Alastair Reynolds - Okular (Poseidon`s Children 1)
Endlich ein neuer Mehrteiler vom Waliser. Und gleich der erste Band glänzt mit satten 800 Seiten. Reynolds startet seine Triologie gemächlich, die Story braucht bald 200 Seiten, um ordentlich Fahrt aufzunehmen. Diese Triologie ist mehr oder weniger die Geschichte der Familie Akinya, deren Mitglieder über die Jahrhunderte hinweg an den entscheidenden Momenten des Geschehens beteiligt sind. Dass eine afrikanische Union im 22. Jahrhundert zur führenden Macht auf der Erde aufgestiegen ist, bringt ein ungewohntes Szenario in die Science Fiction Gemeinschaft.
Hauptpersonen des ersten Teils sind die Geschwister Geoffrey und Sunday Akinya. Anlässlich der Beerdigung bzw. Trauerfeier für die verstorbene Urgroßmutter Eunice, die diese Dynastie und deren Reichtum begründet hatte, treffen die Familienmitglieder auf dem Stammsitz der Akinyas am Fuße des Kilimandscharo zusammen. Hector und Lucas sind die beiden anderen Mitglieder des Clans; Geschäftsleute durch und durch. Sie kümmern sich um die finanziellen Aspekte des Firmenimperiums.
Geoffrey ist eher der Hänger und lebt seit seiner Kindheit auf dem Familiensitz.Er kümmert sich um die in der Gegend lebenden Elefanten, erforscht deren Leben, dringt dank Nanotechnologie in deren Bewusstsein ein, um deren Intelligenz zu fördern. Sunday ist nicht direkt anwesend; sie „chingt“- das bedeutet, dass ihr Bewusstsein in einen Klonkörper vor Ort transferiert wurde. Sie selbst hat den Mond nie verlassen, wo sie mit ihrem Mann Jitendra lebt und mehr schlecht als recht als Künstlerin, sprich Bildhauerin, lebt.
Erst als Hector und Lucas Geoffrey dank einer Geldspende für die Elefantenforschung dazu motivieren können, ein altes Schließfach auf dem Mond zu untersuchen, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Geoffrey findet lediglich den Handschuh eines alten Raumanzuges, aber Jitendra kann dadurch eine Verbindung zum Pythagoras Krater auf dem Mars ziehen. Eunice hatte vor ihrem Ableben diese Schnitzeljagd hinterlassen, aber warum?
Hier klinkt sich Geoffrey erst einmal aus und kehrt nach Afrika zurück, wo er den Tod des alten Hausverwalters der Familie namens Memphis beklagen muss. Dieser wurde von Elefanten totgetrampelt; Lucas und Hector scheinen da ihre Finger im Spiel gehabt zu haben. Tatsächlich wird Geoffrey gegen Ende des Romans erkennen, dass er der Schuldige am Tod von Memphis ist, weil er ein Kindheitserlebnis mit den Elefanten bei einer Gedankenverschmelzung eine Erinnerung geteilt hatte, bei dem Memphis einen Elefanten zum Schutz von Geoffrey und Sunday töten musste.
Noch auf dem Mond treten die „Pans“ auf den Plan; die Konföderation der Wasserwelten der Erde stellt den Gegenpol zur afrikanischen Union dar. Ihre Führerin Arethusa ist eine Inkarnation von Lin Wei, einer Schulkameradin und Weggefährtin von Eunice, bis diese sich zerstritten hatten. Die Pans unterstützen Geoffrey und Sunday bei deren Suche nach dem Geheimnis, scheinen aber wie die Pans eigene Interessen zu verfolgen. In gewohnter Manier hebt Reynolds den spekulativen Spannungsbogen merklich an, eine Stärke seines Schaffens.
Geoffrey wiederum begibt sich mit seiner Ex Jumai zum „Winterpalast“, einer Raumstation im Mond Orbit, auf dem Eunice die letzten 30 Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Lediglich Memphis hatte sie leibhaftig in diesen Jahren besucht. Überhaupt stellt sich Memphis nach seinem Tod als ehemaliger Wissenschaftler heraus, der als einziger in Eunices Pläne eingeweiht war. Weiter findet Geoffrey heraus, dass Eunice einst mit Lin Wei auf dem Merkur zusammengearbeitet hatten, bis Eunice illegalerweise an einem Artilekt, einer künstlichen Intelligenz, gearbeitet hatte. Dass diese Forschungen zu Recht verboten sind, zeigt die einzig erlaubte KI namens Arachne.
Entwickelt für das Weltraumteleskop Okular, entwickelte Arachne ein Eigenleben und übernimmt insgeheim die Steuerung aller Computersysteme. Und Arachne steckt auch hinter allen Anschlägen auf Sunday und Geoffrey in dieser Story. Nicht Hector und Lucas sind die Feinde, das wird beim Anflug auf den Winterpalast deutlich. Beim Erreichen des Winterpalasts verliert Hector sein Leben; Lucas und Geoffrey werden im Epilog des Romans fast zu Freunden.
Im Winterpalast kann Geoffrey das große Geheimnis von Eunice lüften. Das Chibesa Prinzip ist eine Alienphysik, die Okular über ein künstliches Objekt im System 61 Virginis f entdeckt hatte. Und Eunice ist au8ch nicht wirklich tot, sondern auf dem Weg dorthin. Und der dort befindliche Planet Crucible ist das Ziel des nächsten Romans.
Ich habe Chama und Ghleb nicht erwähnt, auch nicht die „Konstrukte“ von Eunice; Sunday hatte eine KI aus den öffentlich zugänglichen Berichten über Eunice gebastelt. Jemals ein Exemplar begleitet Sunday wie Geoffrey bei deren Abenteuern. Obwohl es eigentlich nur 2 Erzählstränge gibt, ist die Story stark verschachtelt und damit vielschichtig. Der Roman ist in sich abgeschlossen – im 2. Band ist dann die nächste Generation gefragt.
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