Mittwoch, 2. März 2022

Udorallala: Top Songs 16/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Talking Heads - Road to Nowhere
Dieser Song hat dank meiner Bundeswehrzeit eine prägende Bedeutung für mich. Anlässlich des Überfalls der Ukraine durch russische Truppen muss ich jetzt wieder daran denken. Auslöser hierfür war der Tatort vor 3 Tagen. In einer Szene geht die wunderbare Nina Proll durchs nächtliche München, während im Background „Road to Nowhere“ zu hören ist.
Rückblick: Im Herbst 1985 sass ich mit dem Kanonier und anderen „Kameraden“ im Zug zurück in die Kaserne und wir alle summten diesen Song. Abgekämpft, dreckig und müde kehrten wir nach einer Woche Zelturlaub in Bergen-Hohne in die Kaserne und abends endlich auch nach Hause zurück.
Zwischendurch konnte ich meinen Mitbewohner Pocke noch bitten, für mich die neue Platte der Talking Heads („Little Creatures“) zu besorgen. Andächtig sass ich also mit dem Kanonier und dem Hessen, letzterer ein Bekannter der Rodgau Monotones, in meinem Wohnzimmer und lauschte diesem wunderbaren Song.
„Well, we know where we're goin'
But we don't know where we've been
And we know what we're knowin'
But we can't say what we've seen
And we're not little children
And we know what we want
And the future is certain
Give us time to work it out
We're on a road to nowhere
Come on inside
Takin' that ride to nowhere
We'll take that ride“
Wir alle 3 hatten dieses Gefühl „einer Straße ins Nichts“ verinnerlicht, als wir in Bergen-Hohne in unserer Panzerhaubitze saßen und über die endlos langen Panzerstraßen durch die Hügel des Truppenübungsplatzes fuhren. Wir reden in diesem Fall über durch Druck der Panzerketten entstandene Pfade, deren tiefe Furchen zu Fuß bei Nässe nahezu unpassierbar waren.


Aber dies können nur Leute nachempfinden, die wie wir drei Idioten beim „Barras“ waren. Pocke konnte dies nicht wirklich, mochte aber diesen Song. Vielleicht ist aber auch er jetzt in der Lage, die bedrückende, aber gleichzeitig lebensbejahende Stimmung dieses Songs aufzugreifen. Gerade in dieser Zeit, wo viele schon Angst haben, dass der 3. Weltkrieg ausbricht, können wir alle mehr Demut und Wertschätzung des Lebens bzw. der wirklich wichtigen Dinge brauchen. Ein dringend benötigtes Innehalten auf der fortwährenden Jagd nach noch mehr Kohle.
Das Album „Little Creatures“ der Talking Heads war deren sechstes und weltweit mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichnet, also ihr erfolgreichstes. Das Video zu „Road to Nowhere“ wurde vielfach prämiert, die Single konnte sich im Billboard auf 25 und in Deutschland wie England auf 6 positionieren.
Dank der Unterstützung durch Washboard und Akkordeon erhielt dieser Midtempo-Song seinen besonderen Charme. Zu einem quasi Polkarhythmus singt David Byrne unaufdringlich die eingängige Melodie. Anders als in vielen anderen seiner Songs vermeidet er die vereinzelten schrillen Töne zur Erzeugung von Emotionalität in dem gewöhnlich gut gekühlten Kontext.
Leider rückt dadurch der phantastische Bass einer Tina Weymouth in den Hintergrund, aber den kann man ja getrost in den vielen anderen guten Songs der Band bewundern. Vor allem erwähnt sei da „Psycho Killer“ aus der ersten LP, das wohl beste Stück der Band.
Zweifelsfrei aber waren die Talking Heads mit „Little Creatures“ auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen, zumindest rückten sie als Top Act in den Kreis der „Rockgrößen“ auf. Nicht schlecht für eine der vielen Bands, die einst im CBGB klein angefangen hatte.
„Road to Nowhere“ wurde im September 1985 als Single veröffentlicht. Zu der Zeit waren z.B. in England „Dancing in the Streets“ mit Bowie auf 1, „into the Groove“ mit Madonna auf 3 und „Lavender“ mit Marillion (würg!) auf 23. Und auch sonst war dort dieser eklige 80er Jahre Kleister des FFN Radios vorherrschend.
„Road to Nowhere“ gehört ebenfalls zu diesen 80er Jahre Rocksongs, welche mit der eigentlichen Rockmusik aber nichts mehr zu tun hatten. Zu etabliert und satt waren die Künstler geworden und traten auch schon mal in einer Samstagabend Show auf. Kompromisslose Bands wie die Ramones oder Motorhead waren weder so erfolgreich noch tagtäglich auf MTV zu bewundern. Aber dieser Song der Talking Heads ist zumindest optimal produziert und hat - wie schon erwähnt - für den Kanonier, den Hessen und mich seine besondere Bedeutung.
Vielleicht sogar für Pocke, denn der hatte auch noch das Bier zu diesem „Ausklang“ unseres Truppenübungsplatzaufenthaltes besorgt.

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