Als wir noch in Dresden weilten, hatte Harald bereits den Fernsehabend am Montag bei ihm und Maria abgesagt. Er wollte das Rückspiel der Relegation mit seinen Kumpels sehen. Meiner Löwin und mir war das nur recht, denn wir waren von unserer Kegelfahrt nach Dresden noch ermattet. Selbst um die Ecke zu Mary und Charles wollten wir nicht, zu Pocke und Patti wäre es zu anstrengend gewesen, denn meine Löwin musste ab diesem Montag bereits wieder arbeiten. Zum Glück hatte wenigstens ich frei.
Vor Spielbeginn war ich noch turnusmäßig bei meiner Rheumatologin, die zum Glück keine wilden Sachen mit mir veranstaltete. Die Dosis meiner wöchentlichen Spritze bleibt unverändert, eine tägliche Tablette als Alternative zur Spritze lehnte ich ab, als sie mir die möglichen Nebenwirkungen schilderte. Übelkeit und Haarausfall klingen nicht gerade nach Spaß, also spritze ich lieber weiter.
In den Tagen seit der Niederlage im Hinspiel hatten wir viel Zeit, um Optimismus zu tanken. Die Leistung des Hinspiels und vor allem das grandiose Spiel gegen Union Berlin, ebenfalls an einem Montag, ließen uns weiter von einem Aufstieg in die erste Liga träumen. Um diesen Traum weiter zu befeuern, ging ich nach dem Besuch bei der Rheumatologin sogar noch im Eintracht Fanshop beim Rathaus vorbei, um meiner Löwin ein Aufstiegs T-Shirt und einen Sweater zu kaufen.
Das Spiel rückte immer näher und die Spannung stieg weiter an. Das Bier war kaltgestellt und irgend etwas zum Knabbern stand ebenfalls bereit. Jetzt konnte das endgültig letzte Spiel der Saison beginnen. Experte heute Abend war Stefan Effenberg, der sich, soviel sei vorweggenommen, wohltuend kompetent und vor allem neutral verhielt. Ich würde sogar sagen, dass er sich leicht parteiisch zugunsten von Eintracht äußerte.
Wolfsburgs Trainer zeigte sich im Vorfeld unnötigerweise extrem arrogant. Er meinte, mehr als das, was Eintracht im Hinspiel geboten hätte, könne das Team nicht. Eine derartige Überheblichkeit muss doch einfach bestraft werden!
Und Eintracht legte auch entsprechend los. Unterstützt von den Fans auf den Rängen, übernahm Eintracht von Beginn an die Regie und kaufte den Wolfsburgern schnell den Schneid ab. Dabei hatte Lieberknecht auf Kumbela wegen der Verletzung aus dem Hinspiel verzichten müssen und Hernandez auf der Bank gelassen. Nyman musste sich vorne also alleine durchwühlen, und trotzdem hatte er nach 13 Minuten seine Chance, schoss aber nur den Keeper an.
Die Millionentruppe aus der Autostadt kam gar nicht erst ins Spiel, hatte aber weiterhin Glück. Das Valsvik nach 25 Minuten nicht genug Druck auf den Ball bekam, war einfach Pech. Aber die dickste Chance wurde dann von Reichel kläglich versemmelt: Nach einer schönen Kombination lief er von halblinks allein auf den Wolfsburger Torhüter zu, knallte den Ball aber vollkommen überhastet über das Tor. Das hätte es doch sein müssen, aber wie im Hinspiel ließ Eintracht das sichere Tor liegen. In der Saison hatten Reichel und Co. diese Chancen genutzt und so Punkte eingefahren, die viele Beobachter als unverdient ansahen.
Bereits zu diesem Zeitpunkt waren von den Rängen die Sprechchöre „Gomez ist ein Hurensohn“ zu hören, eine Reaktion auf dessen Äußerungen zu der Szene aus dem Hinspiel, die zum vollkommen unverdienten Elfer im Hinspiel führten. Gomez war sich natürlich keiner Schuld bewusst. Doch dieselben Fans, die Gomez beleidigten, hätten sicherlich gejubelt, wenn Kumbela im Hinspiel den Ball an die Hand bekommen, den Elfer reingeknallt und anschließend das Unschuldslamm gespielt hätte. Deshalb fand ich diese Chöre daneben.
So richtig unangebracht war auch der Bengalo nach der Halbzeit, der, aus dem Braunschweiger Block 9 geworfen, einen Ordner verletzte. Sofort stoppte die Anfeuerung des Teams, Block 8 beschimpfte korrekterweise die Idioten aus Block 9 und Wolfsburg nutzte seine einzige Chance während des gesamten Spiels, als Vierinha den Ball von der Strafraumkante volley in die Maschen drosch.
In der Halbzeit hatte Effe die Eintracht noch über den grünen Klee gelobt und traute dem Team auch den Sieg zu, aber nach diesem Tor war der Wille zum Sieg von Eintracht und auch den Zuschauern gebrochen. Und meine Löwin und ich waren schlagartig ernüchtert, nachdem wir aufgrund der ersten Halbzeit noch an den Sieg geglaubt hatten. Bis zum Schlusspfiff passierte nicht mehr viel, die rote Karte für Sauer registrierten wir nur noch am Rand.
Nach dem Abpfiff stürzten die Zuschauer aus der Südkurve auf den Platz. Es war deutlich zu erkennen, dass die Innentore geöffnet wurden. Von einem Stürmen des Platzes, wie es von den Qualitätsmedien kolportiert wurde, kann da nicht die Rede sein. Das die Wolfsburger Spieler fluchtartig in der Kabine verschwanden, ist mir aber aufgrund der Masse an Zuschauern, die auf den Platz stürmten, verständlich.
Die Wolfsburger Fans in der Nordkurve wurden von einem Kordon an Polizisten vor der ständig wachsenden Menge an Eintracht Anhängern, die Schmährufe skandierten, geschützt. Die Wolfsburger blieben allerdings bei den Schmähungen nichts schuldig. Es ist müßig, hinterher danach zu fragen, wer da eigentlich angefangen hat. Für die Medien waren natürlich die Eintracht Fans die Buhmänner. Was ich auch für Unfug halte; Am Tag danach benahmen sich die 60er Fans weitaus mehr daneben, indem sie die Plastiksitze aufs Feld warfen, auch noch während des Spiels.
Nach dem Schlusspfiff waren meine Löwin und ich natürlich enttäuscht. Auffällig war, dass die sonst übliche Whats App Kommunikation fast komplett ausfiel. Unser aller Euphorie platzte an diesem Abend wie eine Seifenblase, die ganze, über Monate angestaute Spannung verpuffte einfach nur in Traurigkeit. Wir waren noch nicht einmal mehr sauer auf den Schiedsrichter oder haderten mit dem Schicksal.
Eintracht hatte seine 100prozentigen Chancen versemmelt und Wolfsburg hatte dann leichtes Spiel, das Ganze unter Kontrolle zu halten. Schade, aber den Aufstieg hatte Eintracht so eb3en nicht verdient. Hoffen wir also auf die nächste Saison..
...Und dann begann vorgestern die neue Saison in Düsseldorf. Eintracht musste sich nach gutem Spiel und einer verdienten Führung mit einem 2:2 zufriedengeben. Aber die Leistung macht für die Saison Mut. Letzte Saison war Eintracht lediglich in St. Pauli und in Dresden so stark wie vorgestern bei den „Neanderthalern“. In Dresden meint bis zur 70. Minute und dem Anschlusstreffer und der folgenden Niederlage. Für mich war das die beste Auswärtsleistung der letzten Saison gewesen; wie gesagt: Bis zur 70. Minute.
Aber egal. Neue Saison, neues Hoffen und Bangen.
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