Nach ca. 4 Wochen mußte ich aber
turnusmäßig in eine andere Abteilung des Jugendamts wechseln. Dort
war reine Sozialarbeit angesagt. Was die allerdings gemacht hatten,
weiß ich nicht mehr und hatte ich eigentlich auch damals nicht
wirklich mitgekriegt, denn ich stellte mich gleich am ersten Tag dort
richtig vor:
Am Abend vor jenem Tag hatten wir
nämlich eine schöne Dokorunde zusammen. Wir spielten bei Ulli im
Cyriaksring, dessen 40qm großes Wohnzimmer war da ideal. Einen
Billardtisch gab es ja auch noch in der Wohnung. Außerdem gab es zu
jener Zeit ganz neu 0,5 Liter Dosen von Budweiser oder Pilsener
Urquell bei Penny. Zum Doko also jeweils eine Palette von beiden –
ich trank das Budweiser mit der schönen roten Schrift auf weißer
Dose. Leckeres Bier, ein bißchen stärker eingebraut halt.
Wir waren hellauf begeistert von den
natürlich gut gekühlten Dosen, so dass die Stimmung sehr gut war.
20 Pfennig pro Punkt und einige Raketen taten ihr Übriges, um den
Abend als gelungen bezeichnen zu können. So zwischen zwei und drei
Uhr wackelte ich dann nach Hause, schließlich wohnte ich direkt um
die Ecke.
Am „nächsten“ Morgen – so nach
ca. 2-3 Stunden erholsamen Schlaf – ging ich daraufhin zum
Jugendamt zu Fuß. Ich ging immer zu Fuß dorthin, aber an jenem Tag
war es dann doch etwas Besonderes: Erstens schlurfte ich mehr
schlecht als recht und zweitens sollte ich ab diesem Morgen in einer
anderen Abteilung hospitieren. Dort, wo richtige Sozialarbeit
verrichtet wird. Aber was genau, wie gesagt…. Ich weiß es nicht
mehr.
Jedenfalls zündete ich mir auf halbem
Weg vorsichtshalber erstmal eine Rakete an. Kurz vor dem Jugendamt
waren die 3 Stufen ausgebrannt und auf einmal fiel mir ein: Was habe
ich da gemacht? Ich hatte doch noch nie – auch nicht in der
Ausbildung – nach dem Aufstehen vor einem Arbeitsbeginn eine Rakete
gezündet.
Auch ansonsten fühlte ich mich wie in
Watte eingepackt. Sämtliche Geräusche schienen aus größerer
Entfernung zu kommen und schnelle Bewegungen waren so gar nichts für
mich. Ich ging „schnell“ ins Jugendamt zur neuen Abteilung; Dort
dann zuallererst auf die Toilette. Ein Blick in den Spiegel
offenbarte mir eine Person, die ich noch nie in meinem Leben zuvor
gesehen hatte.
Ein aufgedunsenes Gesicht mit Wülsten
unter den Augen blickte mich an. Ein knallrotes Gesicht, wohlbemerkt.
Das Budweiser hatte eindeutig seine Spuren hinterlassen. Ich hatte
noch nicht einmal einen Schädel. Alles wirkte einfach nur dumpf.
Mit Todesverachtung stellte ich mich
der neuen Situation. Das heißt, ich stellte mich vor. Bei den
Sozialarbeitern mit den Gesichtspullovern und Filzlatschen. Sie
hatten auch gleich eine Besprechung an dem Morgen, der ich beiwohnen
durfte. Wobei … Beischlafen trifft es wohl eher, denn ich konnte
dem Ganzen nicht so recht folgen und schlief mit offenen Augen.
Hierauf war ich noch jahrelang später
stolz wie Bolle. Heute weiß ich: Offene Augen? Wohl eher permanente
Schübe von Sekundenschlaf.
Dies blieb den Sozialarbeitern
natürlich nicht verborgen. Sicherlich waren sie zu cool, um mich
direkt darauf anzusprechen. Aber außer dem Eintüten von
Stundenplankartons für die einzelnen Schulen (immer 50 Stundenpläne
in einen großen Umschlag pro Schule) gaben sie mir nichts zu tun und
beteiligten mich auch nicht an ihrem Tun. Maximal für 5 Schulen pro
Tag übrigens, denn mehr konnte der Postbote nicht schleppen.
Die ganzen 2 Wochen lang war das quasi
meine einzige Aufgabe. Ich hatte dann noch nicht mal Sachbearbeitung
von der Heimunterbringung zu erledigen, weil die ältere
Sachbearbeiterin zu dem Zeitpunkt noch gesund war. Und selbst als ich
die Stundenpläne einzeln in den Umschlag packte, war ich nach ner
Stunde fertig.
Konsequenterweise führte das zu
ausgiebigen Mittagspausen meinerseits, die ich zum Billardspielen mit
Ulli oder einem Besuch bei Gabi oder Salzmann nutzte.
Wie schon gesagt, kommuniziert wurde
von den Sozialarbeitern nichts. Die eitlen Fatzkes hatten mich
einfach ignoriert. Falls sie sich daran gestoßen haben sollten, dass
ich am ersten Tag wie ein Heckenpenner dort auflief, haben sie es mir
nicht verraten. Aber sonst immer von offener Sozialarbeit labern! Für
mich ein weiteres negatives Erlebnis mit dieser Berufsgruppe.
Ich selbst fuhr ja auch während des
Praktikums abends weiterhin meine Schichten bei City Car, wenn auch
nicht mehr wie sonst die Nächte durch. Dadurch hatte ich auch
weniger Geld und war dementsprechend gut drauf.
Denn während meine Mitkommilitonen
zerknirscht waren, das sie in den Semesterferien wegen des Praktikums
nur eine Woche in den Urlaub fahren konnten, durfte ich mich abends
auf den Bock setzen, um wenigstens die Miete und den Kühlschrank
einzufahren. Und das Geld für die Woche Urlaub danach …
Umso größer war dann natürlich meine
Freude, als ich dann von den Sozialfuzzis wegkam und wieder
zurückkonnte in meine „alte“ Abteilung, um den Laden dort nicht
ganz absaufen zu lassen.
Und als krönender Abschluß noch die
Eskalation mit der Stoffregen. Wunderbar. Die Stadtverwaltung hatte
in mir über mehrere Wochen eine billige Arbeitskraft, aber ich war
das Arschloch. Diese Art von Doppelmoral hatte mich fortan jahrelang
von einer Tätigkeit in der Verwaltung abgehalten.
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