Sonntag, 3. November 2024

Contramann: kurz gesehen im November

Guten Morgen, Freunde der Nacht.

https://taz.de/Friedensdemonstration-am-3-Oktober/!6038274/
Heute starten wir mit einem besonders schönen Beispiel von Framing. Der Kommentator der TAZ hat es hier vorbildlich fertig gebracht, sein eigenes „friedensbewegtes Bild“ mit den vorgegebenen Narrativen ins Gegenteil zu verkehren bzw. ad Absurdum zu führen. Das schafft er mit nur vier Sätzen - hier die Kritik im Einzelnen.
„Selbstverständlich handelt es sich bei dem Überfall auf die Ukraine um „einen russischen Angriffskrieg, der jeden Tag Tod und Zerstörung“ bringt.“
Ja, da gehe ich noch mit, obwohl hier bereits unterschwellig der russischen Seite eine negative Rolle zugesprochen wird. Denn:
„Wer schon die Aussprache einer solch unbestreitbaren Tatsache für unerträglich hält, der demonstriert nicht für den Frieden, sondern für den Okkupanten.“
Aha. Stegner wurde wohl ausgepfiffen, weil er von einem russischen Angriffskrieg sprach. Dass diese Störer allein deshalb für den Okkupanten - also die Russen - und eben nicht für den Frieden demonstrieren würden, ist hier der wesentliche Schritt ins Framing.
Stegner redet vom Frieden - positiv. Wer sich dagegen äußert - zwangsläufig negativ. Warum, wieso die Leute gepfiffen hatten, wird besser gar nicht thematisiert. Das blendet der Kommentator bewusst aus. Er will ein klares Schwarz-Weiß Bild zeichnen; evtl. Argumente der Störer (zum Beispiel die Vorgeschichte des Krieges seit 2014) sind da eher hinderlich.
„Putins deutscher Resterampe, die da so lautstark gepfiffen hat, geht es nicht, wie ihre Ikone Sahra Wagenknecht behauptet, um Friedens-, sondern um Kapitulationsverhandlungen.“
Nach dem platten Schwarz-Weiß Trick schmiert er noch etwas Pöbelei (aus Entrüstung? - würg!) hinterher. Die wahre Forderung der Störer wären Kapitulationsverhandlungen. Wagenknecht ginge es also gar nicht um Frieden. Argumente oder Belege für diese steile These bietet der Kommentator vorsichtshalber gar nicht erst an.
Hierzu möchte ich kurz anmerken, dass seinerzeit bei den Verhandlungen in Istanbul die Russen für die Oblasten mit russischer Bevölkerungsmehrheit lediglich eine stärkere Autonomie mit Verbleib in der Ukraine und eben nicht eine Okkupation gefordert hatten. Die Krim stand für die Russen da nicht mehr zur Diskussion; dort hatten sie ja auch eine Volksabstimmung zum Anschluss an Russland durchführen lassen; ähnlich wie das Saarland 1955 zum Anschluss an die Bundesrepublik ab 1957.
Dazu noch den Verzicht auf einen Nato Beitritt. Die Russen hatten sogar zur Einhaltung einer entsprechenden Vereinbarung eine Garantie durch Schutzmächte des Westen vorgeschlagen. Das hatte Selenskij dann jedoch nach einem Besuch von Boris Johnson ausgeschlagen, wurde der Ukraine doch eine starke Waffenunterstützung zugesagt.
Der Krieg musste für den Westen ja weitergehen, andernfalls wären die wertvollen Bodenschätze, welche die Ukraine für Waffenlieferungen quasi an Blackrock und Co. verscherbelt hätten, außerhalb der Kontrolle der westlichen Industriegiganten gewesen.
Und jetzt, zwei Jahre später, will hier im Westen niemand die seinerzeitige Fehleinschätzung der tatsächlichen Möglichkeiten und Lage zugeben. Ähnlich wie nach Corona.
„Mit einer Friedensbewegung, die diesen Namen verdient, hat das nichts mehr zu tun.“
Mit diesem vierten Satz schließt der Kommentator den Kreis. Wer fordert, dass das Töten unbedingt aufhören soll, setzt sich also nicht für Frieden ein. Das wäre ja auch Old School. Dem Leser wird verklickert, dass es nur um Gut gegen Böse geht, keine Zwischentöne. Dass der Russe hierbei den Bösen abgibt, hatte der Kommentator ja bereits im ersten Satz klargestellt. Die Ukraine wehrt sich lediglich, das muss man doch unterstützen.
Was lernen wir daraus? Das Böse muss bekämpft werden, das Gute muss beschützt und unterstützt werden. DAS ist also der wahre Frieden. Diese simple Botschaft kommt lediglich mit den zitierten vier Sätzen aus. Argumente für die steile These des Kommentators sucht man hier vergebens. Wäre allerdings auch schlecht, weil man dann mit Gegenargumenten rechnen müsste und daraufhin sehr bald in Erklärungsnöte kommen würde.
Dieses Muster lässt sich im Fall des Ukraine-Kriegs bei unseren großen Medien durchgängig beobachten. Und wer da aus der Reihe tanzt, wird dann verächtlich gemacht. Die bekannten Mainstreammedien halten ihre Reihen (noch) geschlossen.
Wehe also, wenn diese Wand Risse bekommt.

https://www.manova.news/artikel/der-sinn-von-gesellschaft
Es darf auch ruhig mal etwas Philosophisches sein. Ein Zitat aus dem Artikel:
„Gemeinschaftsgefühl erlebt der westliche Mensch des frühen 21. Jahrhunderts nur, wenn er sich bei X oder anderen Netzwerken mit anderen zusammen auf einen Shitstorm gegen einen Dritten verabredet. Dabei sitzt er alleine in seinem Kämmerlein. Dass jeder in der virtuellen Blase etwas bewegen könne: Das ist das letzte Narrativ, an das sich viele Menschen offenbar noch klammern.“
Also, Verdammte dieser Erde: „Geht’s raus und spielt Fußball!“ (Franz Beckenbauer)

https://monde-diplomatique.de/artikel/!6040380
Hier mal Aktuelles zur Nord Stream Sprengung von vor 2 Jahren. Generell muss ich konstatieren, dass der Blick aus dem Ausland auf Deutschland ein anderer ist als die Eigenwahrnehmung, die von „unseren“ Leitmedien verbreitet wird. Die Le Monde aus Frankreich ist überdies ja nun nicht als linkes Kampfblatt bekannt.
Die zur Zeit hierzulande beliebteste Theorie zur Sprengung von Nord Stream II ist die einer privaten „Initiative“ ohne Beteiligung staatlicher Stellen mit dem Segelschiff Andromeda. Le Monde zitiert hierzu den amerikanischen Journalisten Jeffrey Brodsky:
„Warum sollte eine ohne Dekompressionskammer operierende Tätergruppe ausgerechnet eine 80 Meter tiefe Stelle auswählen, während andere Positionen in unmittelbarer Nähe nur 30 Meter tief sind? Und warum wurde einer der Sprengsätze 75 Kilometer von den drei anderen entfernt angebracht?“
Es gibt im Fall der Sprengung Nord Stream II noch weitere Ungereimtheiten, die in diesem Artikel erwähnt werden. Die daraus resultierenden Fragen werden von den der deutschen Regierung unter Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht beantwortet. Ob die Ermittlungen überhaupt jemals abgeschlossen werden?
Mich erinnert das Verhalten unserer Politik eher an James Bond Filme. Möge jeder seine eigenen Schlüsse aus dem Verhalten der Verantwortlichen für die Untersuchung ziehen. Kleiner Tipp: Das Heute Journal stellt noch nicht einmal unbequeme Fragen. Die muss man aber stellen - nach mittlerweile zwei Jahren.

Alsdann: Bleiben Sie links, bleiben Sie kritisch. Und:
„I`m so bored with the USA. But what can I do?“

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