Sonntag, 29. Januar 2017

Uncle Fester: grad gelesen Januar 2017

Hannes Finkbeiner – Jogginghosen Henry
Der Roman spielt in Bad Harzburg und es geht um Metal. Ganz ehrlich, Leute: Den Roman musste ich lesen. Und ich nehme es gleich vorweg: Der Roman ist relativ einfach geschrieben, also so ungefähr wie meine Schreibe. Mit der gewissen Spur an Selbstironie, da habe ich als Assoziation Tommy Jaud anzubieten, einen Autor, den ich nicht so gern lese, weil es zumeist um irgendwelche Yuppies geht, die einfach nichts mit ihrem Leben anfangen können. Man könnte die Personen, über die der Autor berichtet, als degeneriert beschreiben.
Bei Finkbeiner ist das kaum anders, allerdings geht es hier um eine Nische der Jugendkultur, den Metalfans. Henry, der immer Jogginghosen trägt, ist ein langhaariger Schlaffi aus Bad Harzburg, der im Supermarkt Regale einräumt und sich zu 100% dem Metal verschrieben hat. Der Roman spielt fast ausschließlich auf einem imaginären Festival im Harz – dem Hardbeat Festival. Wacken stand hierfür sichtlich Pate, aber die gewollte Verbindung zum Harz hat es mir angetan.
Jahr um Jahr fährt Jogginghosen-Henry auf dieses Festival. Mit dabei sind seine Kumpels Grabriel, dessen Vater Bestattungsunternehmer ist, und Felix, einem angehenden Banker. Beim ersten Festival stößt noch der verlotterte Evil Enrico zu der Gang, der offenbar allen Klischees eines wahren Rockers entspricht, in Wirklichkeit aber im Dorf brav bei seiner Mutter wohnt.
Beim ersten Festival verknallt sich Henry hoffnungslos in die bildhübsche Janka, ist aber zu schüchtern, um sie klarzusprechen. Beim 3. oder 4. Festival muss er mitansehen, das sich sein Kumpel Felix Janka gekrallt hat und bei ihr zum Stich kommt. Der enttäuschte Henry säuft sich so richtig zu, fickt auch irgendeine andere Frau (endlich!) und schnallt zum Schluss des Romans endlich, das Janka eigentlich ne Schlampe ist.
OK, das war Rockerjargon. Janka ist ein ungebundenes Mädchen, welches seine Erfahrungen machen möchte. Kennen wir doch alles, oder Jungs? Diese insgesamt eher ´harmlose Geschichte, die mit anderen Personen auch als Arztroman durchgehen könnte, wird sichtlich aufgepeppt durch die Szenerie der Metalfans.
Aber eines hat Finkbeiner mit seinem Roman auf alle Fälle geschafft: Metalfans sind auch nicht anders drauf als Schlagerfans. Die Musik ist nicht wirklich der Lebensstil dieser Menschen, sie posen nur bei Gelegenheiten wie Konzerten oder eben Festivals. Die auch von mir in vergangenen Zeiten gern gezeigte Arroganz gegenüber Schlagerfuzzis oder Normalos, die nicht wissen, was wirklich wichtig (also Musik, was sonst) ist, entbehrt jeglicher Grundlage. Denn ob Rocker, Punk oder Schlagerfuzzi. Wir alle wollen nur eine Frau, viel Geld verdienen, um uns nen Auto oder Haus oder was auch immer kaufen zu können und brauchen natürlich Freunde, die ähnlich ticken wie wir.
Und die einen gehen Sonntags in die Kirche, die anderen im Sommer aufs Metalfestival.

                    

Kim Stanley Robinson – Aurora
Die Mars Triologie von Robinson hatte ich vor Jahren gelesen und fand sie wohl gut. An diesem Roman hat mich die Grundidee fasziniert. Ein Generationenraumschiff ist mit einer Population von knapp über 2000 Menschen zum Tau-Ceti-System unterwegs, um dort einen bewohnbaren Mond eines Gasriesen zu besiedeln.
Nach über 170 Jahren erreicht das Schiff Tau Ceti. Die Kolonisten sind sämtlich aus der 3. oder noch späteren Generation der ursprünglichen Siedler. Das Raumschiff besteht aus 2 großen Rädern mit jeweils 12 geschlossenen Biotopen von jeweils vielleicht 10 Quadratkilometern, die alle verschiedenen Klimazonen der Erde nachempfunden sind.
Hauptperson des Romans ist Freya, die Tochter der Wissenschaftlerin Devi, die als wohl Einzige der Menschen an Bord in der Lage ist, das Gleichgewicht des Raumschiffs zu bewahren. Die künstliche Intelligenz des Raumschiffs unterstützt sie dabei. Der Vater Badim ist da eher der Künstler und quasi Hausmann.
In ihren jungen Jahren, kurz vor der Ankunft am Zielort, wandert Freya von Biotop zu Biotop. Der Leser lernt so verschiedene Biotope und das an die Notwendigkeiten der Ressourcenschonung angepasste gesellschaftliche Leben kennen. Dabei trifft sie sich immer wieder mit dem gleichaltrigen Euan, ihrer großen Liebe.
Euan ist dann auch beim ersten Außenteam auf dem Mond im Tau Ceti System mit dabei. Es sieht alles ganz gut aus, bis eine Teilnehmerin aus Versehen im Treibsand versinkt und dabei ihr Anzug aufreißt. Über die Wunde handelt sie sich ein außerirdisches Virus ein, an dem sie und ein Großteil des Außenteams stirbt. Auch Euan ist unter den Opfern.
Die Überlebenden kehren schnell zum Raumschiff zurück, werden dort aber von ängstlichen Bewohnern der Biotope getötet, bevor sie das Schiff dekontaminieren können. In der Folge entbrennt ein Streit um das weitere Vorgehen der Expedition. Die Mehrzahl will ihr Glück auf einem anderen Mond versuchen, eine Minderheit, unter ihnen Freya und Badim, wollen zurück zur Erde fliegen.
Ab diesem Zeitpunkt fängt der Roman an, schlecht zu werden. Devi war bereits beim Hinflug verstorben, der Roman konzentriert sich jetzt ausschließlich auf die Rückkehrer zur Erde. Die Crewmitglieder, die ihr Glück im Tau Ceti System versuchten, tauchen bis zum Schluss des Romans gar nicht mehr auf.
Dann entdecken die „Heimkehrer“ dank aufgefangener Nachrichten von der Erde, das sie nur dann die Erde erreichen können, wenn sie sich in Tiefkühlkammern zurückziehen. Jetzt wird alles aus der Perspektive der künstlichen Intelligenz erzählt, die über mehr als 50 Seiten den Leser in tiefste Langeweile versetzt.
Endlich ist das Schiff nach schwieriger Abbremsphase in den Erdorbit gelangt und setzt die aufgewachten Überlebenden per Rettungskapseln ab. Das Schiff samt künstlicher Intelligenz stürzt in die Sonne und gut ist.
Die Überlebenden sind am Ende des Romans Fremde auf der Erde, die misstrauisch beäugt werden und nirgendwo willkommen sind. Dies ist zumindest gut beschrieben und stimmte mich nachdenklich. Schön philosophisch halt. Am Schluss surft Freya stumpf im Meer und lernt dabei Kaya kennen. Dankbar küsst sie den Sand des Heimatplaneten der Menschheit.
Ich bin enttäuscht. Der Autor hat ein entwicklungsfähiges Szenario in der zweiten Hälfte in philosophische Träumereien abgleiten lassen und die an sich fesselnde Story getötet. Ich weiß nicht, ob ich mir Kim Stanley Robinson noch einmal antue.

Jack McDevitt – Apollo
Alex Benedict, der Indiana Jones des Alls, ist mit seiner Assistentin Chase Kolpath, aus deren Sicht der Roman wie üblich erzählt wird, unterwegs, um die seit 9000 Jahren verschollenen Artefakte der ersten Mondlandung von Apollo 11 zu finden. Hier droht kein Tiefgang, sondern einfach nur gute Unterhaltung
Nachdem der Archäologe Garnett Baylee auf Rimway, dem Heimatplaneten von Alex und Chase, verstorben ist, wird bei ihm einer der ersten Transmitter, die erstmals einen Flug schneller als das Licht ermöglichten, gefunden. Wie Chase schnell herausfindet, hatte Baylee offenbar die während des dunklen Zeitalters im 3 Jahrtausend nach Christus verloren geglaubten Artefakte aus dem Florida Space Center, darunter auch die Apollo Kapsel, gefunden. Aber warum hatte Baylee das Wissen darüber mit ins Grab genommen?
In einem zweiten, parallelen Handlungsstrang, geht es um das im Hyperraum gestrandete Raumschiff Capella, das lediglich alle 5einhalb Jahre wieder auftaucht und auf dem Gabe, der Onkel von Benedict, zusammen mit über 2000 Passagieren seit 16 Jahren auf Rettung hofft. Auf der Capella selbst sind nur wenige Tage vergangen; ein sorgsam ausgeklügelter Rettungsplan kann nur 200 Passagiere bergen.
Zur Apollo: Alex und Chase besuchen die gute alte Erde. Es ist zwar interessant zu lesen, wie die Erde im zwölften Jahrtausend aussehen könnte, aber es passiert in diesem Handlungsstrang nicht viel. Chase verliebt sich noch in einen Bootsverleiher, der sich jedoch als Komplize von Southwick und Heli Tokata, der Ex-Geliebten von Baylee, entpuppt.
Die Auflösung des Rätsels um die Artefakte ist dann banal. Während des dunklen Zeitalters hat ein griechischer Wissenschaftler die Artefakte auf den Asteroiden Larissa in Sicherheit gebracht, wo sie von Garnett Baylee 9000 Jahre später gefunden wurden. Southwick war dabei, als Baylee nahezu die gesamte Sammlung durch Unachtsamkeit in die Luft gehen ließ. Von diesem Schock erholte er sich bis an sein Lebensende nicht mehr.
Und als ich, vom mageren Ende doch etwas enttäuscht, die letzten Seiten in Angriff nahm, kehrte die Capella doch tatsächlich dank eines Experiments in den Normalraum zurück. Gabe wartete im Landhaus auf Chase und Alex.
Ich würde sagen: Jack, das kannst Du besser. Trotzdem werde ich den nächsten Band wieder lesen, sofern es noch einen geben sollte. Jack McDevitt ist schon über 80.

Nils Havemann – Samstags um halb 4
„Die Geschichte der Fußballbundesliga“ lautet der Untertitel dieser eher wissenschaftlichen Abhandlung, die sich aber spannend liest. Der Autor beschreibt hier die Entstehungsgeschichte der höchsten deutschen Spielklasse seit den 50er Jahren sehr ausführlich.
Sehr schön auch die Beschreibung der Anfangsjahre, als die Gehälter noch auf 500,- Mark monatlich gedeckelt waren und die Clubs sich Tricks einfallen lassen mussten, um die dan doch höheren Gehälter zu verschleiern. Auch der Bundesligaskandal 1971 wird sehr gut beschrieben. Wie man sieht, geht es in dem Buch eher um wirtschaftlicher Belange.
Aber Havemann geht auch auf Soziologisches wie die Fankultur näher ein. Ich persönlich finde es letztendlich gut, das Havemann seinen Report in den 80ern quasi ausklingen lässt. Denn seitdem haben sich die Strukturen doch eher gefestigt. Ein wichtiges Werk, zweifelsohne.

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