten. Ich redete mir die ganze Zeit ein, dass ich mich ja ausreichend bewegen würde und dass Kondition wichtiger sei als das Gewicht. Ich wollte es einfach nicht wahr haben und verschlang noch mehr Chips und Schoki. Die Quittung sollte mir mein Hausarzt ein Vierteljahr später aufmachen.
Was auch gut war, denn ansonsten könnte ich mich heuer auch noch mit einer Diabetes und was weiß ich noch alles auseinandersetzen. Doch eins war Ende März 2017 nach den paar Whattsapp mit Sunny klar: Wir bogen jetzt endgültig auf die Zielgerade ein.
Anfang April war das Geld aus dem Verkauf der Wohnung auf unseren Konten, jetzt blieb nur noch die Auflösung von Mutters Konto zu erledigen. Danach brauchten wir uns nicht mehr gegenseitig auf die Nerven zu gehen.
Sonntag, 16. August 2020
Hartmudo:Verlogenheit
Als letztes Wochenende die große Hitzewelle über uns hereinbrach, saßen wir abends vor der Tagesschau. Wir hatten die kleine Jela über Nacht zu Besuch; die schlief mittlerweile tief und fest in ihrem Bettchen. Tagsüber waren wir mit dem Kanonier, Bienchen und ihren beiden Kindern im Tierpark Essehof gewesen. Hier konnte sich Jela gut austoben und schlief bereits auf der Rückfahrt in ihrem Autokindersitz ein.
Wie ich in der Tagesschau erbost feststellen musste, setzte an diesem Wochenende pünktlich zur großen Hitzewelle ein Run auf die deutschen Nord- und Ostseebäder ein. Gerade die Touristen, die nur mal für einen Tag an die Küste (mit ihren dicken Kisten?) gefahren waren, versperrten die Straßen und sorgten am Strand dafür, dass der Mindestabstand nicht eingehalten werden konnte. Das Tragen einer Maske viel da natürlich aus.
Die eingesetzten Leute eines Sicherheitsdienstes sahen sich Pöbeleien ausgesetzt, als sie den Zugang zum Strand reglementieren wollten und die in Massen andrängenden Badegäste auf die eineinhallb Meter Sicherheitsabstand hinwiesen. Ein Strandkorbaufsteller, der extra weniger Körbe freigegeben hatte, um den behördlichen Vorgaben zu genügen, erzählte im Interview, dass es fast zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre, weil einige uneinsichtig waren.
Den Samstag zuvor. In Berlin demonstrierten eine Vielzahl von Leuten gegen die Maskenpflicht. Laut Polizei waren es 20.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von bis zu 1,3 Millionen und die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo in der Mitte. Die Interviews in der Tagesschau hierzu legten den Verdacht nahe, dass die Teilnehmer an der Demo die falschen Drogen geschluckt hatten. So viel Paranoia und geistigen Dünnpfiff auf einen Haufen sieht man selten.
Ich denke, die „Wahrheit“ bezüglich der Teilnehmerzahl liegt wie immer dazwischen; ich tippe da jetzt mal forsch auf 100.000 bis 150.000. Die Konzentration der Leitmedien auf die teilnehmenden Verschwörungstheoretiker und rechtsradikalen Wirrköpfe hat mich darüber hinaus geärgert. Hier wird in übelster Agitationstechnik wie weiland in der Aktuellen Kamera mit aller Macht versucht, ein politisches Leitbild der breiten Zustimmung zu den Schutzmaßnahmen während der Covid-19 Pandemie zu verkaufen.
Hierzu passen auch die Meldungen Ende letzter Woche, dass laut einer aktuellen Umfrage des Forsa Instituts im Auftrag von RTL 91% der Deutschen kein Verständnis für die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben. Auch in der Tagesschau wurde gleich nach dem Bericht von den überfüllten Stränden mitgeteilt, dass 90% der Deutschen die Schutzmaßnahmen für gerechtfertigt halten. Wie passt das zusammen?
Dieser nur scheinbare Widerspruch kommt durch den allgegenwärtigen Opportunismus des durchschnittlichen Deutschen zustande. Da die Covid-19 Schutzmaßnahmen staatlich verordnet sind und (fast) alle Medien die Notwendigkeit dieser betonen, wird der Eindruck allgegenwärtig, dass eigentlich alle die Maßnahmen für erforderlich halten.
Gegenteilige Meinungen werden in den Leitmedien verunglimpft; sei es die Demo-Teilnehmer oder alternative Medien, die flugs zur Querfront erklärt werden. Jedem wird sofort bewusst, welches die richtige Meinung ist. Und selbst die Linke stößt hier (wie auch bei den Flüchtlingen 2015) ins selbe Horn. Als einzige Opposition verbleibt dann die AfD, die per Definition der Leitmedien, aber auch der politischen Linken, dem faschistischen Lager zuzurechnen ist.
Hand aufs Herz: Wer von uns möchte sich denn bei dieser Konstellation hinstellen und behaupten, die Schutzmaßnahmen wären übertrieben? Da wird man doch sofort in die AfD Ecke gestellt. Und die Einschränkung von Freiheitsrechten ist natürlich nur temporär, bis... Ja bis wann eigentlich? Erst ging es nur um die Anzahl an Beatmungsbetten in den Intensivstationen, dann sollte der Ansteckungsfaktor unter 1 rutschen. Weiniger als 50 Neuansteckungen pro 100.000 Anwohner war auch noch so ein Richtwert, der auf Fläche bereits seit langem unterschritten ist.
Sicherlich gab es bereits viele Lockerungen in den letzten Wochen und Monaten, aber die Masken- und Abstandspflicht besteht unverändert fort. Und die zugestandenen Lockerungen sind wohl eher wirtschaftlichen Notwendigkeiten geschuldet. Denn die Tourismusbranche ist für diese Volkswirtschaft schon systemrelevant.
Ohne seinen Urlaub wäre der Deutsche wohl nicht so folgsam und würde in Scharen auf solche Demos wie in Berlin rennen, Agitprop hin oder her. Das hatten die Apparatschiks im ZK der SED vor 30 Jahren eben nicht kapiert und wurden dann von der Geschichte fortgeweht. Erst als die Demos in Leipzig so groß wurden, dass der Staat es sich nicht leisten konnte, dies zu vertuschen oder alle zu verhaften, wuchs die Teilnehmerzahl und die Demos griffen auf andere Städte in der DDR über.
Hieraus hatte man schon 2015 gelernt und konnte das Thema über die Jahre austrudeln lassen. Der geniale Trick, Politiker der Linken wie z.B. Frau Kipping in der Kampagne mitzunehmen und missliebige Stimmen (Wagenknecht) kalt zu stellen, hatte Erfolg.
Aber ob dies auch bei Covid-19 klappt? Schließlich konnte man an den deutschen Stränden die Verlogenheit des typischen Deutschen erkennen. Ob vor einer Kamera oder im Gespräch mit Freunden oder Kollegen: Wir alle sind natürlich für eine Maskenpflicht und Abstand, bis ein Impfstoff gefunden ist. Da gibt sich keiner die Blöße, dass sich herumsprechen könnte, dass man ja als Gegner dieser Maßnahmen auf AfD Kurs segelt.
Aber wenn es Strandwetter ist, dann ist auf einmal wieder alles egal. Natürlich war tatsächlich niemand am Strand gewesen, genauso wie niemand Bild liest oder bei McDonalds isst, Amazon bestellt oder oder oder. Diese Verlogenheit ist allgegenwärtig und eigentlich typisch für autoritäre Regimes wie dem dritten Reich oder der DDR.
Dies zeigt mir, dass wir zur Zeit von einer demokratischen Gesellschaft weit entfernt sind. Und das noch ohne Not, denn wir haben noch eine Demokratie. Noch. Wenn wir aber so weitermachen und
Leute mit abweichenden Meinungen - seien sie auch noch so krude - an den Nazi-Pranger stellen, dann haben wir bald dank Denunzianten und freiwilliger Blockwarte genau die Diktatur, vor der wir angeblich immer warnen.
Da sind mir die Leute, die Dich an der Kasse bei Kaufland immer darauf aufmerksam machen, dass Du den Mindestabstand nicht einhältst und die sich ansonsten nicht mehr aus der Wohnung trauen - die sogenannten Abstandsnazis - immer noch lieber. Oder eben die Coronaleugner auf der Berliner Demo vom 01. August. Denn beide Gruppen sind von ihrer Meinung felsenfest überzeugt und stehen auch in der Öffentlichkeit dafür ein.
Die meisten Leute aber - zumindest die Tagestouristen an den deutschen Küsten - predigen Wasser und saufen Wein. Wenn der Chef um die Ecke schaut, verteidigt man die Maskenpflicht vehement und schimpft über die unvorsichtigen Mitbürger. Doch wenn die eigene Freizeit darunter leidet, dann kann man nicht einmal auf den Strandbesuch verzichten. Was für Heuchler da in Massen unterwegs sind.
Ich stehe wohl irgendwo zwischen den Coronaleugner und den Heuchlern. Ich arbeite seit Pfingsten wieder normal und kriege da den ganzen Irrsinn mit „Maske auf Maske runter“ mit. In nicht-desinfizierten Zügen und Bussen harre ich bis zu einer Stunde am Stück mit Maske bzw,. Face Shield aus. Da sieht man Maskenpflicht und Abstandsregelung naturgemäß kritischer als im Home Office.
Wäre ich im Home Office, würde ich auch jeden Maskenverweigerer ins Arbeitslager schicken lassen.
Donnerstag, 13. August 2020
Warren Smith 3/4
Diese dritte Single von Warren Smith wurde als Sun #268 am 15. April 1957 veröffentlicht und stieg im Mai auf Platz 72 in den Billboard Hot Hundred ein. Endlich! Das musste für Warren Smith doch der Durchbruch gewesen sein. Schließlich war er mit einem mehr als gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet; ich kann mir schon vorstellen, dass er sich aufgrund der Chartsplatzierung bereits in Dick Clark`s „American Bandstand“ oder der „Ed Sullivan Show“ wähnte.
Doch das Glück war Warren Smith nicht hold. Ende Mai 1957 veröffentlichte Jerry Lee Lewis seine zweite Single bei Sun. „Whole lotta shakin` goin` on“ (Sun #267) stand sofort an der Spitze der lokalen Charts in Memphis und Sam Phillips und sein Bruder Judd entschieden sich dafür, Jerry Lee und nicht Warren Smith eine Chance im landesweiten Fernsehen zu ermöglichen, da sie hier - nicht zu Unrecht - das größere Hitpotential vermuteten.
Jerry Lee Lewis legte am 28. Juli in der „Steve Allen Show“ mit „Whole lotta Shakin“ eine wilde Show hin, schmiss sogar noch einen Stuhl durch die Gegend. Das kurbelte die Nachfrage nach der Single dermaßen an, dass Sun Records Schwierigkeiten bekam, der Nachfrage nachzukommen. Daher entschied sich Sam Phillips, alle Anstrengungen auf die Vermarktung von Jerry Lee Lewis zu konzentrieren. Das hatte zur Folge, dass „So long, I`m gone“ nicht mehr unterstützt wurde und eine größere Unterstützung über Airplay durch DJs oder eben einen Fernsehauftritt ausblieben. Die Single blieb ergo hängen und rutschte sofort wieder aus den Hot Hundred heraus.
Warren Smith soll über den Erfolg von Jerry Lee derart empört gewesen sein, dass er alle Kopien der Single des „Killers“, die er fand, sofort wütend zertrümmerte. Laut seinem Drummer Jimmie Lott war Warren zwar ein eher angenehmer Charakter, aber auch ein riesiger Egoist und nach Anerkennung förmlich süchtig. Auf die Rückseite seines Cadillacs hatte Warren Smith sogar den Spruch „Warren Smith - the Rock `n` Roll Ruby Man“ aufgemalt.
Erst im Oktober kehrte Warren Smith in die Sun Studios für neue Aufnahmen zurück. Gerade hier arbeiteten die beiden Gitarristen Hopson und Janes bei „Got Love if You want it“ hervorragend zusammen. Dieses Cover von Slim Harpo gewinnt dadurch gegenüber dem Original, was ansonsten eher selten vorkommt.
Die sanfte Ballade „I fell in Love“ von Hopson wanderte auf die B-Seite und so wurden diese Aufnahmen im Dezember 1957 als Sun #286 veröffentlicht. Im Vorweihnachtsgeschäft gab sich Sun äußerst aktiv und war mit Johnny Cash (Ballad of a Teenage Queen), Roy Orbison (Chicken Hearted), Carl Perkins (Glad all over) oder auch Sonny Burgess (My Bucket`s got a Hole in it) in den Regalen.
Doch dies wurde wieder alles überstrahlt durch Jerry Lee`s „Great Balls of Fire“. Dieser Kracher landete im Billboard erneut auf der zweiten Position. Dank des Erfolges vom „Killer“ war Sam Phillips´s Unterstützung für Warren Smith`s sensationelle Single entsprechend gering. Gerade einmal 7000 Exemplare gingen über die Ladentheken. Bis heute wurde seine Coverversion von „Got love if You want it“ nicht ausreichend gewürdigt.
Nach dem neuerlichen Misserfolg zeigten sich in der Band erste Auflösungstendenzen. Der geniale Bassist Marcus van Story stieg aus und wurde durch Will Hopson, dem Bruder des Gitarristen, ersetzt. Mit Lott ging der nächste Schlagzeuger und wurde in den folgenden Shows durch Drummer von jeweilig lokalen Bands notdürftig ersetzt.
Warren Smth trennte sich auch von seiner Booking Agentur. Statt Stars Inc. versuchte er es nun mit Charlotte G. D. Kemper, der sogleich einige Termine in Kanada festzurrte. Ein Gastspiel in der ruhmreichen Ed Sullivan Show war da schon ein Schritt in die richtige Richtung - denn ohne Fernsehen ging selbst damals nichts. Doch nachdem Smith ohne Kemper selbstständig Termine in Maryland gebucht hatte, brach Kemper die Kontakte zu Warren Smith ab.
In dieser Zeit produzierte Warren Smith einige hervorragende Rockabilly Perlen, ohne sie veröffentlichen zu können. „Golden Rocket“, „Dear John“ und „Do I love“ sind sind solche vergessenen Schätze. Nur „Uranium Rock“ brachte es aus dieser Phase Anfang der 80er Jahre aufgrund einer Cover Version der Cramps zu späten Ehren.
Warren Smith selbst konnte diesen Song erst 1973 veröffentlichen. Unfassbar, dass dieser eingängige wie von der Gitarrenarbeit her saubere Song 1958 nicht veröffentlicht wurde. Aber zu dem Zeitpunkt glaubte wohl niemand mehr bei Sun an Warren Smith als Rock `n` Roll Star, hatte man doch mit dem „Killer“ bereits einen Megaseller im Programm.
Seine letzte Single für Sun nahm Warren Smith am 7. Januar 1959 auf. Von seiner letzten Band war keiner mehr dabei, dafür aber mit Billy Lee Riley und Sid Manker (Co Autor von „Raunchy“) an den Gitarren sowie Charlie Rich am Klavier hatte Warren durchaus eine exquisite Besetzung an den Start gekriegt.
Samstag, 8. August 2020
H. Lecter: Alf
18
Da erinnere ich mich doch schon lieber an den 50. Geburtstag von Wastl. Das war im Herbst 1994, also eine ganze Ecke früher als Gran Canaria. In jenen Jahren war Wastl noch Miteigentümer des Köludu (König Ludwig Dunkel) im Schlemmermarkt, wo auch die leckere Knoblauchbockwurst von Schridde verkauft wurde.
Natürlich nicht in der Kneipe, sondern am Stand des Schlachters in der Halle. Das Köludu hatte einen eigenen Eingang. Auf alle Fälle existiert das Gebäude heute nicht mehr. Es wurde zugunsten eines Neubaus für die Nord/LB und die Salzgitter Zeitung abgerissen. Schade, denn in der Halle herrschte reger Betrieb; auch der Vietnamese fand regen Zulauf mit seinem Imbiss.
Nun gut, der Geburtstag. Wastl hatte uns zu seiner großen Feier eingeladen. Uns – das waren Mike, Sylvester, Alf und ich. Schön an einem Samstagmittag, aber nicht in seiner Kneipe, sondern… ja wo eigentlich? In der Begegnungsstätte im Strumpfwinkel vielleicht? Jedenfalls waren dort alle „wichtigen“ Leute der Stadtverwaltung eingeladen. Außer meinen „Kameraden“ kannte ich allerdings niemanden.
Sicherlich hatte ich den einen oder anderen schon mal gesehen, aber ich war natürlich froh, dass wir an einem Tisch saßen, der etwas abseits stand. Mit dem Essen hielten wir uns nicht sehr lange auf, wir konzentrierten uns auf das Bier. Sylvester und Mike hatten dabei ein Tempo drauf, bei dem selbst ich nicht mithalten konnte.
Man gut, dass Wastl sich vorrangig um die anderen Gäste kümmern musste. Denn Wastl ist einer von den Kandidaten, die ein 0,5 Liter Weizen schon mal in einem Rutsch austrinken können. Auf alle Fälle immer schneller, als ich ein 0,3 Liter Pils geleert bekomme. Wir sahen ihn quasi gar nicht, nur einmal setzte er sich für fünf Minuten kurz zu uns.
Es blieb jedenfalls nicht lange so gediegen, irgendwann gingen wir scharf. Vielleicht war es Alf, doch wahrscheinlicher Sylvester, der zu der Zeit bereits unser Chef war. Da stand sie dann vor uns, die erste Runde Tequila. Schön den Weißen mit Salz und Zitrone. Sind aber auch immer schnell weg, diese kleinen Gläschen. Da mussten wir schnell nachordern.
Runde um Runde bestellten wir auf Wastls Kosten, die Biere zum Nachspülen vergaßen wir nicht. An das Buffett gingen wir nicht hin, wir hatten ja Zitronen. Nach und nach wurde die Stimmung immer leichter und unsere Zungen schwerer. Von den anderen Gästen kam niemand auch nur kurz an unseren Tisch. Wir waren sozusagen Persona non Grata.
Auf alle Fälle hatten wir gut gebechert, bis die Zeit zum Aufbruch kam. Wir waren zusammen zu Wastl gegangen und gingen zusammen wieder weg, wobei ich etwas hinten dran war. Vor dem Ausgang stehend, blickte ich nochmal in den großen Saal zurück auf die Leute, die dort saßen. Die Creme de la Creme des Rathauses war dort versammelt. Wastls Kollegen aus dem Tiefbauamt, das halbe Personalamt nebst Dezernenten… Spätestens ab jetzt kannte man auch mein Gesicht im gesamten Rathaus.
Und damit mich auch ja niemand vergaß, kotzte ich erstmal den Tequila nebst Zitronen auf den grauen Boden des Saals; auf dieser Tanzfläche würde an Wastls Geburtstag keiner mehr tanzen. Wie im Tran, aber natürlich geistesgegenwärtig, fingerte ich nach meinen Papiertaschentüchern, um meinen Auswurf auf dem Fußboden besser verteilen zu können. Mike, Alf und Sylvester bekamen das schon nicht mehr mit, da sie sich draußen bereits auf den Weg zu Mikes Wohnung gemacht hatten.
Wenigstens genoss ich jetzt die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden. Eine Serviererin konnte es allerdings bald nicht mehr mit ansehen und kam mit einem Lappen vorbei. Während ich mühsam aufstand und der Serviererin beim Putzen zusah, war Wastl auch schon herangestürmt und verabschiedete mich persönlich. Die anderen hatte er nicht verabschiedet. Ein netter Zug von ihm.
Draußen holte ich die anderen ein und zusammen gingen, besser stolperten, wir durch die Lebenstedter Straßen in Richtung zur Wohnung von Mike. Die Sportschau wollten wir noch zusammen gucken. Nach einigen Pinkelpausen an den uns entgegen kommenden Bäumen waren wir beinahe bei Mike angekommen.
Hier erhielt Alf noch die Gelegenheit sich auszuzeichnen. Wahrscheinlich durch die frische Luft angeregt, nutzte er die gesamte Breite des Fußweges zur Fortbewegung. Und irgendwann zog die Schwerkraft ihn derart zur Seite, dass er rechts durch die Hecke brach, wobei er laut juchzend auf dem Rasen dahinter landete. Zum Glück war der Eingang zu Mikes Wohnung in Sichtweite, so dass er die Tür auf allen Vieren leicht erreichen konnte.
Am Ende saßen wir 4 in Mikes Wohnzimmer vor dem Fernseher, jeder hatte eine Pulle Bier vor sich stehen. Offen, aber voll. Denn wir tranken zur Sportschau nichts mehr. Wir waren einfach weggeschlummert.
Donnerstag, 6. August 2020
Contramann: kurz gesehen im August
Dieser Beitrag von Roberto De Lapuente stammt vom 5. Juni und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er Anfang August noch aktuell ist. Deshalb kommentiere ich den Artikel entsprechend früh, da er mir irgendwie aus der Seele spricht und ich wie gesagt felsenfest.... Aber manchmal irrt man sich gern.
Egal ob Netflix, Facebook oder neuerdings der Hype ums Homeoffice: Der Trend zur Vereinsamung der Menschen ist schon seit längerem sichtbar, aber wir merken es natürlich nicht. Erst jetzt mit den Verboten von größeren Veranstaltungen dank Corona merkt der eine oder andere vielleicht doch einmal, dass ein gelegentliches „Bad in der Menge“ ein wesentliches Gefühl unserer Spezies vermittelt: Zusammengehörigkeit.
Allein ist das Leben nicht mehr so prickelnd und scheiße vorhersehbar. Es ist eben nur im ersten Moment schön, wenn man sich vor unangenehmen Fragen drücken kann, weil man nur noch über Whatsapp schreibt und nicht mehr im Gespräch kommuniziert. Auf diese Weise verlernt man die Kommunikation mit seinen Mitmenschen sehr schnell.
Meist merkt man dies erst, wenn es zu spät ist. Und Netflix oder auch zig Likes auf Facebook ersetzen nicht den zugegebenermaßen nicht immer schönen Kontakt zu seinen Mitmenschen. Aber: Wo viel Schatten ist, ist eben auch viel Licht. Andernfalls hockt man alleine zu Hause, am Besten noch im Homeoffice, und mutiert zum „Prosumenten“, der seine selbst produzierten „Produkte“ als „Konsument“ z.B. aus dem Netz bezieht.
Zum „Prosumenten“ empfehle ich als Lektüre Isaak Asimov mit seinen frühen Roboter Romanen, in denen die Menschen tatsächlich vereinsamt auf riesigen Ländereien mit Heerscharen von Robotern sitzen und sich nicht mehr gegenseitig treffen. Der Film „Surrogates“ mit Bruce Willis ist da aber auch sehr anschaulich.
Ich selbst bin da leider auch schon fleißig auf dem Weg zum Prosumenten mit dabei.
https://www.spiegel.de/psychologie/baby-boomer-wird-man-im-alter-automatisch-konservativ-die-midlife-kolumne-a-813a0eff-bc58-48c4-959c-fbcd4eac569c#ref=rss
Schon nach den ersten 2 Absätzen fühlte ich mich angesprochen und markierte den Artikel für den August. Frank Patalong versucht hier zu ergründen, wieso „unsere“ Generation der Babyboomer, die mit Punk und Grunge aufgewachsen war, heutzutage einen konservativen Ruck erlebt hat und „Atemlos durch die Nacht“ mitgröhlt.
Er erklärt dass damit, dass diese „Wendehälse“ eigentlich schon immer konservativ dachten, sich damals aber nur aufgrund des vorherrschenden progressiven Zeitgeistes angepasst hatten und jetzt quasi aus ihren Löchern hervorgekrochen kommen, weil sich der Zeitgeist leider zum Negativen gewandelt hat
Einen gewandelten Zeitgeist habe ich auch bemerkt, aber ansonsten liegt Patalong daneben. Wie auch unsere Eltern, gegen deren Lebenseinstellung wir uns in den 80ern gestellt hatten, machten wir im Laufe unseres Lebens Erfahrungen, die uns überzeugten, dass unsere Eltern eben nicht in Allem Unrecht hatten.
Und je mehr Verantwortung wir mit den Jahren im Beruf und in unserem sozialen Umfeld übernahmen, je mehr Geld und Besitz wir anhäuften und bewahrten, desto konservativer wurden wir. Wir haben heute halt was zu verlieren, haben dafür aber auch etwas geleistet. Für uns natürlich, aber auch für die Gesellschaft.
Das erging sicherlich nicht jedem so - Frank Patalong scheint dafür ein Beispiel zu sein, sonst würde er sich nicht solche verquansten Argumente aus dem Kreuz leiern. Nicht jeder hatte damals Punk und Grunge gehört - und heute weiß ich endlich, dass auch die „Normalos“, über die „wir“ in den 80ern gerne hergezogen hatten, genau so ticken wie wir.
Denn schließlich war unser ganzes Gehabe seinerzeit lediglich ein oberflächliches Feeling, um uns von den Alten abzugrenzen. Wie auch jede Generation vor uns. Und wer selbst heute noch, nach über 30 Jahren, den alten Geistern nachhängt, der hat im Leben offenbar das Wichtigste verpasst: Fortschritt geschieht nur durch Wandel.
https://www.spiegel.de/auto/nahverkehr-in-der-corona-krise-so-haben-busse-und-bahnen-gegen-das-auto-keine-chance-a-ff5d96f0-b007-4443-8bc3-10743d61d9ec
Yo. Sehe ich ähnlich. Der öffentliche Nahverkehr braucht neue Konzepte und sollte den Individualverkehr mit PKW zur Bedeutungslosigkeit verdammen. Der Elektroantrieb ist auf jeden Fall das falsche Signal. Und dann noch diese Riesenkarren… Tonnen von Stahlblech huschen über geteerte Straßen, die Lebensräume von Tieren teilen und zerstören.
Das alles kann es nicht sein. Jedoch sehe ich in unserem Wirtschaftssystem das größte Hindernis für die überlebensnotwendigen Änderungen. Wo der Profit im Vordergrund steht – im geschäftlichen wie im persönlichen Bereich – da hat Vernunft keine Chance.
https://www.neulandrebellen.de/2020/07/polizei-im-polizeistaat-oder-so-aehnlich/
Noch einmal etwas zu den letzten Unruhen und Ausschreitungen gegen die Polizei. Am 19. Juli krachte es ja auch in Frankfurt. Roberto Lapuente hat es in diesem Kommentar geschafft, das Ganze auf den Punkt zu bringen. Leute, die lediglich aus Prinzip Gewalt gegen die Polizei gutheißen, weil sie diese als Nazis („Polizeistaat“) ansehen, sind letztlich selber welche. Und eben keine Linken.
Ich finde, dass „Linke“ dies auch vehement herausbrüllen müssen, um sich von solchen Arschlöchern abzugrenzen.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-daenen-muessen-verrueckt-sein-oder-vielleicht-doch-nicht
Ein schöner Kommentar. In Dänemark, Finnland und Norwegen gibt es keine Maskenpflicht und auch keine schlimmeren Infektions- und Todesraten als in Deutschland. Schweden klammern wir hier kurz aus, weil darüber hat sich der Spiegel schon genug ausgelassen. Die anderen Skandinavier reichen hier als Vergleich völlig.
Als Konsequenz bleibt also die Forderung nach einer Beendigung der Maskenpflicht und Rückkehr zur Normalität. Auch sollte man sein Augenmerk eher auf Hotspots a la Tönnies richten statt alle Menschen in Sippenhaft zu nehmen.
https://www.zeit.de/kultur/2020-07/identitaetspolitik-linke-intoleranz-zensur-demokratie-meinungsfreiheit/komplettansicht
Schöner Artikel über linke Spießer. Ich selbst bin auch kein Freund mehr von Leuten, die sich als tolerant geben, aber bei Anderen lediglich ihre eigene (wenn auch häufig korrekte) Meinung gelten lassen. Solche Leute habe ich früher schon gern als „Berufsbildungsbürger“ bezeichnet.
Und das ist dann nicht mehr „der diskrete Charme der Bourgeoisie“, sondern „das Fegefeuer der Eitelkeiten.“
Sonntag, 2. August 2020
Udorallala: Top Songs 12/?
Ding Dong – That`s my Song!
Ramones - Rockaway Beach
Von den Ramones kann man heutzutage sogar T-Shirts bei Kik kaufen. Jeder, aber auch jeder kennt diese Band. Aber warum haben sich ihre Platten damals nicht verkauft? Die ersten drei LPs gehören mit Macht zu den besten 1000 Scheiben der Rockgeschichte. Ohne sie hätte es sicherlich auch keinen Punk in England gegeben. Die Platten waren voll an potentiellen Ohrwürmern, aber die Fans dieser Musik standen nicht in Verdacht, Stützen dieser Gesellschaft zu sein oder zu werden. Das ist für mich die einzig logische Erklärung für den verhältnismäßig schwachen Zuspruch dieser nach den Beatles und Stones wichtigsten Band - meiner Meinung nach.
„Rockaway Beach" ist der wohl bekannteste Song der Ramones, daher steht er hier nicht nur stellvertretend für all die anderen „Hits". Der Song erreichte 1977 gerade mal Platz 66 der Billboard Charts (immerhin beste Platzierung im Billboard) und stieg in England gar nicht erst in die Charts ein. Dafür schafften dies über die Jahre 12 andere Songs, u.a. „Sheena ist a Punk Rocker" aus derselben LP, nämlich „Rocket to Russia".
Wie kaum ein anderer Song aus dieser Zeit steht der Beginn des Songs für ein Lebensgefühl, dass uns knapp 40 Jahre später leider abhanden gekommen ist:
"Chewing out a rhythm on my bubble gum
The sun is out and I want some
It's not hard, not far to reach, we can hitch a ride to Rockaway Beach
Up on the roof, out on the street
Down in the playground, the hot concrete
Bus ride is too slow, they blast out the disco on the radio
Rock-rock, Rockaway Beach
Rock-rock, Rockaway Beach
Rock-rock, Rockaway Beach
We can hitch a ride to Rockaway Beach"
Allesamt Klassiker, obwohl Freddy "nur" auf 6 platziert war. Erwähnen möchte ich noch "Holidays in the Sun" auf der 9, weil es eigentlich schon immer mein Lieblingssong der Pistols war.
Mein Lieblingssong der Ramones war allerdings schon immer "Ramona" von derselben "Rocket to Russia". Der rumpelnde Rhythmus dieses Songs hatte es mir angetan, wobei ich heute nicht mal mehr sagen kann, weshalb.
Jedenfalls waren die Ramones für mich schon immer immer jeden Zweifel erhaben. Und als ich mir die Doppel DVD mit dem kompletten legendären Silvesterauftritt in London gekauft hatte, war ich um so mehr beeindruckt. Selbst die ältesten Amateuraufnahmen von 1974 auf der Ladefläche eines LKWs in einer brachial schlechten Sound- und Videoqualität - von der Performance ganz zu schweigen - strahlen eine Power aus, welche die meisten Bands vorher wie später nicht auf die Bühne gebracht kriegten.