Montag, 23. März 2020
Hartmudo: Mutter
56
Nach diesem langen Donnerstag war ich abends wie üblich kurz nach 19.00 Uhr zuhause. Und an diesem Abend war unsere Hütte voll, denn meine Löwin war von 4 Kerlen umgeben, die unsere Wohnung anlässlich der Kassenprüfung der Vereinskasse geentert hatten. Und meine Löwin ist schließlich Kassiererin beim Angelverein.
Ich hatte die Jacke noch nicht ausgezogen, da kam meine Löwin auch schon angeschossen und sagte mir, dass ich Berta sofort anrufen sollte. Berta war wohl wegen Sunny total aufgelöst und mit den Nerven runter. Da schwante mir Übles; noch mit angezogener Jacke, aber mit Addiletten an den Füßen, ging ich als erstes an unseren Kühlschrank. Aus der Samsung Stand-Alone Kühl/Gefrierkombination holte ich mir auf den Schreck ein kaltes Wolters raus. Gleich würde ich wieder eine von Sunnys Überraschungen erleben.
Mit der Pulle in der Hand begrüßte ich gleich darauf Angel-Arnd, Präsident des Angelvereins, und die versammelten Kassenprüfer. Dann schnell noch ein paar Worte und ein Schwätzchen mit Angel-Arnd. Ganz wichtig hierbei war das Anstoßen der Flaschen... Jetzt war ich bereit für Berta und schnappte mir das Telefon. Ich ging in mein Zimmer, schnaufte noch einmal tief durch und rief meine Sestra an. Was hatte Sunny diesmal bloß angestellt?
Sie hatte Mutters Konto bei der Nord/LB sperren lassen! Berta war fix und fertig und weinte ins Telefon. Ihre Stimme überschlug sich beim Reden, sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Nur mühsam konnte ich Bertas Redefluss bremsen, damit sie sich etwas beruhigte und mir den ganzen Vorfall der Reihe nach schildern konnte. Derart aufgelöst hatte ich meine Sestra bis dahin noch nicht einmal erlebt, als es Bud sehr schlecht ging.
Nachdem Berta und ich am Vormittag miteinander gesprochen hatten, war Berta wohl gleich in den Heidberg zur Bank gefahren, um einen Kontoauszug zu holen. Ihre Überraschung war grenzenlos, als Frau Peters von der Bank ihr erklärte, dass sie keine Kontoauszüge bekommen könnte, weil Sunny das Konto dicht gemacht hatte.
Sunny war offensichtlich selber in den Heidberg gefahren, um einen Kontoauszug zu holen. Sie wollte ja Gewissheit wegen der Überweisung des Betrages vom aufgelösten Konto des Bankhauses Löbbecke haben. Logischerweise erhielt sie keinen Kontoauszug, weil allein Berta die Kontovollmacht von Mutter übertragen bekommen hatte.
Da sie sich aber ausweisen konnte und wohl auch einen Nachweis wie das Testament dabei hatte, legte sie quasi ein „Veto" gegen die Kontovollmacht von Berta ein. Ich hätte nie gedacht, das so etwas möglich ist, doch man lernt bekanntlich nie aus. Frau Peters blieb anscheinend nichts anderes übrig, als das Konto dicht zu machen.
Das hatte zur Folge, dass wir von der Bank nur gemeinsam Kontoauszüge erhalten könnten. Als erstes wurden dann übrigens aktuelle Kontoauszüge an uns Drei nach Hause geschickt. Daher hatten wir ein paar Tage später dann doch die Auszüge, insofern eine bescheuerte Aktion von Sunny. Doch es ging ihr ja nicht um die beschissenen Auszüge.
Sie hatte Angst, dass Berta das Geld abheben könnte und sie selbst leer ausgehen würde. Auf diese Vermutung kamen Berta und ich als erstes, ist ja auch naheliegend. Wobei diese Befürchtung von Sunny natürlich der absolute Blödsinn war, denn sie hätte zumindest nachträglich auf alle Fälle die Kontoauszüge sehen können, da wäre irgendwelcher Schmu eh herausgekommen. Ein guter Anwalt (auch ein schlechter) hätte Berta später durch den Gerichtssaal treiben können, da gibt es kein Vertun.
Berta argwöhnte dazu zum wiederholten Male, dass Sunny die Kontosperrung nur veranlasst hatte, um ihr persönlich eins auszuwischen. Ich konnte Berta gerade noch stoppen, bevor sie wieder mit den Kindheitserinnerungen aus den 50ern anfing. Wiederholt stellte sie fest, das es Sunny eine tierische Freude bereiten würde, Berta richtig zu quälen und zum Weinen zu bringen. Was da alles in der Kindheit auch passiert sein mochte, konnte ich mir sicherlich später, also in zwei oder drei Jahren, anhören. Aber nicht an jenem Donnerstag Abend, nicht im Zusammenhang mit Mutters Tod.
Schnell zog ich mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank, das Gespräch mit Berta würde garantiert länger dauern als 5 Minuten. Berta kam jetzt richtig in Fahrt. Ihre anfänglich depressive wie weinerliche Stimmung wich einem grimmigen, entschlossenen Knurren. Bertas Kampfgeist war erwacht, so will ich meine Sestra sehen! Fight them Back!
Wie sich herausstellte, hätte Berta ab der Sperre nur mit Sunny zusammen Auszüge holen können. Da ich nicht widersprochen hatte, wäre meine Anwesenheit offenbar nicht erforderlich gewesen. Ich weiß nicht mehr, welches Schimpfwort Berta für ihre Sestra benutzt hatte, aber auf alle Fälle würde sie einen „Teufel tun", bevor sie in den Heidberg fährt, um mit Sunny alleine dort zu stehen und ihre „Visage" sehen zu müssen. Dann könnte Berta „für nichts garantieren".
Doch es ging eben nicht nur um die Kontoauszüge; auch die Kontobewegungen wie noch zu leistende Zahlungen oder gar Abhebungen von Mutters Konto waren dank der Sperrung nur möglich, wenn beide dort zusammen auflaufen würden. Und diesbezüglich wurde Berta richtig griffig, indem sie meinte, das sie erst zum Geldabheben bereit wäre, wenn alle Rechnungen bezahlt seien. Als da wären z.B. die Einkommenssteuer oder die Rechnung für den Makler. „Ums Verrecken nicht" oder auch „Da kann sie warten, bis sie schwarz wird!" waren Bertas wörtliche Formulierungen.
Mit der Sperrung hatte sich offenbar Sunnys Bitte auf vorzeitige Auszahlung eines Teilbetrages vom Konto erübrigt. Der Graben zwischen ihr und Berta war unüberbrückbar geworden. Berta verstieg sich noch in die Vermutung, dass Sunny das Konto bereits vor ihrem Anruf bei mir auf der Arbeit am späten Vormittag des Vortages dicht gemacht hatte. Das wollte ich nicht so stehen lassen, obwohl ich da jegliche Vorsicht außer Acht gelassen hatte. Allein wegen der übertriebenen Freundlichkeit von Sunny am Telefon hätte ich hellhörig werden müssen.
Ein derart krankes Denken und vor allem Handeln konnte ich mir an jenem Abend von Sunny immer noch nicht vorstellen; ich wollte es schlichtweg auch nicht. Mit dem dritten Wolters in der Hand versuchte ich Berta zu überzeugen, dass Sunny erst aufgrund meiner Informationen aus dem gemeinsamen Gespräch gehandelt hatte. Sunny war nämlich äußerst genervt gewesen, dass Berta „mal wieder nichts gemacht" hatte. Berta konnte ich jedoch nicht von ihrer Meinung abbringen und eigentlich war es ja auch egal. Das Konto war dicht und gut ist.
Wenn ich diese Telefonate der beiden Tage wegen der Kontosperrung soeben beim Schreiben dieser Zeilen Revue passieren lassen, fällt mir noch etwas dazu ein, an das selbst Berta seinerzeit nicht gedacht hatte. Das ich nicht eher darauf gekommen bin, wundert mich einerseits, andererseits war es eben auch egal gewesen, mir zumindest.
Kann es nicht so gewesen sein, dass Sunny nicht wegen der Kontoauszüge in den Heidberg gefahren war, egal ob vor dem Gespräch mit mir oder danach, sondern wegen einer Abhebung des Geldes? Nicht alles natürlich, das glaube ich trotz allem nicht, aber „ihren" Anteil wollte sie doch schon haben. Darauf hatte sie mich beim Telefonat explizit angesprochen. So ein geldgieriges Luder.
Und da sie weder Geld noch Auszüge erhalten hatte, machte sie gleich das Konto dicht. Eigentlich hätte die dumme Kuh einfach nur vorher mit Berta zu sprechen brauchen, dann hätte es keine Probleme gegeben. In einer normalen Familie jedenfalls, nicht jedoch bei uns. Und ich dachte im Frühling noch, dass wir Geschwister uns bei der Sorge um unsere Mutter endlich wieder näher kommen würden. Ich Schaf!
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