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Nach dem Läuten der Schiffsglocke hatte ich die Beisetzung unserer Mutter eigentlich abgehakt. Während der Zeremonie gingen mir noch verschiedene Gedanken zu ihr durch den Kopf, durch das Läuten wurde ich wieder in die Realität gezogen. Jetzt war der schwelende Konflikt zwischen Sunny einerseits und Berta und mir andererseits wieder greifbar.
Selbst das gemeinsame Schnapstrinken half nichts; Reiner und ich waren uns fremd geworden. All meine Anstrengungen in den letzten Jahren hatten nichts genützt. Es ist leider Realität: Reiner hat kein Interesse an meinem Teil der Familie, seine Einstellung meiner Löwin gegenüber ist mit desinteressiert noch harmlos beschrieben. Insbesondere diese Mißachtung meiner Liebsten gegenüber fiel mir von Mal zu Mal mehr auf. Wieso habe ich das nicht schon eher erkannt?
Bei Sunny war wenigstens ab und an der Versuch eines Kontaktes zu erkennen, selbst wenn es sich nur im Austauschen von Witzchen per WhatsApp ausdrückte. Dennoch sollte ich Sunny während der folgenden Wochen fast jedes Mal in einer anderen Gemütsverfassung erleben. Eine harte Übung, aber ich erzähle dies besser der Reihe nach.
Nach Verlassen des Bootes gingen wir an der Strandstraße noch ein Stückchen weiter, also nicht in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Sunny's Gang hatte in der Richtung ihr Auto stehen und Berta wie meine Löwin wollten eh noch in ein paar Geschäfte schauen. Die Gespräche zwischen unseren beiden „Gruppen" verliefen alles andere als flüssig. Mehr als zwei Sätze am Stück waren da untereinander nicht drin. Danach war Pause, dann fand irgendwann ein Themenwechsel statt.
Als sich Sunny's Gang verabschiedete, weil wir vor irgendeinem Laden mit Klamotten auf Berta und meine Löwin warteten, war ich heilfroh. Endlich war der Spuk vorrüber. Es kann aber auch sein, das Berta und meine Löwin noch nicht im Laden verschwunden waren, ist jetzt ja auch schon etwas her. Und es ist hier auch nicht der Punkt.
Der Punkt ist, das Bud und ich unsere Frauen im Regen stehen ließen. Bud hatte keine Lust, auf die Màdels zu warten und ich stapfte einfach gedankenlos hinterher. Beide waren wir genervt, weil wir bereits am Vormittag vor dem Bäcker dumm herum standen, während unsere Frauen den Schiffsanleger suchten und so lange verschwunden blieben.
Zu diesem Zeitpunkt, als Bud und ich zum Auto zurück gingen, ohne auf unsere Frauen zu warten, hatten meine Löwin und ich noch nicht über den Vormittag gesprochen, ich hatte wohl lediglich einen verärgerten Spruch dazu gemacht. Bud und ich waren immer noch felsenfest davon überzeugt, das die Frauen bei der Suche nach dem Anleger schon in dem einen oder anderen Laden herumgestöbert hatten.
Beide tauchten dann ja auch lange nach uns im Café am Anleger auf, was die These von Bud und mir zu stützen schien. Und jetzt waren sie schon wieder in einem Laden abgetaucht. Ich wollte nur noch zurück nach Braunschweig. Nach Riga und Gernsbach war dies die dritte Tour in diesem Urlaub, dazu kamen noch die dauernden Telefonate mit Sunny und Berta. Ab morgen, besser gesagt nach unserer Rückfahrt, könnte ich mich endlich um den anderen Scheiß kümmern.
Den Schriftkram für die Gräfin zum Beispiel. Ohne nachzudenken ging ich mit Bud zurück, beide hingen wir unseren Gedanken nach. Das ich mal fairerweise ins Geschäft reingehe und meiner Löwin Bescheid sage, das wir schon unterwegs sind, auf diese Idee kam ich so gar nicht. Nein, nur ärgern und los!
Und es lag auch nicht daran, das ich ob der Seebestattung gerade um Mutter trauerte. Das hatte ich auf dem Schiff gelassen. Trotzdem konnte ich nicht mehr klar denken, meine schlechte Laune vom Morgen war auch wieder spürbar. Diesen ganzen Tag - er war noch nicht zuende - ging ich mit großem Widerwillen an.
All das ist jedoch kein Grund, meine Löwin so im Regen stehen zu lassen. Da hätte ich zumindest kurz in den Laden schauen müssen, um ihr zu sagen, das ich mit Bud schon mal losdackeln wollte. Wegen meiner Gedankenlosigkeit standen meine Löwin und Berta deshalb lange Zeit vor dem Laden dumm rum. Wir waren ja schon weg, und beide wunderten sich, wo wir abgeblieben waren.
Das beide Mädels deshalb stark angesäuert waren, ist nur allzu verständlich. Bud und ich mussten aber nicht lange auf die beiden warten. Nach kurzer Zeit kamen sie auch zum Auto und wir konnten in Richtung Braunschweig losfahren.
Wir waren alle erst einmal froh, dass die Seebestattung hinter uns lag. Berta und Bud würden in der nächsten Woche noch einmal in den Urlaub fahren. Bereits vor der Seebestattung waren wir daher mit Sunny übereingekommen, dass wir erst nach deren Urlaub weiter machen würden. Ein paar Tage Abstand würden uns allen gut tun.
Mehr oder weniger schweigend rauschte die Autobahn an uns vorbei. Wir hatten Glück; nur ein einziges Mal gerieten wir in einen Stau, so dass wir zügig voran kamen. Meine Löwin döste derweil vor sich hin, auch mir fielen die Äuglein zu. Auf einmal meldete sich mein Smartphone, Pocke hatte eine WhatsApp geschickt.
Ob ich am 12. November abends mit zu Thundermother kommen würde? Ich schaute auf meinen Kalender; an dem Tag war die Feier von Bud anläßlich seines 70. Geburtstages angesetzt. Soweit ich mich erinnern konnte, war lediglich ein Brunch in der Gaststätte vom SV Süd vorgesehen, da hätte ich abends ja noch Zeit.
Ich fragte bei Berta nach, ob das auch so sei. Sie bestätigte dies. Somit hätte ich abends Zeit und könnte nach Hannover zu Thundermother mitkommen, was ich eh schon im Frühjahr eingeplant hatte. Gerade hatte ich eine Bestätigung an Pocke losgeschickt, da wachte meine Löwin auf und fuhr mich an, was ich da mache. Ich sagte es ihr.
„Hättest Du mich nicht wenigstens vorher fragen können?" Der Ton meiner Löwin bei dieser Frage war ausgesprochen aggressiv. Ich ließ mich nicht lumpen und blaffte zurück: „Muss ich da jetzt vorher fragen?"
„Nein", meinte sie. „Aber wir wollten uns doch die Wochenenden mehr freihalten, damit wir was zusammen machen können." Da hatte sie Recht, das hatte ich in der Woche vorher selbst vorgeschlagen. Da passt die schnelle Zusage zu einem Abend ohne meine Löwin natürlich nicht so richtig dazu.
Ich erklärte ihr, das ich dieses Konzert ja bereits im Frühjahr geplant hatte. Außerdem konnte ich mich ebenfalls daran erinnern, dass sie sogar mitkommen wollte. Einmal müsste sie auch bei einem Konzert mitfahren, meinte sie seinerzeit noch. Darauf sagte sie nichts mehr und drehte sich wieder um, machte ihre Äuglein zu.
Abends zu Hause war die Stimmung merklich angespannt. Erst in der Nacht, kurz vor dem Einschlafen, sprach meine Löwin mich auf den abgelaufenen Tag an. Ich hatte es eben bereits geschildert. Meine Laune von morgens an war unerträglich. Dann hatte ich sie zweimal stehengelassen und dann noch das Missverständnis mit dem Konzert.
Für das „Stehenlassen" nach der Seebestattung entschuldigte ich mich sofort. Das erste, also der Zeitpunkt, an dem Bud und ich vor dem Bäcker warteten und die Mädels verschwunden waren, sah und sehe ich nach wie vor anders. Hier lag sicherlich ein Kommunikationsproblem vor. Und das mit dem Konzert.... Das ließ sich nicht lösen.
Für meine schlechte Laune entschuldigte ich mich zugegebenermaßen kaum bis gar nicht, da hätte ich etwas mehr bringen können als meine Befürchtung, das sich Berta und Bud wieder übers Navi wie auf der Tour nach Laboe streiten könnten. Sei es drum, wenigstens konnte ich nach diesem Gespräch schlafen.
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