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Am Montag dem 15. August war mein Urlaub „endlich“ vorbei und ich durfte wieder auf der Arbeit antanzen. Im Gepäck hatte ich den Prospekt vom Augustinum, welchen ich bislang noch nicht geöffnet hatte. Den ich auch am Arbeitsplatz geschlossen hielt, weil ich den Umschlag erst bei Mutter in deren Anwesenheit öffnen wollte.
Nachdem ich mich am Nachmittag unversehrt durch die Dementen im Heim durchgewühlt hatte, freute sich Mutter ob meines unerwarteten Erscheinens. Gleich als erstes erzählte sie mir von ihrem Ohrenarztbesuch am Vormittag, der nicht den erwünschten Erfolg gebracht hatte. Der Ohrenarzt war wohl beim Säubern ihrer Ohren auf eine ergiebige Schmalzquelle gestoßen, konnte aber leider den Tinnitus und „diese Stimmen“ nicht abstellen.
Mutter wurde lediglich von Sunny zum Arzt begleitet, da Berta im Krankenhaus von Hameln verweilte. Da musste ich erst einmal schlucken. Das war also der Grund, weshalb ich Berta am Vormittag telefonisch nicht erreichen konnte. Aber halt, es ging gar nicht um Berta, sondern um Bud. Der war in Bodenwerder ohne Vorankündigung ohnmächtig geworden und musste sofort in ein Krankenhaus eingeliefert werden.
Nachdem Mutter mir diese schlimme Nachricht erzählt hatte, ging mein nächster Handgriff zum Smartphone. Berta ging auch gleich an die Strippe. Genau in dieser Sekunde verließ sie mit Bud gerade das Krankenhaus von Hameln, er war soeben entlassen worden. Folgendes war den Beiden wohl passiert:
Berta und Bud sind mit ihrem Campingwagen am Wochenende zum Lichterfest nach Bodenwerder gefahren. Da Bud auf seine Diabetes wieder mal nicht geachtet und demzufolge Sonntagabends nichts oder zu wenig gegessen hatte, ist er in der Nacht zusammengeklappt. Der Wert von 54 spricht da eine ganz klare Sprache, eine derartige heftige Unterzuckerung sollte man tunlichst vermeiden.
Deshalb wurde Bud um halb zwei des Nächtens in das Krankenhaus von Hameln gebracht und erst einmal zur Beobachtung dort behalten, bis zum nächsten Nachmittag vorsichtshalber. Danach ging es ihm besser, der Zuckerwert passte wieder, und er konnte mit Berta nach Braunschweig zurückfahren. Am Dienstag im Augustinum konnte Berta also mit dabei sein. Aber ehe wir noch stundenlang weiter schwätzten, beendete Berta das Gespräch, weil sie sich erst einmal um Bud kümmern wollte.
Nun endlich konzentrierte ich mich endlich auf Mutter. Auf dem Tisch hatte sie ja noch den Heimvertrag zur Unterschrift liegen. Warum ist das überhaupt notwendig, so fragte ich mich. Denn Mutter wollte doch nur zur Kurzzeitpflege bleiben und dann ins Augustinum wechseln. Warum also sollte sie dann diesen Vertrag unterschreiben? Und warum lag der Pflegegeldantrag, von der Krankenkasse zugefaxt, auf ihrem Tisch? Den hatte ich doch erst letzten Mittwoch ausgefüllt und an die Krankenkasse geschickt. Mutter wusste natürlich von nichts.
Es half nichts, ich ging mit ihr ins Erdgeschoss zur Heimleitung. Natürlich erübrigt es sich, zu erwarten, dass dort noch jemand anwesend sein könnte. Halb Fünf an einem Montag, was hatte ich denn erwartet? Ein Pfleger nahm uns glücklicherweise zu meiner großen Freude mit in sein Büro, unterwegs kam uns noch Peter entgegen. „Ah, der Exalminierte!“ schmetterte ich ihm fröhlich entgegen. Peter nickte nur kurz und verzog ob meines Spruches keine Miene. Vielleicht wohnte er ja doch hier, verwirrt genug schien er mir jedenfalls zu sein.
Der andere Pfleger konnte die Notwendigkeit eines unterschriebenen Heimvertrages schnell erklären; dieser ist wirklich nur zur Kurzzeitpflege gedacht. Den Pflegegeldantrag zerriss er sofort, als ich ihm sagte, dass ich den Antrag bereits losgeschickt hatte. So leicht lassen sich Mißverständnisse auflösen, wenn man nur mal nachfragt.
Beim anschließenden Hochfahren in das Zimmer nahmen wir noch eine Weißhaarige mit ihrem Rolli mit. Sie schien auch in den zweiten Stock zu wollen, schreckte aber beim Ausstieg im eben diesem Stockwerk zurück. „Nicht diese Kissen! (Anm.: die auf dem Sofa vor dem Fahrstuhl) Das ist nicht mein Stockwerk.“ Da sie auf meine Frage, wo sie denn hin müsse, nicht reagierte, drückte ich im Fahrstuhl auf die 1 und wünschte ihr noch viel Erfolg. Irgendwann würde sie ihr Stockwerk schon finden.
In ihrem Zimmer angekommen, erklärte ich Mutter noch die aktuelle Sachlage bezüglich einer Aufnahme ins Augustinum. Ich verheimlichte ihr meine Befürchtungen wegen einer möglichen Ablehnung von Mutter durch das Augustinum nicht, da ich sie schon mal vorsorglich auf ein eventuelles Scheitern vorbereiten wollte. Ihr Geld würde sicherlich reichen, auch wenn wir ihre Wohnung verkaufen müssten. Hierüber sprachen wir allerdings nur kurz. Leider schien Mutter das Konto bei Löbbecke mit den paar Tausendern für die Regelung Ihres Nachlasses wichtiger zu sein. Das Papier läge im Schrank mit den Puppen.
Meine Güte! Mutter hatte mit dem Leben schon abgeschlossen. Das schnalle ich nun Monate später, als ich den Text Korrektur lese. Seinerzeit bei meinem Besuch im Heim wollte ich es selber nicht wahrhaben, dabei hatte Mutter eigentlich mit allem abgeschlossen gehabt. Das macht mich in diesem Moment richtig traurig. Der Lebensmut hatte sie eindeutig verlassen. Mann, ist das bitter. Dieses Hinsiechen in der Reuterstraße – mehr war es eigentlich nicht, da sie dort nie heimisch wurde – hatte Mutter eindeutig nicht verdient.
Das Konto bei Löbbecke war jetzt aber nun wirklich zweitrangig, wie ich Mutter gegenüber immer wieder betonte. Auch würden wir Kinder keine Möbel aus ihrer Wohnung die engen Treppen der 3 Stockwerke runterschleppen können, das machte ich ihr nochmals klar. Dafür würde ich ein Unternehmen chartern, das ist ebenfalls kein Problem.
Wichtig allein in diesem Moment war der Dienstag im Augustinum. Beim Verabschieden bat ich sie nochmals eindringlich, ihrem Arzt genau zu beschreiben, wo es wehtut oder ob ihr schwindlig ist. Nur bei einer genauen Beschreibung kann der Arzt korrekt arbeiten, mit irgendwelchen allgemeinen Aussagen wie „mir geht es nicht gut“ kann er nichts anfangen. Kurz darauf saß ich auf meinem Fahrrad und fuhr Richtung Heimat. Hunger hatte ich jetzt.
Gundula sah ich kurz vor ihrem Hauseingang in der Nähe des ehemaligen Clochards, der alten Hippiekneipe. Sie kam mir sogar über die Straße entgegen, hatte leider Tränen in den Augen. Irgend so ein Vollhorst war in ihr parkendes Auto gerasselt und hatte Fahrerflucht begangen. Das konnte sie an diesem Tag, an dem sie für 2 Wochen krankgeschrieben worden war, überhaupt nicht gebrauchen.
Erst einmal gingen wir zu Gundula und Gerd nach Hause, damit sie die Polizei anrufen konnte. Gerd kam auch sofort mit dem Telefon die Treppe runter. Die Polizei meinte, dass Gundula zu ihnen auf die Wache fahren sollte, sofern der Wagen überhaupt noch fahren könne. Ich war erstaunt. Kommen die sonst nicht zum Unfallort? Anscheinend haben die kein Personal mehr, die Mannschaft.
Mit Gerd sind wir dann zurück zum Auto gegangen. Da hatte einer die Schnauze des Citroen richtig frontal getroffen. Die Motorhaube stand hoch und die linke vordere Nebelschlussleuchte war nicht nur kaputt, sondern auch weg. Der Wagen fuhr aber noch. Die sichtlich angespannte Gundula konnten wir schlecht allein zur Polizei fahren lassen, also stieg ich mit ein, derweil Gerd mein Fahrrad mitnahm.
Der Wachhabende nahm die Anzeige wegen Fahrerflucht auf und schoss mit der Kamera noch ein paar Fotos. Anhand der gelben Farbspuren auf der Karosserie vermuteten wir ein DHL oder Postfahrzeug. Das wäre ganz gut, denn Gundula hat keine Kaskoversicherung und müsste den Schaden selbst bezahlen, falls sich kein Täter findet. Zwischendurch rief Gerd auf meinem Handy an, weil er vom Nachbarn gehört hatte, das es gegen Mittag laut gerummst hatte. Gerd selbst war zu der Zeit noch auf der Arbeit.
Hinterher blieb ich nur noch ganz kurz bei Gundula und Gerd im Hof des Hauses. Ich wollte nur nach Hause und war einfach durch. Auf dem Weg bremste ich bei McDonalds an, weil ich keinen Bock mehr hatte, mir um 19.00 Uhr zuhause noch was zu essen hinzustellen. Ich wollte nur noch mit meiner Löwin Castle gucken und dann ab in die Heia.
Stattdessen verlief der Abend anders. Da war wohl ein merkwürdiger Anruf von Sunny auf dem AB. Meine Löwin hatte nur verstanden, das Sunny den Termin im Augustinum absagen wollte, weil Berta wegen des Krankenhausaufenthaltes von Bud nicht konnte. Dies war natürlich veraltet, weil ich ja bereits mit Berta gesprochen hatte. Ich fragte mich noch, weshalb wir denn den Termin hätten absagen sollen, bloß weil Berta fehlt? Es ging hierbei doch eh nur um die Kosten, denn Mutter wollte meines Wissens unbedingt ins Augustinum.
Sei es drum, ich hatte da noch etwas Wichtiges zu klären. Am Wochenende war Hamburg vorgesehen, am Vormittag hatte ich kurzfristig das Restaurant für Freitagabend klar gemacht. Jetzt wollte ich mit Patti noch schnell absprechen, wann und wo wir sie abholen und mitnehmen, da Pocke wegen eines Seminars am Schwilowsee separat anreisen musste.
Es folgte ein längeres Gespräch mit Patti. Anschließend buchte ich für uns alle noch schnell eine Beatles Tour durch St. Pauli, nicht ohne vorher bei allen ihre Bereitschaft dazu abgefragt zu haben. Dies wurde notwendig, da Pocke die Stadttour mit dem schwimmenden Bus nicht buchen konnte. Alles ausgebucht! Da waren quasi eineinhalb Folgen Castle weg, dafür aber hatte ich einiges geschafft und ging eigentlich ganz zufrieden ins Bett.
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