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Wir hockten viel auf dem Boden, weil wir keinen großen Tisch im Wohnzimmer hatten. So lernte ich dort alsbald auch für meinen Personenbeförderungsschein, zu dem mich Randy und Kroll überredet hatten. Der Portugiese war zu diesem Zeitpunkt schon Geschichte.
Ja, wir hatten wirklich keinen Tünnef in der Bude und erst recht keine Möbel außer Regalbrettern statt Schränken. Angie hatte noch nie Wert auf materielle Dinge gelegt und mir lagen höchstens die Plattensammlung als auch meine Bücher am Herzen. Die Kaution hatte ich übrigens komplett bezahlt, Angie hatte überhaupt gar nichts an den Füßen.
Mir war das selbst aber auch nicht wichtig. Nachdem ich den Job in Hildesheim verloren hatte, hing ich selbst etwas durch und hatte keinen Plan mehr fürs weitere Leben. Der Tapetenwechsel in die WG mit Angie holte mich erst mal aus der Lethargie heraus. Angie hielt einen ja ganz schön auf Trab mit ihrer liebenswerten Chaotik.
Das westliche Ringgebiet wurde in der Folge mehr und mehr zum Brennpunkt des Geschehens. Urmel, Jürgen und Jopi sowie Luigi warten vielleicht gerade noch so eben in der Jahnstraße zugegen, beschwören würde ich dies allerdings nicht. Kroll wohnte mit Randy zusammen in der Nähe, Jenny nicht zu vergessen. Durch das Taxifahren kamen noch Uli und Hotte hinzu, die in unmittelbarer Nähe wohnten. Den Einen oder die Andere habe ich bei dieser Aufzählung vielleicht vergessen. Und auch für Pocke und die anderen aus dem östlichen Ringgebiet galt der folgende Satz:
Dreh- und Angelpunkt des Geschehens wurde Ende der 80er das Gambit, dort trafen wir uns regelmäßig. Und dies hatten wir ganz allein Angie zu verdanken. Denn eines Abends, als sie so durch die Gegend strunkelte, sah sie, das in der Kneipe bei uns unmittelbar gegenüber, wieder Licht brannte.
Ursprünglich hieß der Laden wohl „Braunschweiger Bierstube“ oder so und war schon seit Jahren geschlossen. Durch einen blöden Zufall also ging Angie in die gerade neu eröffnete Kneipe namens Gambit und war baff erstaunt.
Angie erwartete eigentlich eine Eckkneipe a la Frankfurter Hof oder Gambrinus. Sie hatte noch nie Berührungsängste, was den Aufenthalt in solchen Spelunken angeht. Dies nur noch mal so. Doch im neuen Gambit traf sie auf die (seinerzeit noch 3) Wirte, die allesamt aus dem Sozialarbeitermilieu stammten. Das war ja nun wirklich ihrs.
Nur mal so am Rande: Der eine „Wirt“ war binnen des ersten Jahres raus, weil er selbst sein bester Kunde war. Die anderen beiden waren ein Paar und trennten sich Jahre später; „Er“ ging nach Griechenland, um ein Heim für schwer erziehbare deutsche Jugendliche zu betreiben und „Sie“ arbeitete noch mit beim neuen Betreiber, bis sie vor einigen Jahren leider an Krebs verstarb.
Angie ist nun mal sehr euphorisch und schilderte uns die Kneipe in höchsten Tönen, auf das die ganze Blase nach und nach feststellen musste, dass Angie gar nicht mal übertrieben hatte. Der Wirt hatte den Klassiker schlechthin in Braunschweig eingeführt: Blumenkohl in Sahnesoße mit Käse überbacken.
Dies sowie der Rest der Speisekarte ist seit den 80ern für ganz Braunschweig stilprägend und wurde in späteren Jahren auch im Zweitbetrieb – Charly`s Tiger – umgesetzt. Dazu Veltins oder Jever auch gern mal aus dem Steinkrug; Herz, was willst Du mehr.
Da die ganze Blase von dem Laden überzeugt war, wurde das Gambit zu unserem zweiten Wohnzimmer. Der Freisitz im Sommer war von unserem Wohnzimmerfenster frei einsehbar, so dass wir immer schauen konnten, ob sich ein Besuch lohnt. Wer ist gerade da?
Umgekehrt kamen viele bei uns vorher vorbei, weil sie nicht allein dort sitzen wollten. Im Endeffekt waren es für mich ca. 12 Jahre bis zu meinem Wegzug 1999, in denen dies so oder ähnlich ablief. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Angie mittlerweile längst woanders, ja wir kannten uns schon nicht mehr. Dazu aber später mehr.
In den Anfängen des Kults um das Gambit hing ich fast ausschließlich mit Uli ab, den ich bei der Taxe kennengelernt hatte und der in der Blase voll drin war. In der Zeit, als er im Cyri wohnte, sahen wir uns besonders häufig. Zu „Angie`s Zeiten“ wohnte er aber noch in WF mit seiner damaligen Freundin.
Doch zurück zu Angie: Sie hatte aus ihrer Gifhorner Zeit einen schrägen Freundeskreis, der in der Blase gottlob nicht integriert werden musste. In der Gifhorner City gab es da mal eine Kneipe, da traf sich die dortige Szene. Pocke und ich begleiteten Angie dorthin ein paar Mal, um Treibstoff für die Raketen zu besorgen.
In bleibender Erinnerung wird mir aber immer der letzte Abend dort sein, als Angie mit mir dort zur Abschiedsparty hinfuhr. Der Laden musste schließen, nicht zuletzt weil zuviele Anzeigen aufgelaufen waren. Ich war der Fahrer und trank deshalb kein Bier. Es war ein Freitagabend.
Dankenswerterweise gab mir der Wirt noch etwas Apfelsaft, der zwar merkwürdig schmeckte, aber ich hatte ja Durst und war gut drauf. Hier sollte ich einschieben, dass Angie zu jenem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Julius wohnte und ich selbst da schon in Salzgitter arbeitete.
Gut drauf war ich nämlich, weil ich unsere alte Funkerin von der City Car getroffen hatte und diese mich zu ihrer Geburtstagsparty in Melverode eingeladen hatte. Da konnte ich ja schlecht vorher schon total straff auflaufen. Ich trank also den merkwürdig schmeckenden Apfelsaft, verabschiedete mich von Angie und fuhr voller Vorfreude zurück nach BS.
In Melverode fand ich die Party nicht. Hinzu kam, dass ich schon während der Fahrt und erst recht in Melverode starke Krämpfe im Bauchbereich verspürte. Mit letzter Kraft kam ich zuhause an, schmiss als erstes die Unterhose weg und legte mich sofort ins Bett. Oder begab ich mich auf die Toilette?
Die Toilette jedenfalls war der meistbesuchteste Ort neben dem Schlafgemach an jenem Wochenende. Selbst Sonntagabend hatte ich noch krampfartige Schmerzen zu beklagen, doch Montagmorgen konnte ich wieder zur Arbeit fahren. Heute weiß ich daher nur zu gut, wie ein Apfelsaft mit „Stich“ schmeckt. Schweinerei, dass die Mannschaft mir dies Gesöff angedreht hatte.
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