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In einer großen Schale lächelten mich die Hühnerfleischstücke in einer hellbraunen Soße an - doch wo waren die Pommes? Nein, die wurden nicht nachgeliefert, weil sie sich unter dem Hühnerfleisch und der Soße befanden. Will sagen: Diese waren total matschig, so dass ich den Großteil der Pommes unverrichteter Dinge liegen lassen musste und nur das Fleisch richtig genießen konnte.
Erwähnenswert ist da noch der Salat, der trotz des vielen Blattsalats schön angerichtet war und dank Essig/Öl Dressings sehr gut mundete. Nach dem Essen steuerten wir noch einen großen Supermarkt der Kette Albert Hejn (direkt gegenüber vom Centraal) an, um Getränke für die Nacht zu besorgen.
Wie nicht anders zu erwarten war, konnte sich meine Löwin hier mit Schoki, Marzipan und einem wohl legendären braunen Zucker, dessen Name mir entfallen ist, eindecken. Viel blieb nicht mehr übrig von diesem Tag. Wir schlichen noch ein wenig und unmotiviert durch die zunehmend lebloser wirkende Fußgängerzone (das Diamantenviertel sahen wir nur aus sicherem Abstand) und waren nach einem kurzem Fußmarsch - auch an den Prolls nahe des Hotels vorbei - in unserem Appartement angekommen.
Hier ließen wir den Abend gemütlich bei zwei bis drei Partien "Take Five" ausklingen, ehe wir uns zur Ruhe begaben. Ich löste das Problem mit dem Licht und der Steckdose, indem ich auf das Licht verzichtete und mir statt der Lektüre meines Buches eine Folge "Kobra übernehmen sie" auf dem Tablet gönnte.
Die ersten Folgen dieser Serie aus den 60ern, die als Mission Impossible (Originaltitel) damals und seit einigen Jahren als Blockbuster dank Tom Cruise große Erfolge feiern konnte, hatte ich auf das Tablet kopiert und startete an diesem Abend mit der ersten Folge. Diese gefiel mir richtig gut, so dass ich das übliche Lesen nicht vermisste.
Denn das Buch, dass ich extra in diesem Urlaub anfangen wollte, ist nicht wirklich der Pageturner. "Lost Levels" von Oliver Uschmann ist zwar immer noch besser als die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling, nervt aber durch die oberschülerartige Weltsicht des Ich-Erzählers.
Nach dem Genuss des Filmes stülpte ich meine Maske über und trat in das Reich der Träume ein.
Samstag, 20. April.
Passend zu diesem historischen Datum hatte ich nach einer unruhigen Nacht, in der mich beide Hüften gequält hatten, meinen Astralkörper mühsam aus dem Bett gehoben und meine müden Knochen unter die heiße Dusche gestellt. Meine Löwin schlief noch, so dass ich hinterher bereits mit dem Packen meiner Sachen fertig gewesen war, als meine Löwin wach wurde.
Sehnsüchtig begaben wir uns noch einmal auf die große Terrasse, die wir bei dem launigen Wetter am Vortag gar nicht nutzen konnten. Und auch am heutigen Samstag hingen dunkle Wolken am Himmel und bedeuteten uns, doch gefälligst Regenklamotten anzuziehen. Schade, da mussten wir klein beigeben.
Am wunderbaren Esstisch sitzend, daddelte ich noch kurze Zeit auf meinem Smartphone rum, bis wir das Appartemente endgültig verließen und zum nächsten Ziel aufbrachen. Das war an diesem Morgen noch nicht Ostende, sondern der Hafen von Antwerpen.
Wenigstens mit dem Auto wollten wir dort noch einmal vorbeischauen, ehe wir uns auf den Weg zur Atlantikküste begeben würden. Tatsächlich erreichten wir das Hafengelände dank Google Maps nach einer Viertelstunde. Und durften dann mehrere Minuten vor einer Zugbrücke verharren, unter der gerade ein Frachtschiff hindurch eilte.
Kurz danach parkten wir den Wagen in einer Seitenstraße, nicht weit entfernt von dem Büro einer Linie, welche Hafenrundfahrten anbietet. Der Hafen Antwerpens mit dem neu hinzugenommenen Hafen von Zeebrügge ist, gemessen am Ladungsaufkommen in Tonnen, der zweitgrößte Hafen Europas.
Wie auch in anderen großen Städten sind nicht mehr genutzte Speicher und andere Gebäude in einen Bürokomplex umgestaltet worden. Das wirkte sich an diesem Samstag - auch in Belgien für Bürohengste arbeitsfrei - auf das Bild an den Kais aus. Diese waren kurz vor 9.00 Uhr menschenleer, nur der eine oder andere Jogger verlief sich im Bild.
Da es aktuell auch noch keinen Betrieb an Fähren oder Rundfahrten gab - die Saison startet hier am 1. Mai, gab es für uns auch nicht viel zu entdecken. Uns blieb lediglich die Wahl, noch ein wenig durch die Gegend herumzulaufen, bis wir endlich in der Lobby eines edlen Hotels - das U Eat & Sleep Antwerpen - unseren morgendlichen Caffee Latte genießen konnten.
Der überaus freundliche Kellner erhielt von uns selbstverständlich ein Trinkgeld, obwohl sein sperrangelweit offener Hosenstall die B-Note versaute. Das war nun der Abschluss in Antwerpen: eine offene Hose.
Bevor wir auf die Autobahn nach Ostende einbogen, tankten wir vorsichtshalber noch an einer Total. Anders als in Deutschland musste ich zuerst meine Kreditkarte an der Kasse vorzeigen und die ungefähre Menge an benötigtem Treibstoff ansagen, ehe die Mitarbeiterin der Tanke die Zapfsäule freigab. Aber wenigstens das hatte geklappt, jetzt konnten wir ohne Bedenken gen Küste cruisen.
Wieder dauerte es eineinhalb Stunden, bis wir das Ziel unserer heutigen Tagesetappe erreicht hatten: Ostende. Und schon bei der "Einfahrt" in dieses Seebad am Ärmelkanal gewann ich den Eindruck, dass es sich hier um ein touristisch gut erschlossenes Städtchen handeln musste.
Dieser Ort, fast so groß wie Wolfenbüttel, hatte sogar eine Straßenbahnanbindung nach Brügge zu bieten. Ansonsten bestach Ostende als eines der bekanntesten Seebäder der Atlantikküste durch eine optimierte Raumaufteilung.
Der schöne wie breite, vor allem saubere Strand wird von einer extrem breiten Strandpromenade umschmeichelt, dahinter befinden sich überwiegend mehrstöckige Hotels, um möglichst viele Zimmer mit Meerblick anbieten zu können. Wir reden da über eine durchgehende Bebauung über ein paar Kilometer.
Alle Hotels sind über kleine Stichstraßen zu erreichen; Parallel zur Strandpromenade verläuft nämlich auch eine durchgehende Hauptstraße. Das Ganze wirkt also äußerst durchdacht. Eine Eigenschaft, die man klassischerweise uns Deutschen zuschreibt, aber das ist ja eine andere Geschichte.
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