Schon zu Beginn dieser Kolumne wollte ich gerne nach Harxbüttel radeln, heute war es endlich so weit. Während meine Löwin zu ihrem Job im Corona Testcenter fuhr, ging ich in den Keller und pumpte mein Rad mit dem Kompressor auf.Bereits am Vorabend hatte ich mir die heutige Tour angeschaut und war voller Vorfreude. Auch das Wetter meinte es gut mit mir. Ein blauer, wolkenloser Himmel erwartete mich, als ich auf die Straße fuhr. Der zeitweise wehende Wind war zwar noch etwas frisch, aber meine Holzfällerjacke und das entsprechende Hemd darunter hielten mich warm.
Aber das ich mir keine Mütze aufgesetzt hatte, erwies sich als voreilig. Ich schaffte es erst hinter der Celler Straße, meinen Beanie auf den Kopf zu platzieren. Ich strampelte mich den altbekannten Weg über den Ölper See, den Schwarzen Berg in Richtung Hansestraße ab. Dabei freute ich mich schon auf die Wolters Dose, die ich mir gleich holen würde.
An der Hansestraße angekommen, orientierte ich mich nicht über die Gifhorner Straße nach Wenden, sondern wollte meinen Körper über die Veltenhöfer Straße dorthin bewegen. Und natürlich verhedderte ich mich hierbei im dortigen Industriegebiet. Ich erwischte keinen Durchbruch nach Wenden und musste unverrichteter Dinge zur Hansestraße zurück.
Diese riesige, zubetonierte Fläche... Das meiste davon liegt brach, hier könnte man locker ganze Batterien von Solarpaneelen aufstellen, um die Abhängigkeit vom russischen Gas oder anderen fossilen Energieträgern zu mildern. Stattdessen werden wahrscheinlich weitere Ackerflächen und Waldgebiete dazu benutzt, um dort Windräder oder eben Solarpaneele aufzustellen.
Nahkauf - und doch so fern |
Der dadurch immer weiter eingeschränkte Lebensraum der Tiere scheint für die Grünen und ihre Wähler keine Rolle zu spielen. Wie ich diese Heuchler hasse! Zum Glück verschwanden diese dunklen Gedanken in dem Moment, als ich - stadtauswärts fahrend - endlich die Veltenhofer Straße erreichte, die Brücke nach Wenden überquert hatte und parallel zur Straßenbahn in Richtung des Schulzentrums fuhr.
Mein erstes Ziel war der Nahkauf kurz vor Thune. Auf diesen Moment hatte ich mich besonders gefreut, denn es war der allererste Besuch eines Nahkaufs für mich. Dies ist auch ein Fetisch von mir: Alle möglichen Supermarktketten zu besuchen.
Freudig erregt betrat ich den Laden und konnte hinterher folgendes Fazit ziehen: Wir haben es hier mit einem Rewe Klon zu tun. Der Laden wirkte auf mich wie aus der Zeit gefallen, ich fühlte mich in die 80er Jahre zurückversetzt. Positiv bleibt anzumerken, dass ich dort zwei gekühlte Halbliter Dosen Wolters erstehen konnte.
Haribo war im Angebot, drei Tüten davon kaufte ich für die morgige Fahrt nach Hamburg mit Dora und Herbert. O.K., eine Tüte davon war für die Bierpause gedacht. "Frösche sind definitiv die Besten" heißt es schon in der Werbung und die sollten mir helfen, eine Unterzuckerung beim Biertrinken zu vermeiden.
Eigentlich wollte ich die Bierpause am Kanal einlegen, entschied mich aber kurzfristig dagegen und radelte Richtung Harxbüttel, meinem eigentlichen Ziel. Auf dem Weg kam ich an vielen schönen Plätzen vorbei, an denen ich gerne die Pause gemacht hätte. Allein... Nirgendwo gab es eine Bank zum Hinsetzen.
Auch in Harxbüttel nicht, denn dieses richtig verschlafene Nest sagte mir: Hier möchte ich nicht begraben sein. Erst am Ortsausgang, auf dem Weg nach Lagesbüttel, fand ich den richtigen Platz. Eine brachliegende Ackerfläche, davor eine Parkbank. Während ich hier meine zwei Wolters trank, kamen einige Passanten mit ihren Hunden beim Gassi Gang vorbei.
Ansonsten blieb es ruhig. Hinter mir Gestrüpp und in einiger Entfernung die Häuser von Harxbüttel mitsamt der Hauptstraße, welche kaum befahren war. Vor mir, sanft ansteigend, die brachliegende Ackerfläche und darüber der klare Himmel.
Es war tatsächlich noch leicht kühl, aber sowie die Sonne richtig durch kam, wurde es richtig warm im Gesicht. Das war schon fast T-Shirt Wetter, oder anders ausgedrückt: Der Frühling fängt dieser Tage endlich an. Ich betrachtete die noch kahlen Sträucher und trank einen um den anderen Schluck meines Bieres.Über mich brach eine selten empfundene Ruhe herein, die mich schon seit längerem verfolgenden Ängste und Sorgen über die Politik und mein persönliches Umfeld fielen von mir ab. Diesen Moment hatte ich gebraucht, deshalb war ich hier in Harxbüttel. Hier, wo der Hund begraben ist, sind solche Dinge bedeutungslos.
Das Gothic Girl mit ihrem mittelgroßen Hund lächelte mich mitleidig an, während sie an meiner Parkbank vorbei ging. Vielleicht blickte sie aber auch sehnsüchtig und hätte selber gern eine Dose Wolters getrunken.
Knapp über eine Stunde verweilte ich hier, pinkelte noch und weiter ging es nach Lagesbüttel. Der einseitig angelegte Radweg befindet sich auf der linken Seite und zieht sich an den Feldern entlang. Schon seitdem ich Thune verlassen hatte, war ich das Gefühl nicht los geworden, mich fern und abseits der gewohnten städtischen Zivilisation zu befinden.
Auch Lagesbüttel erwies sich als ein Ort mit dörflichem Charakter. Linker Hand die Freiwillige Feuerwehr, auf der rechten Seite ein Bauer nach dem Anderen. Mittlerweile befand ich mich in der Gemeinde Schwülper und kürzte ein Stück des Weges ab, indem ich am Rande des Dorfes neben einem Acker in Richtung Walle fuhr.
herrlicher Ausblick |
Spätestens nachdem ich dort unseren Spargelbauern passiert hatte, schlug mir ein eisiger Wind entgegen. Ich wählte einen niedrigeren Gang, quälte mich auf die Brücke über der Autobahn und steuerte Ikea an. Ich war gut drauf ob des bisher zurückgelegten Weges und gönnte mir eine Pause.
Ein Kakao und ein Stück Mandeltarte im Restaurant - Das musste jetzt einfach sein. Im Restaurant packte ich noch drei Gläser Sild ein, dann machte ich mich wieder auf den Weg. Auf dem Weg zu Edeka über die Gifhorner und Hamburger Straße ließ ich die Tour langsam austrudeln. Bei Edeka musste ich noch Katzenfutter einsammeln und begabt mich anschließend auf den Heimweg.
Da hatte ich mich nun über viereinhalb Stunden durch die Gegend bewegt. Alternativ dazu wäre ich wohl vor meinem Rechner versackt und hätte mir düstere Gedanken über Gott und die Welt gemacht. So war es entschieden besser, denn an dem Elend dieser Tage kann ich selbst nichts ändern und vom meinem Mitgefühl wird auch kein Opfer des Krieges in der Ukraine wieder lebendig.
Dir mag das herzlos erscheinen. Ich stimme Dir aber nur dann zu, wenn Du persönlich tief in das Geschehen eingreifst, indem du dort vor Ort hilfst oder hier Flüchtlinge aufnimmst. Von einer reinen Betroffenheit können sich die Menschen dort, egal ob Ukrainer oder Russen, nichts kaufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen