Dienstag, 29. Mai 2018

Uncle Fester: grad gelesen Mai 2018

Norbert Stöbe - Kolonie
Lt. Rückseite des Buches ist Stöbe einer der bekanntesten deutschen Science Fiction Autoren. Ich kannte ihn nicht, aber er hatte wohl in den 80ern des letzten Jahrhunderts einige preisgekrönte Romane geschrieben und danach nur Krimis u.ä. geschrieben. Kolonie ist sein zweiter Roman aus dem Bereich Science Fiction nach "Morgenröte". Auf mich wirkte dieser Roman etwas unfertig. Oder wie der Beginn eines umfangreichen Zyklus, auf dessen Folgebände wir bis zum St. Nimmerleinstag gedulden müssen.
Aber worum geht es hier? Auf dem entfernten Planeten Corazon haben knapp 40 Menschen nach einem 100jährigen Flug im Tiefschlaf eine erste Kolonie errichtet. Nach 30 Jahren wirkt die Kolonie schon etwas heruntergekommen. Die Kinder der Siedler haben seltsame Außenorgane am Kopf und entwickelt, deren Funktion in unterschiedliche, paranormale Fähigkeiten mündet. Diese Kinder sind in Quarantäne; die Siedler haben Angst vor ihnen.
Die Roboter, die zur Unterstützung der Menschen da waren, haben sich selbständig gemacht und in der Nähe eine Stadt errichtet. Zur menschlichen Siedlung haben sie keinen Zutritt; denn nicht nur Hank, der Leiter der Kolonie, hat im Laufe der Jahre seine Psychosen entwickelt. So vergeuden die Menschen ihre Zeit in unzähligen Meetings und diversen Gruppensitzungen, um den Ausbau der Kolonie zu planen, kommen aber nicht zum Handeln.
Letztendlich kommt die Story erst nach über der Hälfte des Romans ins Rollen, als ein zweites Raumschiff mit 5 Soldaten Corazon erreicht. Ihr Auftrag: Sie sollen die Energiequelle der Kolonie, eine Maschine, die unendlich viel Energie aus Paralleluniversen absaugen kann, zur Erde zurückholen, da diese Technologie dort verloren gegangen ist und die menschliche Zivilisation auf der Heimatwelt bedroht.
Drack ist der Anführer dieses Squad und schreckt auch nicht davor zurück, die Stadt der Roboter zu zerstören. Seine Leute und er haben einen "Leviathan" mitgebracht, der seinerseits eine Stadt baut, in der die Menschen (das Schiff führt zehntausende von befruchteten Eizellen mit sich) leben sollen. Die bisherigen Siedler sollen sich dort ansiedeln oder eben auch vernichtet werden.
Die übrig gebliebenen Roboter solidarisieren sich mit den ursprünglichen Siedlern, die endlich mal das Palavern sein lassen und aktiv werden. Das Squad kann besiegt werden und Drax wird mit seinen Leuten gefangen gesetzt. Ein richtiges Happy End; das Squad wird - bis auf einen Abtrünnigen - auf einer fernen Insel ausgesetzt und die ursprünglichen Siedler ziehen die Kinder aus den Eizellen auf. Ach ja: Das tödliche Geheimnis, das dieser Planet laut Buchrücken in sich bergen soll, ist eigentlich keins.
Man könnte hier glatt von Irreführung sprechen. Dennoch ist der Roman gut zu lesen, aber an einen Brandhorst oder Thariot kommt Stöbe nicht heran.



                     

Stephen Baxter & Alastair Reynolds - Die Medusa Chroniken
Arthur C. Clarke hatte 1971 die preisgekrönte Story "Ein Treffen mit Medusa" geschrieben. Die beiden britischen Großmeister nahmen dies als Grundlage für einen Roman, der Jahrhunderte umspannt und eigentlich aus vielen Kurzgeschichten besteht, in denen Howard Falcon, der halb Mensch und halb Maschine ist, die Hauptfigur verkörpert.
Zumeist sind die Tiefen der Atmosphäre des Jupiters Handlungsort der einzelnen Geschichten. Dort, wo die Medusen, kilometergroße und walähnliche Lebewesen, in Gruppen umhergleiten, entspinnt sich über Jahrhunderte die Konfrontation zwischen den Menschen und den Robotern, die letztendlich zur Zerstörung der Erde führt.
Adam, ein von Falcon in der ersten Geschichte "befreiter" Serviceroboter eines Luftschiffes, ist auf der Seite der Maschinen der individuelle Kontakt zu Falcon. Die Führung der Maschinen wird einfach nur Boss genannt; weitere Individualisierungen gibt es dort kaum.
Auf der menschlichen Seite taucht die Ärztin Hope Dhoni bis zu ihrem Tod in jeder Geschichte auf. Sie fasst für Falcon und damit dem Leser zu Beginn einer Story die aktuellen Geschehnisse zusammen. Ansonsten taucht immer mindestens ein Mitglied der Springer Familie auf, die die jeweiligen menschlichen Aktionen leiten.
Zwischen den einzelnen Stories wird das Schicksal des Seth Springer erzählt. Dieser NASA Pilot war 1968 für die Mondlandung vorgesehen, musste dann aber einen auf die Erde zurasenden Asteroiden mithilfe von Wasserstoffbomben zerstören; dabei ging er selbst drauf. Auf diesen Urahn bezieht sich der Springer Clan jedes Mal.
Am Schluss werden die aggressiven Menschen dank der vernünftigen Maschinen eingedämmt und Howard Falcon reist durch eine Art Wurmloch im Innern des Jupiter zu den Sternen, wenn wohl auch in digitalisierter Form. Die im Anhang beigefügte Original Geschichte von Arthur C. Clarke habe ich mir erspart. Die Kurzgeschichten waren mir schon zu altbacken. Schön noch die Einarbeitung der Schimpansen unter ihrem Topp-Mann Ham 1365 oder so ähnlich.

Giula Enders - Darm mit Charme

Ein wunderbares Sachbuch. Die Autorin hatte als 17jährige eine Wunde am Bein, die einfach nicht heilen wollte und stieß auf einen Bericht von einem Mann mit demselben Leiden. Danach erkannte sie, dass ihr offenes Bein nicht von einer Neurodermitis, also einer Hauterkrankung, herrührte, sondern von einer Fehlfunktion des Darms. Von da an ließ sie Milchprodukte und Gluten weg, nahm verschiedene Bakterien zu sich und so weiter. Schließlich bekam sie die Krankheit in den Griff, studierte erfolgreich Medizin und forscht seitdem zum Thema Darm.
Dieses Buch wurde zum weltweiten Sachbuchbestseller, weil Guila Enders, inzwischen 28 Jahre alt, bereits als "Science Slammerin" mit der Thematik Erfolg hatte und in diesem Buch Funktion und Bedeutung des Darms sehr anschaulich wie bildhaft erklärt.
Ein besonders schönes Bild ist das der Seescheide, welche den Boden der Erdmeere bevölkert. Im Larvenstadium besitzt die Seescheide ein Gehirn, um die Bewegung in der Strömung zu einem schönen Platz zu steuern. Dort angekommen, wechselt die Larve ins Erwachsenenstadium. Ihr restliches Leben wird sie fest an diesem Platz verbringen und sich vom Plankton, welches durch den geöffneten "Mund" strömt, ernähren.
Das Gehirn ist jetzt nicht mehr lebenswichtig, denn Bewegung ist nicht mehr nötig. Die Seescheide absorbiert bzw. frißt ihr Gehirn. Anschaulicher kann man nicht verdeutlichen, dass der Darm uns Menschen mehr lenkt als das Gehirn.
Das Lesen dieses Buches gestaltete sich kurzweilig. Ich habe sogar Techniken gelernt, einen unwilligen Darm zur Herausgabe des Inhalts zu motivieren. Allein deshalb lohnt sich der Kauf, liebe Freunde eines geregelten...

Anthony O'Neill - Dark Side
Der erste Science Fiction Roman eines Australiers, der jetzt in Schottland lebt. Und er hat einen zwar unwissenschaftlichen, aber dafür sehr anschaulichen Roman geschrieben, der auf dem Mond, genauer gesagt der Rückseite desselben, spielt. Dieser Roman ist wirklich sehr gut zu lesen, denn Anthony O'Neill hat bereits 2005 seinen ersten Roman veröffentlicht. Einen Krimi, und das merkt man "Dark Side" auch an. O'Neill gönnt sich bei der Plotgestaltung schon mal die eine oder andere Anleihe bei den historischen Hardboiled Klassikern.
Denn um nichts anderes als einen Krimi handelt es sich hier, der auch nur in einer nahen Zukunft spielt. Der aus dem Halbweltmilieu stammende Milliardär Fletcher Brass hat auf der erdabgewandten Seite des Mondes die mehr oder weniger autonome Region Purgatory gegründet. Die Kapitale namens "Sin" beherbergt alle möglichen Gestalten, die aufgrund ihrer kriminellen Vergangenheit dorthin gekommen sind - nicht alle freiwillig.
Aber der unbestechliche Polizeilieutenant Damien Justus ist freiwillig nach Purgatory gekommen, um seine Tochter zu schützen, weil er auf dem Mond nicht mehr durch eine Bedrohung der Tochter erpressbar ist. Er soll den Mord an 2 Vertrauten von Fletcher Brass aufklären. Offenbar geht es hier um die Macht in Purgatory, weil Brass auf eine längere Expedition zum Mars aufbrechen will, um "den Fortbestand der Menschheit" zu sichern.
Seine Tochter QT Brass scheint hinter all den Morden zu stecken, so will es jedenfalls ihr Vater aussehen lassen. Als Justus nach und nach herausfindet, dass Fletcher Brass die Morde befohlen hatte, um seine Tochter zu diskreditieren, lässt Fletcher seine Tochter durch ein Bombenattentat töten. Entnervt verlässt Justus Purgatory... um gleich darauf zurückzukehren.
Denn diesr Handlungsstrang wechselt sich permanent mit einem zweiten, sehr viel schnelleren Nebenstrang ab. Fletcher Brass hat einen Androiden namens Leonardo, der mehrfach geklont wurde. So ist Leonardo Grey sein persönlicher Adjudant und Leonardo Black sein Leibwächter, der offenbar verschollen ist.
Doch es stellt sich heraus, dass der irre Androide, der dauernd den "Brass Kodex", witzige Leitsprüche von Fletcher Brass, zitiert und dabei genüßlich Leute massakriert, Leonardo Black ist, der auf dem Weg von einem entfernten Labor auf der vorderen Mondseite nach Purgatory unterwegs ist, um seine Bestimmung zu finden. Die Techniker hatten einen Fehler gemacht, nun glaubt Leonardo Black, er sei der "Zauberer" und "König" von Purgatory.
Der totkranke Arbeiter Plaisance verfolgt Black, um ihn aufzuhalten. Vollkommen unerwartet wird er von Black getötet. O'Neill schmeisst damit diesen Charakter weg was für mich als Leser doch sehr überraschend war, fand ich jedoch geil so. Eine andere Figur, die Prostituierte Harmony Smooth, wird am Anfang des Romans parallel eingeführt und dann schlichtweg vergessen. Das wirkt erstmal wirr und unprofessionell vom Autor, aber Gemach.
Zum Ende klärt sich alles. Damien Justus bringt Leonardo Black zu Fletcher Brass, der ihn umbringen wird. QT Brass war doch nicht tot, denn Harmony Smooth wurde als Double hinoperiert und kam bei der Bombenexplosion planmäßig ums Leben. Es stellt sich dann die Frage, ob nicht QT Brass hinter der ganzen Intrige steckte, wird aber offen gelassen. Damien Justus entscheidet sich in den letzten beiden Absätzen zum Verbleib in Purgatory.
Der ganze Roman weckte in mir keinen Aha-Effekt, war aber sehr spannend geschrieben und insbesondere die Charakterisierung von Leonardo Black ist sehr gelungen. Ich könnte mir schon noch einige Abenteuer mit Damien Justus vorstellen, ebenso eine Verfilmung.

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