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Am Dienstag stand dann Doras Geburtstag
an. Dank ausgiebigen Biergenusses nebst ausgegebenen
Wodka-Waldmeister vom Wirt vom „hohen Tore“ hatte ich in der
Nacht gut durchgeschlafen. Ein Kaffee morgens beim Bäcker zum
Einkaufen und die Kopfschmerzen waren erträglich.
Mutter war übrigens auch eingeladen.
Dora mochte Mutter und Walter ja sehr gern, da hatte sie Mitgefühl
und wollte Mutter auch was Gutes tun. Also holten wir Mutter ab und
fuhren nach Salzgitter zu Dora.
Jetzt, wo ich dies niederschreibe, weiß
ich nicht mehr, wann Mutter mir etwas interessantes auf den
Anrufbeantworter sprach. Es war entweder Montag abend nach dem Besuch
bei ihr zuhause oder eben anm Abend nach Doras Geburtstag.
Ganz leise sprach sie davon, die
Beerdigungskosten nach und nach – also in Raten – abzustottern.
Ich erwähne dies, weil es in jener entscheidenden Woche das einzige
Mal war, wo Mutter eine Bezahlung der Beerdigungskosten zumindest
ansatzweise anbot.
Jedenfalls saßen wir dann bei Dora zum
Kaffee zusammen. Auf der Hinfahrt erwähnte Mutter nochmals, das sie
von dem Testament nichts wußte. Hatte sie etwa alles verdrängt?
Es war so richtig heiß und stickig an
diesem Tag. Mir ging es körperlich nicht so gut. An den Gesprächen
konnte ich mich ungewohnterweise nicht beteiligen. Irgendwann stand
ich auf und ging in den vorderen Garten, um allein zu sein. Und zu
grübeln.
Ich verstand es nicht. Ich hatte über
3000 € Schulden, für die ich nichts konnte, vor der Backe und
Mutter war sao ruhig und ausgeglichen, als ob nichts passiert wäre.
Warum hatte Walter 13 Jahre lang nichts gesagt? Wie konnte er Mutter
und uns so im Regen stehen lassen? Für die Rechnung muß ich nen
Kredit aufnehmen. Bringt es etwas, wenn wir das Testament anfechten?
Schließlich war Walters Wille eindeutig und seine Frau schon fast 20
Jahre tot.
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde wollte
ich ja auch noch schreiben. Und all das in meinem Sommerurlaub, der
mit eineinhalb Wochen nun wirklich kurz genug ist. Über eine halbe
Stunde ergab ich mich dem Selbstmitleid, dann ging ich zurück zu den
Anderen.
„Entnahme“ des Rechnungsbetrages
aus dem Kautionsguthaben sollte doch die Lösung sein. Mal sehen, was
die Anwältin dazu sagt. Abends zuhause fing ich an, im Netz zu
recherchieren. Schließlich ließ mir die Angelegenheit doch keine
Ruhe. Und ich wurde immer nervöser. Das ursprüngliche „Berliner
Testament“ zugunsten der entfernten Verwandten schien doch noch
gültig zu sein. Darüberhinaus hatte Walter beim Notar anläßlich
des Testaments von 2000 zugunsten von Mutter gelogen. Ein
vorhergehendes gemeinsames Testament würde nicht existieren. So
steht es im zweiten Paragraphen des 2000er Testaments.
Und das stimmte nicht. Walter hatte das
gemeinsame Testament sogar beim Amtsgericht hinterlegt! Was umtrieb
diesen Menschen 13 Jahre lang, die Entnahme des 2000er Testaments zu
verschweigen? Hatte er Angst, das sich niemand um seine Beerdigung
kümmern würde? Oder glaubte er tatsächlich, ich hätte ihn nicht
mehr lieb, wenn ich nicht 11 Krügerrand nach seinem Tod bekommen
würde?
Wie eingangs erwähnt: Zusammen im
Urlaub. Monatlich lieferte ich ihm Bier ins Heim. Er bezahlte immer
exakt und das war in Ordnung. Manchmal gab es „Trinkgeld“ von
Mutter. Mutter bezahlte auch meist die gemeinsamen Essen. Walter nie.
Walter war in die Familie integriert.
Mutter und er wurden immer von uns abgeholt, wenn es was zu feiern
gab und beide in Braunschweig waren. Denn häufig waren sie auf
Reisen. Dafür wurden sie noch von meiner Löwin und mir bewundert.
Nicht beneidet, das nun wirklich nicht.
Ich hatte also
eine unruhige Nacht und irgendwie die Befürchtung, das das
Gespräch am Donnerstag mit der Anwältin auch nicht alles auflöst.
Die Recherche im Netz war demnach nicht sehr ermutigend.
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