Sonntag, 14. Juli 2019
Hartmudo: Vitalium
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Nach einer kurzen Einleitung brachte uns die adrette Blondine ihr Fachgebiet nahe. Die Osteopathie findet insbesondere dort Anwendung, wo die klassische Medizin nicht mehr weiterkommt. So entstehen z.B. Rückenschmerzen häufig durch Muskelverspannungen. Hier kann ein Osteopath mit sanften Berührungen und anderen Tricks Verspannungen lösen und dadurch Schmerzen lindern oder gar komplett beseitigen.
Leider gibt es keine einheitliche Berufsausbildung. Sie selbst ist Physiotherapeutin und hat sich bei einem renomierten Osteopathen für diesen Beruf qualifiziert. Vorsicht ist wohl bei Heilpraktikern geboten, die sich Osteopathie in zweiwöchigen Kursen reinknüppeln und dann aber immer noch keine Ahnung haben, was sie mit falschen Handgriffen so alles anrichten können. Bei solchen Spezialisten ist also Vorsicht geboten.
Sie untermauerte ihre Vorstellung mit einer kleinen Showeinlage. Einige Leute bat sie zu sich nach vorne. Die Leute sollten die Augen schließen und ganz ruhig stehenbleiben, sich nicht bewegen. In dieser Stellung legte sie den Probanten einfach ihre flache Hand auf den Kopf, so dass sich der Körper ungewollt bewegte.
Einige schwangen nach vorne, andere - wie auch Pocke - schwangen nach hinten. Allein durch diese kleine Übung teilt die Osteopathindie Menschen in verschiedene Gruppen von Typen ein. Leider habe ich mittlerweile vergessen, was das für Gruppen waren. Überhaupt kämpfte ich mit zunehmender Dauer des Vortrags gegen meine zufallenden Augen. Ebenso meine Löwin, die den Kampf gegen Ende des Vortrags verlor. Einzig Pocke blieb wach und glänzte mit intelligenten Zwischenfragen. Erneut hatte er sich gut vorbereitet.
Endlich war der Vortrag kurz nach 16.00 Uhr vorbei. Wie versprochen wartete Patti im Speisesaal auf uns mit einer Handvoll Spielen. Wir sicherten uns im Vorraum des Speisesaals einen quadratischen Tisch, der ständig mit einem gelben Tuch eingedeckt war. Eigentlich war dieser Teil vor dem eigentlich Speiseraum für die Heilfaster vorgesehen, doch dieser Tisch wurde zu den Mahlzeiten nie besetzt. Daher konnten wir hier in Ruhe spielen, während rings um uns die Vorbereitungen für das Abendessen begannen.
Wir starteten unsere muntere Spielerunde mit einer Partie Pochen und wechselten hinterher zu einem neuen Kartenspiel, welches Pocke extra für unseren Aufenthalt im Vitalium gekauft hatte. Sehr gut war die Idee von Patti, die Serviererin während des Pochens zu bitten, ein Foto von uns vier zu schießen. Hierfür stellte ich mein Smartphone zur Verfügung, weil ich dieses Bild hinterher an Jenny in den Schwarzwald schickte. Jenny hatte schließlich an diesem Tag Geburtstag. Das Alter verrate ich aber nicht.
11 Nimmt, so heißt das Kartenspiel, welches uns sofort hellauf begeisterte. 100 Karten mit Zahlen von 1 bis 100 werden abwechselnd auf die mit zunehmender Spieldauer steigende Zahl an Stapeln gelegt. Wenn man dran ist, kann man so viel Karten ablegen, wie man möchte. Einzige Bedingung: Der Wert der oberen Karte eines Stapels darf am Ende eines Zuges nicht mehr als 10 Punkte höher sein als die ursprüngliche Karte. Hat man nur Karten, die 11 oder mehr Punkte höher sind, muss man einen kompletten Stapel aufnehmen.
Ich habe dies verkürzt dargestellt, denn die Hornochsenkarten bestimmen eigentlich die Anzahl der Stapel, die man bedienen darf. Doch eins darf ich Euch versichern: 11 Nimmt macht süchtig, wenn man es einmal gespielt hat. Die relativ einfachen Regeln hat man schnell verstanden und ein stundenlanger Spielspaß ist garantiert.
Anschließend gingen wir direkt zum Abendessen, wo wir Heilfaster mit Gemüsesaft und Orangenschnitzen verwöhnt wurden. Hierzu gab es wieder den beliebten Anis Fenchel Kümmel - 1 Beutel auf eine große Thermoskanne. Noch bevor ich mich an diese Köstlichkeit heranwagte, schickte ich erst einmal das Foto mit lieben Grüßen per Whatsapp an Jenny.
Während der Mahlzeit planten wir schon die Aktivitäten der nächsten Tage. Das große Erlebnisbad stand jetzt nicht mehr im Focus, aber das Besucherbergwerk Scholmzeche, an deren Eingang wir am Montag während des Spaziergangs vorbei kamen, hatten wir für Freitag Nachmittag vorgesehen.
Und während wir Heilfaster unser Bittersalz zu uns nahmen, quälte sich Patti durch ihr Essen. Halt - da war doch noch was. Genau, Pocke ließ sein Bittersalz stehen. Ihn hatte die Mischung in der Nacht zuvor gepeinigt, so dass er jetzt wieder auf eine morgendliche Einnahme wechseln wollte. An dieser Stelle nehme ich es mal vorweg: Er vergaß hinterher, sein Glas mit dem Salz aufs Zimmer mitzunehmen.
Kaum waren wir mit dem Abendessen durch, da setzten wir uns wieder an den gelben Tisch und machten mit „11 Nimmt“ weiter. Wir spielten bis kurz vor 21.00 Uhr, weil Patti sich eh um Cooper kümmern musste und wir uns alle auch etwas kaputt fühlten. Erwartungsgemäß mussten wir während des Spiels zwei Unterbrechungen in Kauf nehmen.
Zunächst hatte ich einen dringenden Termin in meinem Badezimmer, kurz danach meine Löwin. Um das laufende Spiel nicht unterbrechen zu müssen, schrieben wir für den abwesenden Spieler einfach 5 Minuspunkte auf. Dies entsprach eh dem allgemeinen Punkteschnitt. Pocke, der ja das Bittersalz verschmäht hatte, konnte die Steilvorlage zum Tagessieg aber nicht nutzen. Trotz der jeweils 5 Punkte für meine Löwin und mich wurde er wieder Letzter.
Neun Uhr, Zeit zum Rückzug in die Zimmer. Bevor ich zu meiner Löwin nach nebenan rüber machte, begab ich mich schnell noch in mein Bad. Nein, nicht die Toilette, sondern die Metex Spritze war jetzt angesagt. Jeden Dienstag quäle ich mich damit herum, an diesem Tag natürlich später als sonst. Routiniert haute ich mir die Einwegspritze in die Fettspalte an meinem unteren Bauchansatz. Schnell noch die Spritze im Kosmetikeimer entsorgt, und schon war ich auf dem Flur. Was wohl Sylvia, das Zimmermädchen, am nächsten Morgen beim Reinigen des Bades von mir denken würde? Hoffentlich hält sie mich nicht für einen Junkie. Auf was für Gedanken manche Leute eben kommen.
Noch auf dem Flur hatte ich mein Smartphone gezückt, um Jenny anzurufen. Sie war gerade nach Hause gekommen, da sie mit Kroll Essen gegangen war. Meine Löwin gratulierte ihr dann ebenfalls zum Geburtstag. Jedenfalls verquasselte ich eine halbe Stunde mit Jenny. Zum Schluss ließ ich mich noch zu einem Kompliment hinreißen, weil mich ein Vergleich die letzten Wochen im Kopf beschäftigte. Maria Schrader in ihrer Rolle bei „Deutschland 1986“ sah doch tatsächlich wie Jenny aus, wirkte aber erheblich älter. Diese Schmeichelei nahm mir Jenny nicht übel.
Der Fernseher blieb hinterher ausgeschaltet, denn wir schauten in das am Vortag gekaufte Buch hinein. „Basenfasten für Eilige“ konnte mich bereits beim ersten Anlesen nicht überzeugen. Frau Wacker, die Päpstin des Basenfastens, teilte Lebensmittel willkürlich in säure- oder basenlastig ein. Warum sie Knoblauch im Gegensatz zu Zwiebeln als säurelastig verordnete, erklärte sie nicht einmal.
Ihr einziges Argument gegen Knoblauch blieb das angebliche Ausschalten des Sättigungsgefühls. Nur deshalb riet sie vom Verzehr einer der ältesten Heilpflanzen ab. Bei aller Liebe, aber solche schwachsinnigen Aussagen kann ich nicht ernst nehmen. Da brauchen sich die Anhänger einer basischen Ernährung nicht wundern, wenn sie in der Esoterik verortet werden.
Nach kurzer Zeit des Pöbelns über die selbstgerechte Autorin hatte ich meine Löwin müde gelabert. Die Zeit der Nachtruhe war gekommen. In meinem Zimmer las ich noch bis kurz vor Elf, ehe ich mich zur Ruhe begab. Den Gang aufs Klo vergaß ich nicht; mein Auspuff wurde gut leer gespült.
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