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Irgendwann kurz vor Mittag waren Hotte und ich dann wach. Und nüchtern. Die Sonne brannte schon gleißend durch die große Fensterfront und ich fühlte mich immer noch stark ermattet. Hotte dagegen war schon wieder gut drauf und hatte auch seinen Humor nicht verloren.
Ich dagegen hatte meine Erinnerung an den gestrigen Abend verloren und musste von Hotte erst auf den neuesten Stand gebracht werden. Anscheinend war ich am Tisch sanft entschlummert und kriegte gar nicht mehr mit, das der Streit zwischen Wastl und Hotte mehr und mehr eskalierte.
Hotte fühlte sich von der Gruppe ausgeschlossen, mir ging das ja genauso. Nicht nur, das wir ins Nebenhaus abgeschoben wurden, wir wurden am ersten Tag ja schon geschnitten. Und Hotte konnte das in seinem breiten Schädel nicht verknusen, so dass er seinen Frust vor versammelter Mannschaft äußerte.
Wohl deshalb zog ich mich ins Nirvana zurück. Der Höhepunkt war – wie man mir später erzählt hatte – die Androhung von Schlägen für Hatschi. Hotte kannte da ja kein Erbarmen, wenn er einen im Tee hatte. Eine Seele von Mensch, aber wehe, wenn er sich verarscht fühlt. Zum Glück hatte Hotte seine Drohung nicht wahr gemacht; Er hätte gegen Hatschi in jedem Fall den Kürzeren gezogen.
Auf jeden Fall war an diesem Morgen dadurch eines klar: Mit der Mannschaft würden wir erst einmal nichts unternehmen können. Ich erklärte mich mit Hotte sofort solidarisch, zumal mein Ruf bei der Mannschaft, insbesondere bei den Damen, ähnlich schlecht wie der von Hotte war.
Auch ich fühlte mich als Ausgestoßener, da ich ja ebenfalls als notorischer Single und hoffnungsvoller Trinker galt. Hotte und ich waren den anderen Jungs hochpeinlich, insbesondere vor deren Mädels. Wenn ich dies vorher geahnt hätte, wäre ich vielleicht gar nicht mitgefahren.
Zum Glück war ich jedoch dabei und hatte einen meiner schönsten Urlaube auf Granni, ach was: Den Schönsten! Wahrscheinlich war es die schlechte Meinung unserer Mitreisenden über uns, die uns an diesem, den ersten ganzen Tag des Urlaubs, dazu trieb, uns einen Mietwagen zu nehmen und über die Insel zu juckeln.
Die Idee stammte aber eindeutig von Hotte, der Gran Canaria kannte und mir einfach mal die interessanten Stellen auf der Insel zeigen wollte. Wir mieteten also einen kleinen, weißen Peugeot für 2 Tage und fuhren los. Schon nach kurzer Zeit machten wir einen Stopp, um etwas feste Nahrung zu uns zu nehmen. War ja schon Mittag.
Wir saßen auf einer wunderhübschen Terrasse vor einem Landhaus und schauten ins Landesinnere, also genau auf die Landstraße. Die Sonne schien zwar wieder mal extrem, aber wir saßen im Schatten und konnten uns eine frische Brise um die Nase wehen lassen. Das weckte in mir die Lebensgeister, dazu trank ich zugegebenermaßen eine Cola, Hotte war mit Wasser unterwegs.
Hier aß ich zum ersten Mal diese typisch spanische Spezialität, die wir alle kennen: Serrano Schinken mit Wassermelone. Natürlich eingewickelt, will sagen: Der Schinken um ein Stück eiskalte Wassermelone gewickelt. Ich glaube mich zu erinnern, dass in der Melone keine Kerne mehr drin waren. Der Schinken schmeckte anders als der Abgepackte, den wir hier landläufig so verspachteln. Ein Gedicht, das Ganze.
Anschließend fuhren wir weiter nach Las Palmas, der Hauptstadt der Insel und machten dort einen Stadtrundgang. Mir sind noch die hohen, weiß getünchten Häuser der Innenstadt in Erinnerung geblieben. Am Hafen kannte sich Hotte, der alte Schlingel, natürlich bestens aus. Auf seinen vielen Geschäftsreisen lernte er natürlich auch die touristisch weniger bekannten Seiten von Las Palmas kennen, oder wie Bender sagen würde: Blackjack und Nutten.
Am Kai des Hafens sahen wir ein total verrostetes russisches Handelsschiff. Auf so einen Kahn würde ich meinen Fuß nicht setzen wollen, mir fielen bei dem Anblick auch sämtliche billigen Gangsterfilme ein. Eine leicht bekleidete Dame kam uns aus Richtung des Schiffes entgegen und dann an uns vorbei.
Eine Nutte, eindeutig. Hotte wusste zu berichten, dass die Mädchen früher auch schon aufs Schiff bestellt wurden, dort gab es Wodka und eine Menge einsamer Seeleute, fern von der Heimat. Hotte beschrieb das Ganze in der ihm eigenen, abfälligen Sprache. Den genauen Wortlaut habe ich mit den Jahren vergessen.
Hinterher waren wir in einer Kneipe an diesem Hafen, natürlich nicht in der Touristenecke. Ziemlich dunkel war es drinnen und spanisch war die einzig gesprochene Sprache. Ich schaute da nicht so genau hin, aber das Bier schmeckte schon wieder. Ich musste ja nicht fahren, Hotte war an diesen zwei Tagen wirklich vorbildlich.
Auch hierzu wusste er die eine oder andere Räuberpistole zu berichten. An diesem Ort hatte er wohl viele „Nutten“ aufgerissen. Und mit den Seefahrern gesoffen und gezockt. Wirklich wohl fühlte ich mich in der aggressiven Atmosphäre sicherlich nicht, da ich nicht ein Wort Spanisch beherrschte. Aber dank eines weiteren Bieres ließ es sich gut aushalten.
Irgendwann später waren wir wieder zurück im Balkon und Hotte konnte sich nun wieder dem wesentlichen widmen. Wodka Lemon, das war unser Drink in diesem Urlaub, bevorzugt in der Happy Hour. So beendeten wir diesen Tag, ich weiß nicht mehr, wo überall wir gesoffen hatten, aber in diesem Urlaub waren alle Abende heftig.
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