Sonntag, 12. Januar 2014

Uncle Fester: Daemon

Wow ! Ich dachte, Cyberpunk hat sich erledigt. Die letzten Romane von William Gibson habe ich schon nicht mehr gelesen, weil er immer mehr in Richtung Pseudoreligiösität abzudriften drohte. Der Cyberpunk speiste sich seinerzeit von der Punkbewegung und der aufkommenden Computergeneration.
Die ganzen Biotechs und Matrixwelten gerieten in Vergessenheit, weil das pixelige Hightechkrams immer mehr in den Hintergrund rückte. Genauso wie die Punkbewegung und insbesondere die Mukke dazu. Stattdessen erlebten wir ….
… Poetry Slam. Heilige Scheiße, war das schlimm. Die Mukke in den 90ern und den Nullern war ja schon lahm, aber die literarische Ausformung namens Poetry Slam toppte das noch im Negativen. Untalentierte Schreiberlinge, denen die Form – Präsentation ! - wichtiger war als der Inhalt, verbreiteten ihre verbalen Ejakulationen unters Volk und ernteten kurzfristig den unverdienten Beifall. Talentlos, Nichtssagend und jetzt – hoffentlich – down and out.
Die Science Fiction Literatur zog sich zurück aus dem visionären Bereich und lieferte viele gute Ansätze, aber der allerletzte Kick fehlte.
Und dann kommt Daniel Suarez von hinten. Jetzt, nach der Bankenkrise, haut er so nen Ding raus wie weiland Gibson mit Neuromancer. Um es mit Barney zu sagen: „Le-gen-där!“
Die Macht sozialer Netzwerke wie Facebook, aber auch Payback, die Gibson nicht voraussehen konnte, sind hier mit eingeflossen.
Die Story spielt noch nicht einmal in der Zukunft. Beängstigend hierbei ist, das Science Fiction eigentlich gar nicht drin ist.
Ist der Daemon vielleicht schon unterwegs und wir wissen es bloß nicht?
Als Link mal ein älteres Interview mit dem Autor.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitales-denken/gespraech-mit-daniel-suarez-wir-werden-mit-system-erobert-14089.html
Und wenn ihr jetzt sagt: „Der schon wieder. Gähn.“ dann denke ich, dass ihr nicht auf mit Meth angefixte Teenager steht, die zum Bukkake angestiftet werden. Oder blutreiche Gemetzel, wenn das FBI wieder ermittelt.
Da sind die Geschmäcker ja durchaus verschieden.
Zum Inhalt. Matthew Sobol ist Spieleentwickler und hat ein weltweit erfolgreiches Spiel namens „The Gate“ entwickelt. Auf diesem Spiel, dass seiner weltweiten Verbreitung im Netz quasi omnipräsent ist, hat Sobol sein Vermächtnis aufgebaut.
Denn Sobol stirbt mit 34 Jahren an einem Gehirntumor, hat aber vorher den „Daemon“, quasi eine digitale Kopie seiner selbst, in das Spiel eingebaut. Und dieser Daemon schafft es, dank des digitalen Vermögens reale Menschen anzuheuern, die nach den Vorgaben des Daemons die reale Welt beeinflussen, ja quasi übernehmen.
Ob durch körperliche Einschüchterung oder gehackte Firmennetzwerke – der Daemon übernimmt nach und nach immer mehr Konzerne und läßt Konkurrenz, die sich nicht unterordnen will, in Konkurs gehen.
Zum Anfang sorgen bestialische Morde, die durch den Daemon verursacht werden, für Spannung. Und hier kommen dann, nach und nach, die Hauptpersonen ins Spiel.
Sergeant Sebeck ist Cop durch und durch. Unbestechlich bis ins Mark, nur eine abartige rein körperliche Affäre mit einer Bankerin macht den Familienvater angreifbar. Als er sich bei seinen Ermittlungen nicht erpressen läßt, macht der Daemon ihn zum Schuldigen eines Massakers. Sebeck stirbt auf dem elektrischen Stuhl – scheinbar, denn der Daemon integriert auch ihn in sein kriminelles Netzwerk.
                             
Die Agentin Natalie Philips von der NSA steht einer Task Force vor, die den Daemon mit allen Mitteln zu bekämpfen sucht. Der russische Hacker John Frederick Ross wiederum wird anfangs mit der Mordserie in Verbindung gebracht, tatsächlich unterstützt er Sebeck und Philips bei den Bemühungen, den Daemon zu stellen.
Mehr am Rande taucht anfangs der Major auf. Keiner weiß genau, wer er ist und wie seine Befugnisse geregelt sind. Seine Rolle in der Story ist also eher unklar. Aber immer mehr rückt er in den Vordergrund im Kampf gegen den Daemon, das er sogar am Ende des Romans den integren FBI Agenten Merrit aus einem Hubschrauber heraus gezielt tötet, weil dieser sich an den Spion Brian Gragg heftet, der sich in die Task Force eingeschlichen hatte und diese von innen sabotiert.
Gragg, im weiteren Verlauf der Geschichte Loki genannt, ist der rücksichtslose Killer, der für den Daemon die Drecksarbeit erledigt.
Anji Anderson hingegen ist eine verkrachte Boulevard Journalistin, die der Daemon als Top Journalistin aufbaut – so eine Art Maybritt Illner eben.
Denn im Laufe der Story drehen sich Gut und Böse. Am Ende des ersten Romans wird deutlich, das der Daemon nicht wirklich das Böse ist, sondern die eigentlichen Herrscher dieses Planeten: Anonyme Wirtschaftsbosse, die schon längst Regierungen und Medien einkassiert haben.
Die Demokratie ist lediglich eine Farce und der Major ist der ausführende Arm einer Führungselite, die einfach nicht greifbar ist und deshalb uneingeschränkt die Fäden im Hintergrund zieht.
Der Daemon ist da schon die letzte Hoffnung der Menschen auf Freiheit und Gerechtigkeit. Trotz groß angelegter Medienkampagne kann der Major den Vormarsch des Daemon und der mit ihm verbündeten Menschen nicht verhindern.
Ganz zum Schluß wird dann noch Loki ins Abseits gestellt. Er hat seine Schuldigkeit getan.
Insgesamt großes Kino für die Freunde der Nachdenkseiten und somstige Querdenker. Wenn, wie hier im 2. Roman, tatsächliche Vorgänge wie die zunehmende Allmacht von Monsanto thematisiert und hautnah geschildert werden, da ist Darknet, der 2. Roman, auf einmal gar keine Science Fiction mehr.
Die splattermäßigen Tötungsszenen nutzen sich zwar ab, doch mehr und mehr wandert die Sympathie des geneigten Lesers zum Daemon hin, da sich der Major als grausamer und brutaler Lakai der Wirtschaftselite erweist.
Sebeck arbeitet schließlich für den Daemon. Und Merrit ist der Märtyrer der Daemon Anhänger, obwohl er diesen erbarmungslos bekämpft hatte, aber von den eigenen Leuten hingerichtet wurde, weil die Gefahr bestand, das er zuviel herausfand.
Letztlich wird hier der von Gibson geschilderte Cyberspace in seiner Entstehung beschrieben, Matrix läßt auch etwas grüßen. Aber durch die Integration der Gamer Welten, Drohnen Technik und der präzisen Schilderung der Manipulationen seitens der Eliten wirken die beiden Romane beängstigend real.
Angenehmes Gruseln wünsche ich Euch. Unbedingt lesen, Ist sich echt geil, Alter.

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