Dienstag, 28. Januar 2014

Contramann: Don`t call the Callcenter

Detzer wieder ! Heute Morgen überraschte er mich mit folgender Meldung:
Die Piratenpartei hat also die Telefonnummern der Mitarbeiter von 130 Jobcentern im Netz veröffentlicht, die sich ein engagierter Mitarbeiter einer Wuppertaler Arbeitslosen Ini aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) von den Jobcentern aushändigen ließ.
Groß ist hieraufhin die Aufregung seitens der Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit.
Die Mitarbeiter des Jobcenters könnten ihrer „sensiblen“ Beratung nicht mehr ungestört nachkommen, wenn dauernd das Telefon klingelt. Bei der komplexen Berechnung der Sachverhalte bestünde die Gefahr von Berechnungsfehlern, falls das Telefon klingeln würde. Deshalb hatte man sich ja zum Einsatz von Call Centern entschlossen – zum Wohle der Kunden also.
Um es gleich vorauszuschicken: Ich arbeite in einer bürgerfreundlichen Verwaltung und nicht bei einem öffentlichen Dienstleister, der „Kunden“ betreut. Will sagen: Ich arbeite im „Sozi“ und nicht im Jobcenter.
Eine bürgerfreundliche Verwaltung ist auch immer ansprechbar; Der Bürger kann also den „Entscheider“ auch direkt ansprechen, selbst telefonisch. Ob der Bürger bei einem Anruf seinen Sachbearbeiter sofort an der Strippe hat, ist aus naheliegenden Gründen nicht garantierbar. Aber ein Anrufbeantworter ist dahintergeschaltet und bietet die Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen.
Trotzdem kann ich noch komplexe Berechnungen durchführen und sensible Gespräche vor Ort mit den Antragstellern führen. Zur Not gehe ich halt nicht ans Telefon; Schließlich gibt es noch die Mailbox.
Was „Kunde“ dagegen bedeutet, lernt man, wenn man die Störungsstelle eines Telefonie- und Internetunternehmens (Telekom, 1 &1, etc.) oder Versorgungsanbieters (Strom, Heizung, etc.) anruft. Versicherungen, Banken …. Die Liste ist ja endlos, aber auch das Jobcenter hat Kunden.
Und die landen halt in einem Call Center, egal wie sich das Ding schimpft. Man wird günstigstenfalls weiterverbunden mit einem, der sich auskennt. Andernfalls zurückgerufen – Irgendwann.
In der Privatwirtschaft mag das noch angehen, auch wenn es ärgerlich ist. Aber für eine Behörde wie das Jobcenter bzw. die Bundesagentur für Arbeit ist der lapidare Verweis auf komplexe Berechnungen oder sensible Gespräche ein Armutszeugnis.
Hierbei wird zuallererst unterschlagen, das in Jobcentern Leistungsabteilung und persönliche Beratung zwei voneinander getrennte Bereiche darstellen. So sind Kundengespräche vor Ort in der Leistungsabteilung eher selten; Bei den persönlichen Gesprächen werden auch keine relevanten Berechnungen durchgeführt.
Die in den Kommentaren geschilderten Erfahrungen kann ich als Behördenmitarbeiter, der dienstlich einen Mitarbeiter im Jobcenter erreichen muß, nur deshalb nicht gänzlich bestätigen, da mir natürlich dank des kurzen „Dienstweges“ andere Möglichkeiten als dem Kunden zur Verfügung stehen.
Dass ein Call Center Mitarbeiter telefonisch garantiert, das der zuständige Sachbearbeiter spätestens nach 48 Stunden zurückruft, kann nicht wirklich beruhigen, wenn es „um die Wurst“ geht.
Und das geht es häufig. Denn viele Kunden sind ja gerade deswegen im Leistungsbezug, weil sie dank Schwierigkeiten und Ängsten persönlicher Natur ohne fremde Hilfen häufig einfach überfordert sind.
Oder ganz platt ausgedrückt: Es ist schon bitter, wenn man sich als Sachbearbeiter einer Sozialverwaltung in einem der reichsten Länder des Planeten hinter einem Call Center verstecken muß. Fehlt nur noch eine Verkleidung a la Klu Klux Klan.
Das mag übertrieben böse sein, aber einem betroffenen Antragsteller, der in der Regel dem wilden Dschungel des deutschen Rechts hilflos gegenüber steht, können solche Empfindungen schon mal vorkommen.
Die Argumentation der Bundesagentur ist schon sehr befremdlich. In mittlerweilen 9 Jahren sollte es doch machbar sein, den Betrieb so zu organisieren, das eine schnelle persönliche Beratung oder Kontaktaufnahme per Telefon möglich ist.
Den Vorwurf an die Bundesagentur, sie würde durch den Einsatz von Call Centern vorsätzlich Hürden aufbauen, kann man den Verantwortlichen nicht ersparen, so dämlich, wie sie sich in der Außendarstellung geben. Mehr und mehr wird jetzt nach bald 10 Jahren „Hartz IV“ offenbar, das es mit dem „Fordern und Fördern“ bei den Jobcentern nicht weit her ist.
Die hohen Erfolgsquoten bei Widersprüchen, die gängige Praxis einer strengen Sanktionierung bei Fehlverhalten und als Krönung die zweifelhafte Buchung der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen bei privaten Arbeitsvermittlern als eigenen Vermittlungserfolg sprechen da eine eindeutige Sprache: Mit dem Fördern ist es beim Jobcenter nicht so weit her.
Ich kenne einige Kollegen im Jobcenter persönlich und weiß, das sie im Rahmen ihrer eingeschränkten Möglichkeiten eine gute Arbeit machen.Und zur Ehrenrettung der Jobcenter kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass bei vielen Telefonaten, die bei mir auf der Mailbox landen, lediglich ein „Hier spricht xyz, bitte rufen sie mich zurück“ draufgesprochen wird.
Einen Grund für den Anruf, damit ich mich zum Rückruf schon mal vorbereiten kann, suche ich dann vergebens. Das Wort „wichtig“ wird dann auch mal gerne eingebaut. Und wenn ich dann tatsächlich während der allgemeinen Öffnungszeiten zum Rückruf komme und feststellen muß, das lediglich mein Leistungsbescheid falsch gelesen worden ist, ja dann wünsche ich mir auch ein Call Center.
Einen, der den Kunden wenigstens nach dem Grund des Anrufes fragt.
Aber es bleibt dabei: So wie sich die Jobcenter – es sollen aber doch nicht alle sein – im Umgang nmit ihren Kunden gebähren, kann man nicht von einem Kontakt auf Augenhöhe sprechen. Da kann man als Bürger schon mal den Eindruck gewinnen, bei dieser Institution als Kunde nicht wichtig genommen zu werden.
Was ist denn da bloß so schwierig: Telefonische Sprechzeiten kann man auch publik machen und ist dann eben erreichbar. Den Rest besorgt eine Mailbox. Das kann doch nicht so schwierig sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen