Montag, 11.11.2013. Es ist
Karnevalsanfang. Das mir das Folgende ausgerechnet am 11.11.
passiert, ist Zufall. Aber wenn schon, denn schon. Und es ist
wirklich so passiert.
Vormittags im Büro war es etwas
nervig, so dass ich zu der Überzeugung gelangte, dass es gut sei,
eher Feierabend zu machen. 14.00 Uhr war hier der angemessene
Zeitpunkt, da ich dann den Zug nehmen konnte. Kurz vor 3 In
Braunschweig angekommen, war es Zeit, die ersten Weihnachtsgeschenke
zu kaufen.
Ich radelte also schön in die Stadt
rein, fand bei Saturn und Tee-Gschwendner die erhofften Präsente für
die Lieben zum Weihnachtsfeste und nahm auch noch ein Brot mit.
Dieser frühe und unverhoffte Feierabend hatte mir richtig gut getan.
Deshalb verweilte ich auch länger in der Stadt, als ich eigentlich
vorhatte.
Zuhause war ich dann kurz nach 16.00
Uhr. Jetzt rief ich meine Löwin an, um zu fragen, ob sie nach der
Arbeit noch nach Hause kommt. Ich konnte mich nämlich noch daran
erinnern, dass sie noch zum Verein fahren mußte an diesem Abend.
Leider war mal wieder nur die Mailbox zu hören.
Ich sabbelte irgendwas von „bist wohl
gleich zum Verein durchgefahren“ … „kommst anscheinend vorher
nicht nach Hause“ … „brauchst nicht zurückzurufen“ … usw.
Ist ja nicht schlimm, wenn sie direkt durchfährt. Das Brot kriege
ich auch alleine gegessen.
Aber ich verspürte einen gewissen
Druck im Körper und mußte Ballast loswerden. Im Anschluß daran war
ausduschen angesagt. Da das diesmal etwas länger dauern würde,
wollte ich warten, bis meine Löwin nach Hause kam und dann noch
etwas Zeit im Bad verbringen könnte. Alternativ hätte sie, falls
ich dann unter der Dusche stand, aufhalten oder in meine kleine
Kemenate gehen müssen. Und ihr könnt mir glauben: Letzteres hätte
Ihr nicht gefallen.
Da der Anruf offensichtlich erfolglos
verlief, wollte ich noch warten mit meinem Ritual. Üblicherweise
wäre sie normalerweise gegen 16.25 Uhr zuhause. Ich biß auf die
Zähne, versteckte noch schnell die Weihnachtsgeschenke und gab
meiner Löwin noch 10 Minuten Karenzzeit obendrauf.
Keine Löwin weit und breit. Ergo zog
ich mich komplett aus (hinterher ausduschen!) und begab mich in meine
Kemenate. Kurz darauf ging es mir wesentlich besser. Zum Entspannen
las ich noch etwas im neuen Geo Epoch. Alexander der Große;
spannende Lektüre.
Auf einmal klingelte es an der Tür.
„Ein ungünstiger Zeitpunkt jetzt“, dachte ich noch. Schließlich
war ich nackt. Und es klingelte noch ein zweites Mal, was nun?
Vielleicht war es ja etwas Wichtiges. Ich gab meinem Herzen einen
Ruck und stand auf.
Schnell schwang ich mir noch ein
Handtuch um den nackten Leib, schlüpfte in meine Adiletten und
betätigte den Türsummer. Vorsichtig, noch halb hinter der Haustür
verborgen, spähte ich in den Hausflur. Wenn meine Löwin mich so
sehen würde …. Au Weia, gäbe das Mecker.
Eine Hose überziehen, T-Shirt drüber?
Ging gar nicht, da ich ja noch nicht unter der Dusche war. Außerdem
kam ich ja grad aus dem papierlosen Büro. Den Bademantel hätte ich
mir überwerfen sollen, klaro. Aber hinterher ist man immer schlauer.
Unten, von der Eingangstür, hörte ich
ein helles Frauenlachen. „Kommt sie ja doch noch vorher nach Hause
und hat alle Hände voll. Klingelt lieber, als mühsam den Schlüssel
zu suchen.“
Ich war beruhigt. Hatte ich es doch
richtig gemacht, indem ich die Tür öffnete. Doch was war das? 2
unbekannte Frauen quälten sich die Treppe rauf. Schreck laß nach!
Die eine Frau ungefähr Mitte Ende 50,
die Andere Anfang 40. Beide hatte graue Strickmützen auf und graue
Wollmäntel an; Brillenträgerinnen alle beide. Sie suchten die Namen
an den Klingeln ab, eine murmelte dabei meinen Nachnamen.
Die Situation war eindeutig – Die
Zeugen Jehovas hatten mich gefunden! Die hab ich ja gefressen wie ein
Pfund Schmierseife. Ich öffnete die Tür komplett und stellte mich
in Positur. Bei Religion verstehe ich keinen Spaß, da heißt es
gegengehn. Ihren Besuch sollten sie in bleibender Erinnerung
behalten.
„Wollen Sie vielleicht zu mir?“
fragte ich liebenswürdig und stemmte die nackten Arme in die vom
Handtuch ummantelten Hüften.
„Ja. Wir kommen vom Tierheim.“
Antwortete die Eine und näherte sich. Bewaffnet mit Kuli und
Klemmbrett.
Au Backe, was jetzt? Die kamen bestimmt
wegen Abby und wollten nur kontrollieren, dass es ihr bei uns auch
gut geht. Denn wir hatten Abby vor 4 Monaten aus dem Tierheim befreit
und in unseren Haushalt integriert. Die konnte ich doch nicht einfach
wegschicken.
Am Ende denken die noch, Abby wäre in
ein schlechtes Zuhause gekommen. Das galt es zu verhindern. Ohne zu
überlegen sagte ich: „Kommen sie rein.“
Abby und Sushi |
An die Angemessenheit meines Auftretens
verschwendete ich keinen Gedanken. Ich dachte nur noch eindimensional
daran, den 2 Frauen zu zeigen, dass es Abby bei uns gut geht. Wohl
dachte ich auch daran, dass keine Katze raus in den Flur läuft. Das
mach ich bei jedem Öffnen der Tür, das läuft schon automatisch ab
und darf keine Entschuldigung sein.
Ich war so erpicht darauf, einen
schlechten Eindruck wegen Abbys Wohlergehen zu vermeiden, das ich
nicht mal mehr an mein eigenes Auftreten dachte.
Selbst als ich die Frauen ins
Wohnzimmer führte, wo sie beide Katzen nebst den 3 Kratzbäumen
bewundern konnten, und sie kurz alleinließ, um das Tablet zu holen,
dachte ich nicht daran, mir etwas überzuwerfen.
Ich weiß nicht, ob es an der
Ritualisierung gewisser Bedürfnisse im Zusammenhang mit den
gekachelten Räumen liegt oder der Fixierung auf die
Überzeugungsarbeit bei den beiden Mitarbeiterinnen des Tierheims
geschuldet ist. Nur noch „Katze geht es gut. Den Frauen dies
vermitteln“ – mehr war nicht drin.
Robotergleich, ja wie ein Mantra schob
ich dies im Gedanken vor mir her.
„Ein Bild sagt mehr als Tausend
Worte“, entgegnete ich auf die Frage, wie es Abby denn bei uns
ginge. Ich zeigte den Frauen ein Bild auf dem Tablet, auf dem beide
friedlich zusammen auf einer Ebene des großen Kratzbaumes im
Katzenbett kuscheln.
Wir unterhielten uns mehrere Minuten
über Fressgewohnheiten, die von Abby überwundene Menschenscheu
(„aber auf den Arm kommt sie nicht“) oder auch über den
Spieltrieb von ihr. Über Abbys Angewohnheit, Bonbonpapier zu
stibitzen. Ich erzählte und erzählte stolz von unserer Katze und
wie glücklich wir sind, das sie sich bei uns so gut entwickelt hat.
Während der ganzen Zeit standen beide Frauen im Wohnzimmer; Mützen
auf und Mäntel bis oben hin zugeknöpft.
Ich hatte ihnen keinen Sitzplatz
angeboten, geschweige denn Getränke. Und wir erzählten und
erzählten. Die Ältere inspizierte zwar dauernd meine Adiletten,
aber ich spulte das Programm konsequent ab. Schließlich sollten
beide die Wohnung mit der Gewissheit verlassen, dass sie die kleine
schwarze Katze in die richtigen Hände gegeben haben.
Und dann, plötzlich, passierte es. Die
Haustür wurde aufgeschlossen. Meine Löwin kommt nach Hause.
„Hallooo, ich bin wieder da.“
Plopp – als ob eine Seifenblase
platzt. Mit einem Geräusch – dem Drehen des Schlüssels in der
Haustür – war alles Gerede über Abby vergessen. Wenn meine Löwin
mich so sieht, das gibt Mecker! Zu Recht regt sie sich schon auf,
wenn ich mal in Unterhose die Tür öffne, wenn der Paketonkel kommt.
Und jetzt das. Angst, ja Panik erfaßte mich.
Ich ließ mir aber nichts anmerken, als
sie ins Wohnzimmer kam. Ich stellte ihr die beiden Frauen aus dem
Tierheim vor, umriss kurz den Grund ihres Besuches und verschwand
daraufhin kommentarlos ins Bad, ohne mich von den Frauen aus dem
Tierheim zu verabschieden.
Ich rechne es meiner Löwin hoch an,
dass sie mir hinterher keine „Szene“ gemacht hat. Denn trotz
meiner Schilderung der Situation hätte ich mich über Schelte und
Schläge nicht beklagen dürfen, zumal, wenn man die Geschehnisse aus
ihrer Sicht betrachtet.
Meine Löwin musste nämlich nach der
Arbeit noch in die Apotheke und kam deshalb später. Zum Verein
braucht sie erst um 19.00 Uhr aufzulaufen. Dies hatte sie mir auch
erzählt, aber ich Drömel hatte an die Apotheke nicht mehr gedacht.
Schlichtweg vergessen, ich werde alt.
Erschwerend kam hinzu, dass meine Löwin
meinen Anruf tatsächlich gehört hatte. Aber wie es dann manchmal so
ist, ausgerechnet bei diesem Anruf, wo sie die Hände voll hatte,
glitt ihr das Handy aus der Hand und zersprang auf dem Fußboden. Es
war zwar nicht kaputt, aber Rückklappe und Akku flogen raus.
Da wollte sie schnell ans Handy – es
hätte ja was Wichtiges von mir sein können – und dann so etwas.
Aus meinem Gebrabbel auf der Mailbox konnte meine Löwin sich auch
keinen Reim machen. „Rückruf nicht erforderlich“ und auch
ansonsten unverständliches Gerede.
Als sie mich dann da im Wohnzimmer fast
nackt mit den beiden Frauen erwischte, da ergab mein Anruf scheinbar
auf einmal Sinn. Ich hätte ja kontrollieren können, wo sie gerade
ist. „Etwa schon zum Verein? Hurra, die Luft ist rein!“ Dies
hätten meine Gedanken sein können. „Nein, nein. Du brauchst nicht
zurückrufen!“ Schon klar. Sie hätte ja stören können.
Haben sich die beiden Frauen etwa
schnell die Mäntel übergeworfen, als sie das Öffnen der Haustür
hörten? Schließlich hatten sie auch keine Ausweise vom Tierheim
vorgezeigt.
Für meine Löwin musste sich die ganze
Situation skurril darstellen, verdächtig war sie allemal, auch wenn
sie die beiden Frauen ebenfalls sofort als Zeugen Jehovas verortete.
Mein Glück jedenfalls war, dass es
zwei Frauen waren. Nicht weil sie bis oben hin zugeknöpft waren,
sondern weil es ganz profan zwei waren. Soviel „Kraft“ traut
meine Löwin mir einfach nicht mehr zu.
Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Mal
ganz abgesehen davon, dass ich meine Löwin gar nicht betrügen
würde, weil so etwas immer rauskommt und dann gibt’s Pitjes!
Nein, das ist natürlich nicht der
Grund. Ich liebe und achte meine Frau zu sehr, um ihr so etwas
anzutun. Ich bringe nur ab und an den einen oder anderen Klopfer. Mal
zum Gefallen, mal zum Leidwesen meiner Löwin.
Diesmal war beides dabei. Am Abbau des
Leidwesens muss und werde ich noch weiter arbeiten. Lebenslänglich
halt und das ist auch schön so.
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