Da sich „See you later, Alligator“
doch einigermaßen verkaufte, korrigierte Chess nun den Kurs und
öffnete das Label für weiße Künstler. Dale Hawkins war kurze Zeit
später ebenfalls bei Chess unter Vertrag.
Dessen ungeachtet ging Bobby Charles
mit Chuck Berry und Frankie Lymon auf Tournee. Er selbst war der
einzige „weiße“ Musiker auf dieser Tournee und genoß somit die
gleiche bevorzugte Behandlung wie seine farbigen Mitstreiter. So war
es z. B. Chuck Berry und seinen Musikern zu verdanken, das Bobby
während eines Gigs an der University of Mississippi nicht von einer
Horde von Footballspielern angegriffen wurde.
Ein „schwarzes“ Hotel in
Birmingham, Alabama, wurde in der Nacht abgefackelt, in dem die
Tourmitglieder dort nächtigten. Nicht nur „weiße“ Rock `n`
Roller hatten offenbar in den 50ern Probleme. Der Rassismus in den
Südstaaten trieb so manch schlimme Blüte.
Aber zurück zur zweiten Session Januar
1956 bei Chess in Chicago. „Don`t you know I love You“ klingt ja
auch nicht wirklich spannend; die Single floppte.
Für eine dritte Session begab sich
Bobby zurück nach New Orleans in Cosimo Matassa`s Studio, diesmal
aber mit der dortigen Studioband. Aus dieser Session resultierte
„Only Time will tell“ und brachte Platz 11 in den R&B Charts.
Doch weil Bobby Charles nicht willens
oder fähig war, die Promotion seiner Songs aktiv zu unterstützen,
brachen die Plattenumsätze ein. Nach 7 Singles verlor Leonard Chess
das Interesse an Bobby Charles und kündigte den Vertrag mit ihm
Mitte 1958 auf.
Bobby Charles kehrte nach Crowley
zurück und zeichnete einen Plattenvertrag bei Imperial Records.
Hauptproduzent dort war die Blueslegende Dave Bartholomew, der auch
Fats Domino betreute. Bartholomew unterstützte Bobby hauptsächlich
mit eigenen Songs. Doch obwohl die Backing Band bei den Aufnahmen die
gleiche wie bei den Chess Aufnahmen war, erreichten die hier
entstandenen Songs nicht mehr die frühere Qualität.
Das zweijährige Zwischenspiel bei
Imperial endete mit einem Krach – und einem Hit von Fats Domino.
„Walking in New Orleans“ erreichte Platz 6 der Billboard Charts
in 1960. Co-Autor hier war Bobby Charles. Übrigens nahm Fats Domino
noch andere Songs von Bobby Charles auf, aber von denen wurde keiner
zum Hit.
Wahrscheinlich war es aber doch der
Erfolg von „Walking in New Orleans“, der Bobby Charles zu Chess
zurückbrachte. Nunmehr arbeitete er dort in den folgenden Jahren
primär als Songschreiber und Promoter, weniger als Musiker.
Er schrieb für Clarence „Frogman“
Henry dessen Hit „But I do“ (1961) und noch weitere Songs, die
nicht zu Hits wurden. Bobby selbst nahm in dieser Zeit lediglich eine
Session im März 1961 auf. Doch da die 4 aufgenommenen Songs nicht
zeitgemäß waren, wurden sie seinerzeit auch nicht veröffentlicht.
Zwischen 1963 und 1965 spielte Bobby für Kleinstlabels wie
„Hub-City“ noch Aufnahmen ein, aber seine Zeit als Rock `n` Roll
Musiker war nun endgültig zuende.
Bis 1972. Da kam er nach Woodstock, New
York. Unter falschem Namen, weil er wegen eines Drogenvergehens
gesucht wurde. Er lernte Leute von „the Band“ oder auch Paul
Butterfield kennen. Albert Grossman, ehemaliger Agent von u.a. Simon
und Garfunkel, kümmerte sich um das Drogenvergehen. Als
Gegenleistung zeichnete Bobby Charles für dessen Label „Bearsville.“
Jetzt nahm er endlich seine erste LP
„Bobby Charles“ auf. Begleitet wurde er von illustren
Mitstreitern wie Dr. John, David Sanborn oder Levon Helm von „the
Band“. Die Kritiken waren zwar ordentlich, doch die Verkäufe waren
enttäuschend und so zog sich Bobby Charles nach Abbeville zu seinen
Tieren zurück, um sich aufs Songschreiben zu konzentrieren.
Nach über 20 Jahren trat Bobby Charles
1976 folgerichtig bei „the last Waltz“, dem letzten Konzert der
„Band“ auf. Martin Scorsese schnitt aus seiner vielgerühmten
Konzertdokumentation diesen Auftritt (zusammen mit Dr. John) aus dem
Film heraus. Lediglich auf dem klassischen Dreier Album ist die
Aufnahme zu hören.
1977 trennte sich Charles von Grossman
mit den Worten „I can`t say that it was good doing business with
you, so I`ll just say adios, Motherfucker!“ Ein zweites, bei
Bearsville aufgenommenes Album, erschien daraufhin gar nicht erst.
Erneut begab sich Bobby Charles zu
seinen Tieren und schrieb Songs. Unter anderem für Joe Cocker, Kris
Kristofferson, Bo Diddley oder auch Tom Jones.
Sporadisch erschienen dann bis 2010
sechs weitere Alben auf verschiedensten Labels. Beteiligt waren
Willie Nelson, Neil Young oder auch Fats Domino. Das letzte Album
„Timeless“ wurde posthum 2010 nach Bobby Charles` Tod am 14.
Januar 2010 veröffentlicht.
Bobby Charles litt an Nierenkrebs und
hatte Diabetes. Er starb in seinem Haus in Abbeville.
Ihm war nie der verdiente Ruhm
beschieden, doch er schrieb einen der wohl größten Songs der
Rockgeschichte.
Und das, obwohl er weder Noten lesen
oder gar schreiben konnte. Bobby konnte nicht mal ein Instrument
spielen. Er komponierte üblicherweise, indem er seine Kompositionen
auf ein Tonband sang. Hatte er kein Tonband, sang er auf einen
Anrufbeantworter. Außergewöhnlich der Mann.
See you later, Alligator.
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