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Onkel Hotte und ich soffen uns noch durch ein oder zwei andere Bars, bis wir bei beginnender Dämmerung in den Schluchten der Bettenburgen für die Touristen das Lokal von Günter Siebert anliefen.
"Oscar's Tanzpub" in Playa del Ingles, da dürfte bei jedem Schalke Fan das Herz etwas höher schlagen. Oscar war der Spitzname von Günter Siebert, der in der letzten Schalker Meistermannschaft von 1958 spielte und ab Ende der 60er Jahre jüngster Präsident eines Bundesligisten aller Zeiten war. Ende der 70er und 1988/89 war er noch jeweils für knappe 2 Jahre Präsident von Schalke 04, ehe er sich komplett nach Gran Canaria zurückzog.
Der Eingang befindet sich direkt neben dem Eingang zum 4 Sterne Hotel Dunamar (so heißt der Bau heute, falls Du mal dorthin willst). Das einzigartig pyramidenförmige Gebäude liegt direkt gegenüber dem Playa del Ingles und ist natürlich nichts für den 20jährigen Metalfan. Das war mir nach dem ersten Blick in den Laden sofort klar.
Es versteht sich von selbst, das Günther Siebert sofort auf uns losstürmte, um seinen alten Freund Onkel Hotte persönlich zu begrüßen. Hotte versäumte es auch nicht, mich Günther vorzustellen. Artig gab ich dem ehemaligen Präsidenten des FC Schalke die Hand und schwätzte ein wenig mit dem braungebrannten Ruheständler. Ich weiß zwar nicht mehr, über was wir uns unterhielten, weil ich vom vielen Wodka Lemon schon gut angeschiggert war.
Spätestens jetzt sollte endgültig klar sein, das Onkel Hotte mitnichten nur der ständig besoffene Penner war, der in seiner Stammkneipe in Lebenstedt auch schon mal im Schlafanzug auftauchte. Er war früher halt sehr viel herumgekommen dank seines Jobs, ist aber immer bodenständig geblieben. Bedauerlich finde ich dagegen, das Wastl, der ihn ja am allerlängsten kannte, Onkel Hotte immer nur als fertigen Säufer hinstellte. Dieses Bild wurde Onkel Hotte in keinster Weise gerecht.
Genug geredet, es wurde Zeit, an die Theke zu gehen. Da ich die Sonnenbrille mittlerweile abgesetzt hatte, konnte ich auf dem Weg zur Theke schon einmal die Kneipe checken. Das Musikprogramm bestand aus den üblichen Schlagern, bloß nichts aktuelles, sondern eher 20 bis 30 Jahre altes Zeugs.
Alles zu zweit tanzbar, deshalb war die Tanzfläche auch voll mit Pärchen ab Ende 40, und das ist noch geschmeichelt. Vorsichtig schlängelten wir uns durch die Tänzer durch, denn das war der einzige Weg zur Theke. Wodka Lemon, bitte! Und das reichlich.
Nach kurzer Zeit hatte Onkel Hotte sich mit einer Frau an dieser Theke festgesabbelt, die Drinks hielten das Gespräch am Laufen. Schön, das Hotte in diesem Laden sein passendes Beuteschema gefunden hatte. In den anderen Läden, die wir aufgesucht hatten, war das Alter des Publikums erheblich geringer als hier. Das ist nichts für Onkel Hotte gewesen, solch „junge Dinger".
Bei mir war das logischerweise eher umgekehrt. In den anderen Läden hatte ich die ganze Zeit sicherlich immer auf die Mädels geschaut, aber ich war ja mit Onkel Hotte unterwegs und außerdem eher am Saufen interessiert. Wenigstens konnte ich so meine große Schüchternheit überspielen, die mich seinerzeit immer noch Plätze.
Umso erschrockener war ich deshalb, das ich von einer der anwesenden Damen In „Oscar's Pub" angesprochen wurde. Sie war aber ganz nett und ich wollte Onkel Hotte, der neben mir stand, nicht die Tour vermasseln. Ach Scheiße, nein, ich war breit und die Frau war ganz nett und sah dann wohl doch nicht wie eine Oma kurz vor der Rente aus.
Bestimmt war sie viel jünger, sondern wäre ich auch nicht mit ihr auf die Tanzfläche gegangen, oder? Hatte ich vielleicht doch noch auf dem Klo eine Rakete gezündet, weil der ganze Laden förmlich danach schrie? Für mich war die ganze Szenerie einfach nur suspekt; Die tanzenden Rentner, die hier noch einmal auf blühten und ihren Spaß hatten. Zuhause in Braunschweig wäre ich aus so einem Laden sofort raus gerannt, da hätte ich es nicht einmal auf ein Bier durchgehalten.
Aber hier auf Granni war es etwas anderes, dazu war ich ja mit Onkel Hotte unterwegs. Und er hatte es auch verdient, einmal in einem Laden zu sein, wo er sich wirklich wohlfühlte. In den ganzen „Disco Kneipen" kam er sich wahrscheinlich wie ein Fremdkörper vor und dort sich einfach zu. Sein Sarkasmus half ihm in solchen Läden natürlich weiter. Nur hier bei Günther Siebert fand er adäquate Gesprächspartnerin, wo er auch freiwillig einen schmalen Fuß machte.
Und nicht nur bei Gesprächen an der Theke, nein! Auf der Tanzfläche schob er eine Frau von Nord nach Süd, so wie man es in der Tanzschule gelernt hatte. Außer mir selbstverständlich, denn ich habe nie die Tanzschule besucht. Nicht weil ich Mädchen doof fand, sondern weil ich mich nicht drum gekümmert hatte und meinen Eltern dies egal gewesen war.
Hoffentlich hatte ich der Frau nicht allzu häufig auf die Füße gelatscht, aber ein begnadeter Tänzer war ich sicherlich nicht. Irgendwann war der Alptraum auf der Tanzfläche vorbei und wir fanden uns an der Theke wieder. Ich hatte den festen Vorsatz gefaßt, Onkel Hotte zu unterstützten und hier auszuhalten, auf das er mit der Frau verschwindet und ich mich schnellstmöglich zurück in unser Appartement begeben könnte.
Doch Onkel Hotte hatte nicht wirklich ein Interesse an der Frau, er wollte lieber mit mir durch die Kneipen ziehen. Oscar's Tanzpub hatte er mir ja nun vorgestellt, jetzt aber war es an der Zeit zu gehen, worüber ich nicht unglücklich war. Ich weiß nicht mehr, ob wir hinterher noch im „Pflaumenbaum" waren, aber irgendwo werden wir sicher noch versackt sein.
Lull und lall sind Onkel Hotte und ich dann irgendwann zu nachtschlafender Zeit in unser Appartement getorkelt, wo ich dann noch eine Abschlussrakete steigen ließ, obwohl ich auch ohne diese hätte einschlafen können. Aber es gibt ja Rituale, ohne die geht es nun einmal gar nicht.
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