1
Es ist jetzt auch schon etwas her, als Viktor starb. Aber obwohl ich nicht zu seiner Beerdigung gegangen war, möchte ich doch noch an einige gemeinsame Erlebnisse erinnern.
Viktor kannte ich bereits seit der 3. Klasse an unserer Grundschule, denn zu dieser Zeit tauchte er in Melverode auf. Über seinen damaligen Kumpel “Wanne” lernte ich Viktor kennen und alsbald waren auch wir ein paar Mal nach Schulschluss unterwegs.
An eine Begebenheit kann ich mich noch heute gut erinnern, es wird wohl in der 4. Klasse gewesen sein. So wie wir Jungens damals gestrickt waren, kokelten wir ganz gern. Wir hatten damals ja weder einen Gameboy, geschweige denn eine Spielkonsole. An Computer wie Smartphones war noch lange nicht zu denken. Zuhause gab es lediglich fünf Fernsehprogramme; und das auch nur, weil wir an der Zonengrenze beide DDR Programme empfangen konnten.
Eines Nachmittags fuhren wir also nach der Schule ins Lechlumer Holz, um dort ungestört kokeln zu können. Wir hatten ein Feuerzeug dabei und einige Plastiktüten. Aktive Umweltschützer bitte ich jetzt einfach mal, die nächsten Zeilen zu überlesen. Denn natürlich war der Gedanke an Umweltverschmutzung Anfang der 70er noch nicht sehr stark ausgeprägt; bei uns Bengels kurz vor der Pubertät schon mal gar nicht. Und so zündeten wir die Plastiktüten an, welche wir mit ausgestrecktem Arm von uns hielten, um so genussvoll zuschauen zu können, wie das schmelzende Plastik nach unten auf den Waldboden tropfte. Ach, wie herrlich das doch duftete! Viktor und ich waren vollkommen begeistert.
Da Viktor nicht in meiner Nachbarschaft wohnte, verlor ich ihn ab der 7. Klasse etwas aus den Augen, denn zu meiner Zeit in der Lateinklasse hing ich mit zwei anderen Typen ab. Wenn, dann sahen wir uns bei den Klassenspielen. Fußball! Das waren ja quasi Länderspiele. Und natürlich fällt mir noch der Sportunterricht ein; Viktor und ich waren die beiden schnellsten Läufer in der Klasse. Nur Lindemann konnte da mithalten - Viktor und ich liefen die 100 Meter zu besten Zeiten unter 11 Sekunden! Die waren zwar handgestoppt, aber immerhin.
Jetzt fällt es mir wieder ein: Wir waren in dieser Zeit zusammen zum Probetraining beim SV Süd gegangen, eben weil wir so schnell waren. Ich bezeichne das als Probetraining, weil ich lediglich ein- oder zweimal dort hingegangen war. Ob Viktor länger durchhielt, weiß ich nicht mehr zu sagen. Für mich war das jedenfalls nichts.
Später dann, in der Oberstufe, gehörten wir beide nicht zum engeren Kreis der erlesenen Stammbesetzung im "Trixi", der legendären Spielhalle im Heidberg. Wohl tauchten wir beide dort auch mal auf, aber ansonsten sahen wir uns eigentlich nur noch im Unterricht, soweit wir Kurse zusammen hatten.
Erst als ich während meiner Ausbildung, meinetwegen auch Studiums, mehr und mehr mit Pocke abhing, wir dann ja auch eine Männer WG gründeten, unternahmen wir hin und wieder etwas zusammen. Insbesondere eine Aktion zu Pfingsten ist mir im Gedächtnis haften geblieben. Dies müßte 1982 oder 83 gewesen sein.
Pocke wohnte noch in der Gliesmaroder; in der Zeit tauchten im Umfeld einige - genauer gesagt: 3 - Mädchen aus dem Remenhof auf. Weiß der Geier, warum die sich auf einmal in unser Leben drängten. Ein Mädel hatte sich unglücklich in Kid Pit verliebt und wollte sich deshalb aus dem Fenster stürzen; konnte jedoch von ihrer Freundin, die genau so hieß wie die legendäre Spielhalle, gerade noch davon abgehalten werden.
Aber zurück zu Viktor - reden wir über das dritte Mädchen, die langhaarige Dürre, deren Namen ich vergessen habe. An dem besagten Pfingsten waren wir zum Zelten in die Nähe von Wieltsche gefahren, um etwas Spass zu haben. Nicht wie die Dorfjugend, die in der Nachbargemeinde die Türen auszuhängen pflegte. Dies sei eine alte Traditio, wie man uns erzählte.
Nein, wir wollten nur mal wieder ausgiebig saufen und einfach mal in der Natur abhängen statt in einer vollgeräucherten Bude. So fuhren Pocke und ich zusammen mit Kid Pit und den Mädchen los in die Pampa; und bei dieser Aktion war auch Viktor mit an Bord. Wir fuhren über Wiesen an eine Kuhle, an der bereits Zelte aufgestellt waren. Dort hingen die wohl üblichen Motorradfreaks ab.
Das waren ausgesprochen schräge Gestalten; Trixi wußte zu berichten, dass diese Honks doch tatsächlich mit Knarren herumgefuchtelt hatten. Nicht dass sie oder wir bedroht wurden. Nein, diese Hirnis gaben einfach bloss an und wollten wohl die Mädels beeindrucken. Von diesem Ort habe ich ansonsten nur noch in Erinnerung behalten, dass ich halbbesoffen über dem Hang dieser Kuhle abhing und mit ungläubigem Staunen auf die gegenüberliegende Hangseite starrte.
Dort befand sich die ausgefahrene Fahrspur zu der Kuhle herunter. Und Kid Pit fuhr doch tatsächlich mit seiner alten Karre (ich meine, es sei ein Passat gewesen) den Hang hinauf. Besser gesagt, er versuchte es. Denn mit röhrendem Motor blieb er auf halber Höhe stecken; es hätte nur noch gefehlt, dass er den Hang herabgekullert wäre.
Das war vermutlich unser Abschied von den "harten" Jungs gewesen. Ich hoffe bloss, ich war nicht der Fahrer eines unserer anderen Autos gewesen. Wäre ja schön, wenn ich diesen steilen Hang geschafft hätte, aber dass ich tierisch angesoffen war, weiss ich heute noch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen