Auf dem Rückweg vom geschlossenen Cafe kam mir meine Löwin schon mit sorgenvollem Blick entgegen. Das beruhigte mich etwas, ich riss mich zusammen. Sie fragte mich zielgerichtet, ob ich die Brieftasche verloren hatte oder ob sie mir geklaut wurde. Ich konnte mich schlecht konzentrieren, alles stürzte auf mich ein. Meine Gedanken drehten sich schneller und schneller, mehrere Gedanken kollidierten förmlich miteinander.
In einer Seitenstraße links von uns standen die Bullen. Meine Löwin lotste mich dorthin, fast schon widerwillig kam ich mit. Ich wollte diese Scheiße nicht noch mal erleben. Vor 15 Jahren hat mich die Wiederbeschaffung meiner geklauten Papiere monatelang beschäftigt und sowohl Zeit als auch Nerven gekostet. Und damals hatte ich noch ein Auto. Allein die Vorstellung, das ich die ganzen Wege mit Bus und Bahn erledigen müsste, brachte mich schier um den Verstand. Das brauchte ich wirklich nicht.
Während meine Löwin den Bullen die Situation schilderte, hing ich in der Hotline meiner Bank. Klar, als allererstes musste ich einfach meine Karten sperren. Das ging auch unproblematisch und schnell, was fehlte, war meine Visa. Die Nummer des Sperrservices hatte ich eben nicht dabei. Daher gingen wir noch einmal in die Hütte zurück, um uns zu verabschieden. Auch Ulf fragte mich noch einmal ab, um mir zu helfen, mich an den Nachmittag zu erinnern.
War leider zwecklos, ich hatte im Hirn eine regelrechte Blockade. Im Auto, auf der Fahrt zurück nach Braunschweig, hing ich meinen trüben Gedanken nach. Fieberhaft überlegte ich hin und her. Entweder hatte ich die Brieftasche im Cafe oder im Bus liegen gelassen. Beim Finnen hatte ich zwischenzeitlich noch nachgefragt, da hatte ich sie wohl nicht liegen gelassen. Und wenn sie mir geklaut worden war, konnte ich eh nur hoffen, das der Räuber die Brieftasche in irgendeinen Briefkasten schmeißt, damit ich nicht allzu viele Laufereien habe.
Meine Löwin nahm die ganze Angelegenheit ganz schön mit. Das war das Schlimmste an der Angelegenheit, das war richtig niederschmetternd. Schnell ließ ich zuhause die Visa sperren, dann tröstete ich noch meine Löwin, die alsbald einschlief. Ich köpfte noch das eine oder andere Bier, bevor ich mich hinlegte, und legte meinen Fahrplan für den nächsten Morgen fest, wenn ich im Büro bin.
Als erstes würde ich bei der KVG anrufen, denn irgendwie schien es mir am zutreffendsten, das ich meine Brieftasche beim Bezahlen des Aufpreises für die Fahrkarte beim Fahrer liegen gelassen hatte. Danach würde ich mit dem Cafe telefonieren. Entweder war mir die Brieftasche aus der Jacke gefallen oder ich habe sie im Klo abgelegt. Eine dritte Möglichkeit sah ich nicht, ich würde beim Scheitern der ersten zwei Möglichkeiten in den sauren Apfel beißen müssen und hätte demzufolge viel Arbeit vor mir.
Im Bus zog ich mir am Mittwochmorgen eine Fahrkarte und fuhr nach Salzgitter. In meinem Büro fieberte ich förmlich dem Zeitpunkt entgegen, an dem ich endlich bei der KVG anrufen konnte. Gegen 8.30 Uhr rief ich dann endlich an, wurde von der Mitarbeiterin der KVG in Salzgitter an die Mobilitätszentrale am Kornmarkt in Wolfenbüttel verwiesen. Und siehe da, meine Brieftasche befand sich dort!
Die Mitarbeiterin in Wolfenbüttel hatte mich sogar schon zuhause angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Was für eine Erleichterung! Ich machte früher Feierabend und fuhr erneut mit dem Schnellbus nach Wolfenbüttel. Überglücklich nahm ich meine Brieftasche entgegen und spendete noch einen Zehner für die Kaffeetasse, das war das Mindeste. Ein emotionelles Auf und Ab lag hinter mir; Mittwoch vor Weihnachten war somit der schönste Tag seit langem, wie Ihr Euch unschwer vorstellen könnt.
Fehlt jetzt noch nach dem Depri der Aggro. Den hatte ich Heiligabend, und zwar nach dem Aufstehen. Den Freitag hatte ich noch gearbeitet, trotz eines Treffens zum Doko im Come in am Vorabend. Freitag Abend war ich ergo dementsprechend ermattet, aber Samstag früh – Heiligabend – wollte ich zum Frühstück für meine Löwin und mich noch Brötchen und Mett aus dem Einkaufszentrum besorgen.
Klassischerweise nehme ich mein Fahrrad für diese kurze Strecke, aber ich habe die Fitness in den letzten Monaten etwas schleifen lassen. Hinzu kam an diesem Morgen, das ich noch ein Päckchen von Amazon aus der Packstation abholen wollte. DHL hatte das Päckchen natürlich nicht in die von mir gewählte Packstation an der Aral um die Ecke hinterlegt, sondern in die Packstation am Affenfelsen. Anstatt das Päckchen wenigstens in deine der Stationen am Bahnhof zu packen, wo ich jeden Tag problemlos vorbeikomme, stecken sie das Ding in die Hamburger – Ecke Ring – Packstation.
Ganz klar, ich brauchte das Auto. Das Päckchen hatte ich schon 3 Tage in der Packstation liegen lassen, es wurde also Zeit, es abzuholen. Der Inhalt des Päckchens bestand übrigens aus einem Geschenk für den Menschen, der mir am wichtigsten ist – für mich! Aber als erstes würde ich Brötchen und Mett besorgen. Nicht das das Blockmett morgens um halb Neun bereits ausverkauft ist.
Meine Löwin wollte ich nicht zu lange warten lassen, deshalb brach ich überhastet auf. Schnell war ich im Einkaufszentrum und fand auch gleich einen Parkplatz vor der Schule gegenüber. Und groß war dann meine Freude, als mir der Pionier entgegenkam. Mit dem Pionier bin ich mehr als 5 Jahre lang zusammen zur Arbeit gependelt; mit Bus und Bahn nach Salzgitter. Erst als die Taktung des Zuges verbessert wurde und die Abfahrtzeit um 30 Minuten verschoben wurde, trennten sich unsere Fahrwege.
Der Pionier fährt seit einigen Jahren mit dem Bus nach Salzgitter; ich dagegen fahre mit dem Rad zum Bahnhof und dann mit dem Zug. Auf der Arbeit sehen wir uns nie, da der Pionier in einem anderen Amt arbeitet. Umso mehr freute ich mich, ihn am Heiligabend eine frohe Weihnacht wünschen zu können. Er saß schon im Auto und fuhr gerade wieder weg. Auch der Pionier war beim Schlachter und Bäcker gewesen, jetzt ging es für ihn auf dem direkten Weg nach Hause.
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