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Ich hatte den mir jetzt angereichten Überweisungsträger für uns alle drei flugs ausgefüllt, da kam Sunny von der Seite mit der nächsten Blutgrätsche.
Sie wollte ihren Anteil an dem Verkauf von Mutters Wohnung partout in bar ausgezahlt bekommen. Und selbstverständlich wollte sie Mutters Konto noch an diesem Tage kündigen, weil sie nicht noch einmal wegen der Kündigung
in diese Filiale kommen wollte, da ihr dies nach den Beleidigungen seitens Berta nicht zuzumuten sei. Sie ließ keinen Zweifel an ihrer Unschuld zu.
Zu ihrer Entschuldigung möchte ich jedoch anmerken, dass Sunny hierbei garantiert nicht daran gedacht hatte, dass eine Überweisung an den Makler von diesem Konto dadurch
nicht mehr möglich war. Frau Peters war so freundlich, es uns näher zu erklären. Da wir also das Konto noch an diesem Tag auflösen wollten, sah sich die Bank nicht in der Lage, noch eine Überweisung
auf ein anderes Konto auszuführen.
Den Überweisungsträger hatte ich ergo vergebens ausgefüllt; wir würden das mit dem Makler anders regeln müssen. Der von mir ausgefüllte Überweisungsträger
wäre erst am nächsten Tag in der Zentrale der Nord/LB - zu spät. Und Sunny wollte, dass "hier und heute Schluss ist". Nicht noch einmal hierher müssen; dazu noch mit Berta treffen, das ging für
sie gar nicht.
Alles nur, weil Sunny das Geld unbedingt in bar mitnehmen wollte. Sie betonte dies auch noch ausdrücklich. Ich nehme an, eine Kontozahlung kam für sie nicht in Frage,
weil dann auch Reiner Zugriff darauf bekommen hätte.
Ursprünglich hatten wir uns gerade noch darauf verständigen können, dass Berta ca. 1500 € zusätzlich erhält, um noch ausstehende bzw. zu erwartende
Rechnungen des Steuerberaters und des Finanzamtes zu bezahlen. Berta hätte dann hinterher eine Schlussrechnung aufgemacht und den verbleibenden Rest an Sunny und mich ausgezahlt.
So viel zur Theorie, aber dank des "unmöglichen" Auftrittes von Berta vor meiner Ankunft war dies Sunny natürlich nicht mehr zuzumuten. Sunny wollte dass "jetzt
Schluss ist". Alles aufteilen - sofort. Das "gierige alte Weib" (damit meinte sie Berta) würde ihr Geld schon kriegen, wenn sie diese Rechnungen bezahlt hätte. Sunny traute Berta nicht, dass sie den
Rest hinterher auch wirklich an Sunny (und mich) auszahlt.
Was für eine Verdrehung der Ereignisse. Bislang war es Sunny gewesen, die Verkaufserlöse aus dem Wohnungsflohmarkt oder das Geld für die Pelze nicht an Berta und
mich weitergegeben hatte. Berta vermutete hinterher wohl nicht zu Unrecht, dass Sunny sie deshalb im Vorraum so getrietzt und zur Weißglut gebracht hatte, damit sie ausrastet und Sunny einen Grund hat, die 1500 €
auch noch aufzuteilen. Ihre übliche Taktik.
Und ob Sunny ihren Anteil an den Kosten des Maklers und später des Finanzamtes nebst Steuerberater herausgerückt hätte, wenn Berta diese Beträge erst einmal
vorgeschossen hätte, kann man nicht als sicher annehmen. Dazu hatte sie schon die ganze Zeit einige Böcke zu viel geschossen.
Den Banktussen war der ganze Vorgang sichtlich unangenehm. Sie wirkten reichlich angespannt ob der explosiven Gemütslage der vor ihnen sitzenden Erbengemeinschaft. Zwar versuchte
Frau Peters Sunny nach ihrer Beleidigung an Berta etwas zu beruhigen, aber dies tat sie derart ängstlich statt laut und entschlossen, dass Sunny sich wohl noch im Recht wähnte. Berta und ich blieben nach dem Rumblaffen
seitens Sunny ruhig.
Bei mir war das eine Mischung aus Genervtsein, unterdrücktem Ärger sowie erzwungener Ruhe. Eigentlich wollte ich nur noch weg. Berta dürfte es ähnlich gegangen
sein. Beide wussten wir, dass eine lautstarke Auseinandersetzung mit Sunny nicht zu einer Beruhigung der Situation führen würde. Eher zum Gegenteil. Vielleicht wären Berta oder mir dabei auch noch die Nerven
durchgegangen . Da rutscht einem leicht schon mal die Hand aus, das galt es zu vermeiden. Das lohnte doch alles nicht.
Doch es kam natürlich noch besser. Die Sparkassentussi ging wie selbstverständlich davon aus, dass wir alle Kunden der Nord/LB wären. Da musste ich sie eines Besseren
belehren, denn ich bin aus gutem Grund bei der DKB Direktbank. Die Gebühren bei der Nord/LB neben den bekannt miesen Services (Überweisungen wurden nicht ausgeführt, weil ein Betrag an meinen Zahnarzt derart
hoch war, dass die Nord/LB einen Missbrauch befürchtete) hatten mich vergrault.
Deshalb standen wir nun für die Auflösung von Mutters Konto bzw. die Auszahlung unserer Anteile vor denselben Problem wie bei der Überweisung an den Makler. Die
Überweisung an mich wäre erst am nächsten Tag in der Zentrale zur Buchung und da wäre Mutters Konto aufgrund von Sunnys Vorgaben schon aufgelöst.
Da blieb als Ausweg nur noch eine Barauszahlung an Ort und Stelle. Bei den bald 20.000 € würde Frau Peters sicherlich einen metallenen Aktenkoffer (ich mag halt Agentenfilme)
oder einen Holzschuber auf den Tisch stellen. Da lag ich aber komplett daneben. Wir würden das Geld aus einem Geldautomaten (!) in der Filiale ziehen müssen!
Denn aus Sicherheitsgründen hat die Filiale solch große Summen nicht am Schalter. Und auch Frau Peters nebst ihrer Kollegin hatte keinen Zugriff auf einen imaginären
Safe im Keller. Wahrscheinlich befürchtete die Geschäftsleitung noch, dass der eine oder andere Geldschein beim Zählen durch die Mitarbeiter "herunterfallen" könnte.
Die Damen der Bank hatten da schon mal etwas vorbereitet. Fix hatten sie eine neue Karte zur Abhebung am Automaten im Haupt-raum ausgestellt. Allerdings nicht mehr als 5000 €
auf einmal - aus Sicherheitsgründen. Nach jeder Leerung musste die Karte an der Kasse (dort war doch tatsächlich noch eine dritte Sparkassenangestellte nach Geschäftsschluss anwesend) manuell neu freigegeben
werden.
Kompliziert - wie in einer Fernsehshow. Gebannt starrten alle drei Geschwister auf die Bankkarte mitten auf dem Schreibtisch von Frau Peters in der Filiale der Nord/LB im Heidberg.
Als ob die Zeit still stehen würde... Wer von uns jetzt zuerst nach der Karte greifen würde, wäre für immer und ewig im Fegefeuer gelandet. Oder hätte wie bei "Hau den Lukas" eine Klatsche
auf dem Handrücken verspüren dürfen.
Die Situation war uns Geschwistern unangenehm. Niemand wollte als gierig erscheinen und die Initiative übernehmen. Bloß keine Blöße geben und hinterher kann
man sich noch jahrelang das Gegreine anhören, wie gierig man doch gewesen sei. Wie so häufig war es dann Sunny, die unsere Starre löste, indem sie mich beauftragte, das Geld aus dem Automaten zu holen.
Objektiv betrachtet war es ja die beste Lösung: Denn Berta traute sie nicht und sie selbst wollte nicht als geldgeil erscheinen. Dazu ging die ganze Situation beiden Sestras
gehörig auf die Nerven. Beide waren sichtlich angespannt und mit ihren Gedanken eher woanders. Bestimmt gingen beiden die Geschehnisse der letzten Monate und auch Mutters letzte Wochen auf diesem Planeten durch den Kopf.
Ging mir zumindest so, aber ich habe auf der Arbeit bei meinen Kunden bereits genug Leid erleben müssen; das härtet ab.
Nachdenklich mit dem Kopf nickend nahm ich also die Karte und ging aus dem Büro zum Geldautomaten in der Halle. Wie von einer EC Karte gewohnt, steckte ich die Bankkarte in
den Schlitz und gab den PIN ein. Die Ziffernkombination hatte ich nach Abschluss aller Transaktionen schnell vergessen, so angespannt war ich.
Ich tippte 5000 € ein und die Maschine fing an zu arbeiten. Dabei ließ sich der Apparat so richtig Zeit. Als ob er die Geldscheine gerade erst drucken musste. Die Wartezeit
zog sich ewig hin... Das konnte aber auch der Situation geschuldet sein, weil mir die ganze Szenerie mehr und mehr surreal vorkam.
Während ich da so stand und wartete, gingen mir Bilder durch den Kopf. Ich musste unwillkürlich an Walter Wallmann denken, der einst zu Zeiten der Flick Affäre die
Geldspenden an die Partei in seiner Eigenschaft als CDU Schatzmeister bei den Frankfurter Geldhäusern in bar abgeholt hatte. Und da sein metallener Geldkoffer bereits voll war, musste er die Geldbündel schon in seine
Jackentasche stecken, weil er sonst nirgendwo mehr Platz für das viele Geld hatte.
Der Vergleich hinkt natürlich, denn selbst Sunny ist nicht so unsympathisch wie ein Schatzmeister der CDU. Als ich die erste "Fuhre" geleert hatte, deponierte ich
das Geldbündel voller druckfrischer Hunderter hinter mir am Schalter. Die Kassiererin lud die Karte neu auf - ich kann mich dunkel daran erinnern, dass hierbei noch eine Wartezeit von 5 Minuten zur Freischaltung als Sicherheitsmaßnahme
eingebaut war - und dann kümmerte ich mich um die nächste Rutsche.
Nach vier Durchgängen war der Spuk vorbei. Die ganze Zeit über blieb ich nervös und ungeduldig. Jedes Mal steckte ich die neu freigegebene Karte sofort wieder in
den Schlitz des Automaten. Das war natürlich wegen der fünfminütigen Wartezeit sinnlos, wie mir die Kassiererin versicherte. Doch das bekam ich eh nur am Rande mit, so angespannt war ich die ganze Zeit.
Schon beim Juwelier Monate zuvor fühlte ich mich wie in einem Film und betrachtete die gesamte Szenerie mehr aus einer Kameraperspektive, dabei war ich doch mittendrin und
spielte auch noch eine Hauptrolle in diesem Drama. Ein Bild von Mutter tauchte auch jetzt wieder vor meinem geistigen Auge auf, stumm und unbeweglich schaute sie mich an. Nicht anklagend, nicht böse, auch nicht lachend.
Nur stumm.
So richtig wollte selbst dieses Bild nicht stehen bleiben, immer wieder blitzte bei mir die Realität durch. Meine Sestras im Büro nebenan, meine Löwin zuhause, der
die ganze Geschichte ebenfalls stark an die Nieren ging. Es war ein wildes Durcheinander, das ich wie in Zeitlupe oder im Zeitraffer beobachtete. Welches von beiden, weiß ich heute nicht mal mehr.
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