Andreas Brandhorst - Das Netz der Sterne
Nach der langen Erde von Baxter und Pratchett wollte ich mal wieder einen kompakten und abgeschlossenen Einzelroman lesen. Was liegt da näher als der letzte Brandhorst? In meinen Augen ist er einer der besten deutschen Autoren; höchstens Thariot und Ebel können in dieser Liga mithalten.
Tess Rosengarten Saggatorius ist als Kartografin für den Konzern Interkosmika unterwegs, um das Netz der „Gleise“ im Hyperon, auf welchen die Menschen quasi ohne Zeitverlust durch den interstellaren Raum reisen können, auszubauen. Sie trägt damit eine Schuld ihrer Familie ab, da ihre Schwester Anita, welche eigentlich diese Schuld abarbeiten sollte, abtrünnig geworden war. An und für sich wollte Tess Musik an der Akademie des Planeten Harmonie studieren.
Stattdessen ist sie zu ihrem ersten Einsatz mit dem Veteran Horace und ihrem Freund Sinclair, der sich nur ihr zuliebe verpflichtet hat, im Explorer unterwegs ins Nirgendwo. Dort soll Tess eine Empfangsstation einrichten, um das dortige System in das Netz der Gleise zu integrieren. Doch urplötzlich kommt es zu einem Unglück; der Explorer fällt aus dem Hyperon und findet sich in einem Trümmerfeld voller menschlicher Leichen wieder.
Vor Jahrhunderten ist das Kolonistenschiff Pegasus ins All aufgebrochen und in diesem System gestrandet. Tatsächlich befindet sich dort ein bewohnbarer Planet, der von den Menschen Zuflucht genannt wurde. Leichen im All, das Schiff der Kolonisten mit den mittlerweile Verstorbenen in den Tiefschlafkammern... was war passiert?
Horace liegt auf der Krankenstation, weil er sich beim Sturz aus dem Hyperon schwer verletzt hatte. Derweil versucht Sinclair, das Rätsel um die Kolonisten auf Zuflucht zu lösen, zumal dort ein exterrestisches Raumschiff ebenfalls gestrandet ist. Handelt es sich hierbei um ein Schiff der Namenlosen, die das System der Gleise errichtet hatten, jedoch als ausgestorben gelten?
Sinclair kehrt nicht zurück und Tess macht sich mit Horace auf die Suche. Das exterrestische Schiff kommuniziert mit ihr, aber Tess kann nichts verstehen. Schlimmer noch: Sinclair bleibt unauffindbar, die menschliche Siedlung ist seit Jahrhunderten verwaist. Horace stirbt bei dieser Aktion und die KI des Explorers namens Ida kann die bewusstlose Tess gerade mal wieder hochpäppeln, so dass sie im Verlauf von Wochen die Empfangsstation herrichten kann.
Eigentlich wäre ihre Schuld durch die Entdeckung des exterrestischen Raumschiffs abgegolten, aber stattdessen brummt ihr Tirell Wayfare, der Befehlshaber von Protektor, dem alles beherrschenden Militär der Erde, noch weitere Jahre des Dienstes auf und schickt sie sofort auf die nächste Mission. Tess soll jetzt ein Gleis hinter die Linien der abtrünnigen Planeten legen, mit denen sich Protektor im Krieg befindet.
Tess begibt sich auf ihre neue Mission, legt jedoch noch einen Abstecher auf einem Planeten mit einer Bibliothek ein, um dort nach juristischen Mitteln zu suchen, gegen die unverdiente Verlängerung ihrer Dienstverpflichtung vorzugehen. Dort lernt sie die Bibliothekarin Zara kennen, die sich als Mitglied der Abtrünnigen entpuppt.
Zara kann Tess überzeugen, wie ihre Schwester zu desertieren und die Empfangsstation hinter den Linien nicht zu installieren. Anita ist zu den Widerständlern übergelaufen und hatte sich zu der unabhängigen Zivilisation freier Maschinen begeben, die zu der Zeit noch neutral waren. Anita will die Maschinen überzeugen, die Widerständler zu unterstützen, weil der sehr faschistisch erscheinende Wayfare auch die unabhängige Maschinenzivilisation besiegen will.
Und es geht rasant weiter. Auf der Flucht können Zara und Tess nur mit knapper Mühe entkommen und erleben einen Zeitsprung um 25 Jahre in die Zukunft. Sie finden sich auf Rosengarten ein. Nach 25 Jahren ist dort jegliches Leben von Protektor zerstört worden. Wayfare hat sich an ihrer Familie gerächt; Auch Anita liegt dort begraben. Zara und Tess begeben sich daraufhin nach Wunca, dem Hauptplaneten des Widerstands.. Tess ist verzweifelt, weil sich ihre dunklen Prophezeiungen bislang erfüllt hatten.
Aber dank des Esprit, einer ihr innewohnenden mentalen Kraft und durch den Kontakt mit dem Raumschiff der Namenlosen kann sie in ihren Träumen die Zukunft sehen. Diese ist allerdings nicht festgeschrieben, denn durch ihre Handlungen kann sie die Zukunft beeinflussen. Dazu ist ein Teil des schlafenden Bewusstseins aus dem Raumschiff in ihrem Kopf.
Ein weiterer Teil des Aliens ist im Kopf von Sinclair, den Zara und Tess auf Wunca treffen. 25 Jahre älter geworden, hat Sinclair Wayfare bei der Vernichtung der Widerständler und der Eroberung des Planeten Wunca geholfen. Am Ende bleibt Zara und Tess nur noch die Flucht nach Terminus, dem Planeten der Maschinenzivilisation.
Doch Sinclair sieht jeden Schritt von Tess voraus. Wayfare erklärt der Maschinenzivilisation den Krieg. Für mich als Leser überraschend, kommen in der Folge alle Verbündeten von Tess ums Leben. Erst Zara, dann die Psychologin Carmen und kurz vorm Showdown noch Juval, ein Konsul der Maschinen.
Tess hatte sich in die Höhle des Löwen begeben und auf der Erde Wayfare ergeben. Mit einer Bombe im Körper tritt sie Wayfare und Sinclair gegenüber. Doch selbst diesen Schritt hatte Sinclair vorausgesehen und den Zündmechanismus der Bombe unterbrochen. Jedoch hatte er nicht mit dem Namenlosen in ihren Köpfen gerechnet. So kann Tess Sinclair den Zündunterbrecher entwinden und sich und Sinclair töten. Wayfare wurde übrigens schon vorher vom offensichtlich verrückten Sinclair getötet.
Die Geschichte endet damit, dass Tess, deren Bewusstsein in eine Maschine transferiert wurde, zusammen mit Ida und dem Namenlosen dessen Mutter (?) in den Tiefen des Universums sucht. Dank vieler überraschender Wendungen ist dieser Pageturner von Brandhorst ein wahres Lesevergnügen. Hinzu kommt dieser gewisse politische Touch, der zwar nicht gerade originell ist, aber durch den Tod der „Buddys“ der Hauptfigur schon ungewöhnlich rüberkommt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen