Am 22. und 23. April war es wieder soweit; die Lokführer der Bahn streikten mal wieder. Es war wohl der 7. Streik in den vergangenen 10 Monaten und eine Einigung zwischen der GdL (Gewerkschaft der Lokführer) und der Bahn als Arbeitgeber ist nicht in Sicht.
Waren die Bahnkunden schon in der Vergangenheit verärgert – auch Hartmudo wird hierzu demnächst etwas zu berichten haben – und reagierten häufig säuerlich, fielen dieses Mal die Reaktionen dann doch heftiger aus. Ein gefundenes Fressen für die Medien, wie Contramann in den Nachrichten feststellen durfte.
Im Bericht der Heute Nachrichten im ZDF redete eine Frau auf einen Streikposten der GdL ein. Diese hasserfüllte Hackfresse fragte den Streikposten allen Ernstes, wie sie jetzt zu ihrer Arbeit kommen solle. Der Mann in der weißen Plastiktüte (das Wort „Streik“ groß und in grün vorne drauf) nickte verständnisvoll und verwies die Frau höflich an die Information der Bahn am Schalter im Hintergrund.
Dies beruhigte die Furie keineswegs. Hysterisch kreischend klärte sie den Streikposten darüber auf, dass sie jetzt nicht pünktlich zu ihrer Arbeit im Altenheim käme und die Alten dadurch jetzt nicht versorgt werden könnten. Ob er das denn für sozial hielte…
Der Streikposten konnte daraufhin logischerweise nur mit den Schultern zucken, woraufhin die Frau wutschnaubend zum Schalter stapfte. Und schwupp – schon war die Reporterin da und hielt dem Streikposten ein Mikro unter die Nase.
Ob er denn selbst noch an den Sinn des Streiks glauben würde, wenn er die Reaktion der genervten Bahnkunden so erlebe. Ein ungutes Gefühl hätte er schon dabei, meinte dieser als Entgegnung auf diese üble Suggestivfrage. Er wisse nicht, ob noch ein weiterer Streik machbar wäre.
So weit ist es in diesem unserem Lande mittlerweile gekommen. Nicht aus Angst vor dem Arbeitgeber oder drohendem Jobverlust bricht der Streikwille einer ganzen Berufsgruppe zusammen. Nein, die Kombination aus Medienschelte und unsolidarischen Mitbürgern – hier betroffene Kunden – reicht schon vollkommen aus.
Es geht auch nicht mehr darum, warum und wofür gestritten wird. Das die von der Wirtschaft und sonstigen Elite gesponsorte Medienwelt hier gerne Öl ins Feuer gießt, ist unschön, aber wenigstens noch nachvollziehbar. Die machen halt auch nur ihren Job. Ob die Reporterin wie auch andere, ähnlich funktionierenden Mediengestalten hinterher noch in den Spiegel gucken können… wer kann das schon?
Zu der ganzen Thematik um die GdL ist der folgende Artikel von Jens Berger erhellend:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=23772
Um das Wichtigste zusammenzufassen, sei zuallererst erwähnt, dass von den 37000 Beschäftigten im Fahrpersonal, für die einzutreten die GdL den Streik betreibt, 19000 in der GdL organisiert sind, aber lediglich 8000 in der EVG, die dem DGB angegliedert ist und die laut Bahn, aber auch den Leitmedien die „große“ Gewerkschaft sein soll. Also die, die nach den Plänen der Bundesregierung zwecks Novellierung des Tarifrechts hinterher allein Tarifverhandlungen mit der Bahn führen dürfte.
Nun zählen zum Fahrpersonal außer den Lokführern noch Zugbegleiter oder auch Bordgastronomen. Und wenn man die eben genannten Zahlen sich vergegenwärtigt, ist es eine bodenlose Frechheit, wenn von den Medien kolportiert wird, dass die Lokführer ihre Macht, da unverzichtbar für den Fahrbetrieb, ausnützen würden, um Tarifverhandlung für „artfremde“ Personengruppen zu führen. Es würde sich bei der GdL ja um die kleinere, gar eine Spartengewerkschaft, ausschließlich eben der Lokführer, handeln.
Geforderte Tariferhöhungen gerade für diese artfremden Beschäftigten oder auch Arbeitszeitverkürzungen werden von den Medien und damit von der Öffentlichkeit gar nicht mehr wahrgenommen. Alles reduziert sich auf die Behauptung, dass insbesondere der Vorsitzende Weselsky hier aus reinem Machtkalkül die Lokführer streiken lassen würde, einfach um den Fortbestand der GdL zu erzwingen.
Und dieses mediale Dauerfeuer macht die Leute zornig. Das Traurige daran ist, dass die durch den Streik betroffenen Kunden der Bahn immer gereizter werden. Dies ist sehr schön in Internet Foren nachzuvollziehen; Die Furie aus den Heute Nachrichten ist da nochmal ne Steigerung. Irgendwann schlägt da noch mal jemand zu.
Es ist für Contramann tatsächlich schwer zu begreifen, wie degeneriert die deutsche Gesellschaft mittlerweile geworden ist. Immer nur ICH, ICH, ICH!
…Oh, jetzt streiken die schon wieder und ICH komme nicht zur Arbeit… oder muss mit dem Auto fahren… Jetzt muss ICH richtig Geld bezahlen, weil die Züge nicht fahren… Millionen Pendler werden in Sippenhaft genommen, Schweinerei… Das ist Sabotage an der Wirtschaft, also eine Straftat….
Ich suche noch nach Kommentaren wie „an die Wand stellen“ oder gar „den Weselsky haben sie damals vergessen“. Unglaublich diese jammernden Gestalten. Diese A…löcher sind die wersten, die sich über mangelnde Solidarität beklagen, wenn sie selber meinen, mal streiken zu müssen. Nach dem Motto „MIR geht es schlecht und keiner hilft mir!“
Das ist nun wirklich ätzend. Was soll denn das? Vor 25 Jahren haben sich alle aufgeregt, das der Staatsbetrieb Bahn so lahmarschig sei und sich gefreut, als es mit der Privatisierung voranging („da müssen die dann auch endlich mal arbeiten wie ICH“). Dass bereits die Transnet, Vorgänger der EVG, Lokführer in Zeitarbeit für 7,50 € die Stunde anfangs dieses Jahrtausends einstellte, war dann ja auch richtig.
„Die drehen ja nur die Geschwindigkeit hoch und runter und halten den Fuß auf nem Knopf, aber ICH…“ Ja, ja. Es arbeiten ja auch alle bis zum Umfallen in dieser Gesellschaft, schon klar.
Dann sind die Eisenbahner endlich privatisiert und müssen richtig arbeiten, aber streiken dürfen sie deswegen noch lange nicht, wenn es nach dem deutschen Michel geht. Dieser zunehmende Egoismus der deutschen Bevölkerung geht Contramann mehr und mehr auf den Zeiger.
In anderen Ländern sind Streiks und Solidarität mit streikenden Arbeitern gang und gäbe und gehören quasi schon zur Folklore. Aber das deutsche Duckmäusertum ist mit Otto Graf Bismarck eben nicht untergegangen.
In Deutschland gab es ja auch noch nie eine erfolgreiche Revolution. Und jetzt komm mir keiner mit den Montagsdemos 1989. Wenn seinerzeit nicht Gorbatschov Honnecker und Co einfach so „im Stich gelassen“ hätte, dann wäre die ganze Chose so ausgegangen wie im Juni 1953. Sicherlich wäre der Ostblock später von alleine zusammengebrochen, aber bestimmt nicht deshalb, weil ein paar Tausend kerzenschwingende Sachsen in Leipzig abends spazieren gingen.
Ich kann nur sagen: Macht weiter, GdL. Lasst Euch nicht unterkriegen.
Aber ich befürchte das Schlimmste. Die Menschen sind einfach so. Zuerst komme ICH und dann erst mal gar nichts.
Rettet die armen Flüchtlinge im Mittelmeer – aber bloß kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! Ich bin aktiv – Ich spiele mit beim Quizduell mit Jörg Pilawa, habe aber keine Zeit wählen zu gehen. Bei dem schönen Wetter… Und diese Lokführer und Flugkapitäne sollte man alle entlassen. Ich arbeite schließlich auch hart im Büro und streike nicht andauernd.
Diese Liste könnte ich noch ewig weiterführen, doch Ihr wisst auch so, was ich meine. Mehr und mehr kann ich neuerdings nachempfinden, warum sich viele ehemals engagierte Menschen urplötzlich aus dem Geschehen zurückziehen und sich noch nicht mal mehr äußern.
Für wen eigentlich? Einen Großteil der Leute interessiert es ja doch nicht, was mit ihnen geschehen wird. Erst wenn sie direkt betroffen sind, jammern sie rum. Und vorher machen sie sich über Dich lustig, weil Du Dich für Andere engagierst.
Jo mei, I kännt speien!
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