Der Leuchtturm von La Corbiere wurde vor 150 Jahren auf einer kleinen, der Küstenlinie vorgelagerten Gezeiteninsel errichtet. An diesem südwestlichen Zipfel der Insel Jersey sind extreme Schwankungen der Tiden an der Tagesordnung. Für die Seefahrt Mitte des 19. Jahrhunderts ergaben sich an dieser Stelle tückische Seeverhältnisse, so dass hier so einige Schiffswracks aus jener Zeit liegen. Zuletzt 1995 lief hier ein französischer Katamaran auf Grund. Zum Glück konnten von der St. Malo dank des beherzten Einsatzes der Küstenwacht alle Passagiere gerettet werden. Ein Denkmal an der Küste erinnert an dieses Ereignis.
La Corbiere bedeutet eigentlich „ein Platz, wo Krähen nisten.“ Die karge Landschaft, wo auf den Hügeln lediglich Moose und Flechten wachsen, hat aber selbst die Krähen vertrieben. Statt ihrer tummeln sich an diesem schönen Platz Massen an Seemöwen. Und das nicht zu knapp.
der Leuchtturm |
Als wir oben auf dem Hügel standen, uns die herbstliche Sonne ins Gesicht schien und der Wind um die Ohren blies, spürten wir endlich wieder, was Wetter eigentlich ausmacht. Der Blick aufs Meer oder an der Küstenlinie entlang zeigte uns eine weitgehend unbebaute Natur, deren wenige Häuser auf den umliegenden Hügeln wohl eher nicht vom Ackerbau zeugen. Aber wir sahen auch keine weidenden Tiere, für die Betreibung einer Viehzucht fehlt es an der Südküste dann wohl an Mutterboden und damit am Gras.
Langsam arbeiteten wir uns über das weiche Moos in Richtung des Leuchtturms vor. Dabei marschierten wir erst einmal mehr auf die linke Seite der Küstenlinie zu. Einen Aussichtspunkt an der Seite der Straße beachteten wir nicht. Wir gingen gleich weiter in die von den Gezeiten angenagten Felsen hinein. Unterhalb dieser Felsen brandete die Gischt mit lautem Rauschen an dem Gestein. Die vielen kleinen Riffe vor der Küstenlinie brachen die Wellen auf; dass hier in der Vergangenheit die Schifffahrt nicht einfach war, leuchtete uns unwillkürlich ein.
Auf einer schönen alten Holzbank ließen wir uns kurz nieder und blickten eine Zeit lang auf den Atlantik hinaus; ist doch irgendwie anders als an der Ostsee. Die Sonne tauchte ab und an aus den Wolken auf und warf lange Schatten auf die Felsen. Ein wunderbarer Anblick, aber wir wollten uns doch noch zum Turm vorarbeiten, den wir von der Bank aus auf einem Felsen am Ende einer schmalen Landzunge verorten konnten.
Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer alten Bunkeranlage vorbei. Diese war ein Teil des von Hitler errichteten Atlantikwalls, der die Wehrmacht vor einer Invasion der Alliierten schützen sollte. Bekanntlich kam es anders; die Alliierten landeten in der Normandie und ließen die Kanalinseln außen vor. So kam es, dass die von den Deutschen seit 1940 besetzten Inseln erst einen Tag nach der Kapitulation, also am 9. Mai 1945, aufgegeben wurden. Noch heute feiern die Kanalbewohner den „Liberation Day“ alljährlich an diesem Tag.
Zwangsarbeitern aus ganz Europa bauten die Insel für die deutschen Besatzer mit Bunkern, Wallanlagen und Kasematten zur uneinnehmbaren Festung aus, 12.000 deutsche Soldaten sollten einen erwarteten Angriff der Engländer und Amerikaner stoppen, doch diese konzentrierten ihre Bemühungen wohlweislich auf die Normandie 1944 und ließen die Kanalinseln in Ruhe, da diese abseits lagen und somit nicht kriegsentscheidend waren. Die Inseln blieben aus diesem Grund auch von Bombardierungen durch die Royal Air Force verschont. Nicht verschont leider wurden die Zwangsarbeiter und ca. 2000 Inselbewohner, die ins KZ nach Deutschland verschleppt wurden. Volle 5 Jahre mussten die Inselbewohner außerdem noch erdulden, dass die Besatzer den Rechtsverkehr einführten, dann war der Spuk vorbei. Die Deutschen ergaben sich kampflos, einen Tag nach Kriegsende.
Die Bunkeranlagen, insbesondere ein eingerichtetes Krankenhaus für verwundete Soldaten, welches nie benötigt wurde, sind heute eine touristische Attraktion und auch hier bei La Corbiere zu besichtigen, allerdings nicht zu der Zeit, an dem wir die Insel besuchten. So blieb mir die aufgetürmte Schutzmauer aus mittlerweile versteinerten Sandsäcken am besten in Erinnerung.
Die Inneneinrichtung dieser Betonbunker ließ sich zwar nur erahnen, aber ausgehängte Pläne über die Anordnung dieses verzweigten Systems von Bunkern und Wällen zeigten eine voll durchdachte und lückenlose Absicherung dieses Zipfels von Jersey. Doch warum die deutschen Befehlshaber damals glaubten, dass die Alliierten ausgerechnet an dieser Stelle landen würden, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.
beim Bunker |
Auf dem Dach eines Bunkers haben die Tommys noch eine Parkbank hingestellt. Auf ihr sitzend, konnten wir zusätzlich noch den weiteren Verlauf der Küstenlinie einsehen. Nun war es aber Zeit, zum Leuchtturm zu gehen, wenn wir noch unseren Bus kriegen wollten. Denn zwei Stunden an diesem Flecken sollten genug sein; eine weitere Stunde wäre etwas zu viel des Guten gewesen.
Vom Bunker aus konnten wir noch ein Gehöft vor der Landzunge erkennen. Wie es wohl so sein mag, einerseits einsam und abgelegen zu leben und andererseits dauernd die Touristen am Haus vorbei latschen zu sehen? Und genau vor der Landzunge stand noch ein letzter vorgeschobener Bunker. Sollte der mal die Landzunge bewachen?
Wir gingen los. Am Haus vorbei – die Besitzer hatten ein Schild aufgestellt mit der Bitte, das Grundstück nicht zu betreten. Der große Bunker wirkte zwar imposant, aber Informationen über Sinn und Zweck dieser Monströsität waren nicht zu bekommen.
Rau pfiff uns der Wind um die Ohren, als wir den betonierten Gehweg zum Leuchtturm betraten. In dieser unwirtlichen Landschaft liefen wir quasi mitten in den Atlantik hinein, denn links wie rechts kam nach wenigen Metern die Wasserlinie. Der Weg bestand nicht aus Holzplanken, wie so häufig an der Ostsee zu beobachten. Nein, das Material heißt Waschbeton. Das ist auch wirklich angebracht, denn allein auf dem kurzen Weg in Richtung des Leuchtturms schlug das Wetter seine Kapriolen.
Vielleicht 20 – 25 Minuten lang hielten wir uns auf diesem Weg auf, während wir zum Einen den tiefblauen Himmel mit weißen Wolken bewunderten und zum Anderen unsere Kapuzen hochziehen mussten, weil sich eine dunkelgraue Wolkendecke nebst einigen Regentropfen darunter schob. So war es mal schön hell und dann leider gruselig düster, aber der Wind blies uns immer frisch um die Nase. Das Wasser klatschte dazu lautstark an die Klippen. In dieser zerfurchten Mondlandschaft wuchs garantiert nichts; einige Möwen verirrten sich höchstens auf der Suche nach Nahrung in den versandeten Zwischenräumen inmitten der Felslandschaft.
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