Dienstag, 19. Mai 2015

Uncle Fester: Wool Triologie

Hugh Howey hat mit diesen 3 Romanen ein Highlight setzen können; Und das in vielerlei Hinsicht. Da wäre zuerst die packende Story zu nennen. Zum ersten Roman „Silo“ hatte ich mich letzten Monat schon geäußert, zu den beiden anderen Romanen unten mehr.
Richtig interessant ist die (noch) ungewöhnliche Vermarktungsstrategie von Howey. Dazu möchte ich etwas weiter ausholen. Hugh Howey, 1975 in Charlotte, North Carolina, geboren, wuchs mit Star Wars auf und träumte bereits als Teenager davon, Autor zu werden. Bereits in jungen Jahren las er Shakespeare und George Orwell. Nach cder Lektüre der drei Bücher überrascht mich das in keinster Weise.
Am College hielt es der rastlose Howey lediglich ein Jahr lang aus, dann kamen die Jobs. Als Buchhändler war er da ja noch nahe dran am Literaturzirkus, aber in der Folge verdingte er sich u.a. als Bootsbauer, Dachdecker oder auch Skipper. Letzterer Job quasi von den Bahamas bis nach Kanada. Erst als er seine spätere Frau kennenlernte, wurde der alte Streuner sesshaft und zog mit seiner Frau nach Florida.
Hier, mit Heim und Hund, kam er zur Ruhe und besann sich auf seinen Jugendtraum. Ab jetzt ging es schnell: „Wool“, die Geschichte einer Menschheit, die unterirdisch in Silos lebt, weil die Erdoberfläche vermeintlich komplett verseucht ist, war ursprünglich nur als kurze Novelle konzipiert.
Da Hugh keine Erfahrungen mit Verlagen und Agenten hatte, veröffentlichte er Wool in Eigenregie als Ebook bei Amazon. 99 cent sollte der Text kosten. Auf diese Weise versuchen es viele Autoren, weil man auf diese Weise seinen Text praktisch gleich vom eigenen Rechner aus direkt vermarkten kann, ohne dass ein Verleger oder ein Lektor drauf guckt und den Text durch Änderungswünsche verhunzt.
Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass viele Autoren ihre Texte nur deshalb über Amazon als Ebook vertickern, weil ihre Stories vorher von einem Lektor eines Verlages abgeschmettert worden waren. Denn stellenweise ist die Qualität dieser Traktate stark grenzwertig – da könnte ich meine Texte ja auch als Buch über Amazon vermarkten.
Nicht so im Falle des Hugh Howey. Obwohl er auf einen Lektor verzichtete, fanden mehr und mehr Leser Gefallen an der kurzen Story. Howey sah sich gezwungen, die Geschichte mit weiteren Texten auszudehnen. Auf diese Weise entstand der in meinen Augen geniale Anfang, in dem die vermeintlichen Hauptpersonen sehr schnell sterben und die eigentliche Hauptperson, Juliette Nichols, erst ab Seite 100 die Bühne betritt.
Schließlich umfasste Wool mehr als 500 Seiten. Howey veröffentlichte den kompletten Text als Sammelband Anfang 2012 erneut und auf einmal ging es los. Die großen Verlage entdeckten das Potential – ohne das Howey es vorher auch nur versucht hätte, seine Texte dort unterzubringen. Für den amerikanischen Markt behielt Howey die elektronischen Rechte vorsichtshalber selbst, sind doch seine Erzählungen stets bei den Topverkäufen zu finden.
Für den deutschen Markt dagegen konnte sich Piper die Rechte an Wool und den beiden Nachfolgeromanen „Level“ und „Exit“ sichern. Ein kluger Schachzug des Autors, da er sich so nicht auch noch ums Übersetzen in andere Sprachen kümmern musste. Als I-Tüpfelchen kommt noch der Verkauf der Filmrechte an 20th Century Fox hinzu. Der Altmeister Ridley Scott soll den packenden Stoff für die Leinwand umsetzen.
Aber jetzt erstmal zur Fortsetzung der Geschichte.
                                        
In Band 1 (Silo) hatte Juliette am Ende wieder ihren Silo, die Nummer 18, erreicht und mit ihrem Freund Lukas die Geschicke des Silos übernommen. Und jetzt wird es wieder ungewöhnlich, denn der zweite Band „Level“ setzt die Geschichte nicht an dieser Stelle fort, sondern startet mit dem Bau der Siloanlage im Jahre 2049.
Donald Keene ist 2049 ein junger Kongressabgeordneter und Protege des mächtigen Senators Thurman. Die Geschichte kommt ins Rollen, als Thurman Donald beauftragt, einen riesigen Hochhauskomplex zu bauen – bloß unter der Erde: Die Silo Anlage! Angeblich als Schutzräume für die Gegend um Atlanta, weil dort ein Atommüllendlager errichtet wird.
Wovon Donald jedoch nichts ahnt, ist der Irrsinn von Thurman und zwei anderen der typischen Strippenzieher im Hintergrund, die meinen, die Welt von den umweltzerstörenden Menschen säubern zu müssen. Anläßlich der Einweihung der Siloanlage jagen sie den Atommüll hoch und lösen den 3. Weltkrieg aus. Die handverlesenen und geladenen Gäste können nur noch in die Silos fliehen.
Bei dieser Aktion verliert Donald seine Ehefrau Helen aus den Augen – sie kommt in einem anderen Silo unter. Dafür betreten zwei andere Frauen die Bühne; Donalds` Schwester Charlotte, eine Kampfpilotin der Air Force, und Thurmans` Tochter Anna, welche Donald schon seit der Kindheit liebt. Ich sage mal, mehr Philip K. Dick und seine Frauen geht nicht.
Donald kommt in Silo 1 unter. Wie alle anderen wird er eingefroren und von Zeit zu Zeit, bei Bedarf, nach Jahrhunderten.... aufgeweckt. Dann ist er Troy, kann sich (zunächst) nicht an seine Vergangenheit erinnern. Alle in Silo 1 haben andere Namen und erinnern sich nicht, bis auf Thurman selbstverständlich.
Doch Donald hat aufgrund eines Zufalls einen Gendefekt, der dafür sorgt, dass er sich nach einiger Zeit doch rückbesinnen kann. Zumeist wird er spätestens dann wieder eingefroren und das Ganze geht von vorne los. Jedenfalls sorgt er in einer seiner Schichten für das Abschalten eines Silos, d.h. die Öffnung der Außentore, wodurch tödliche Nanobots eindringen und die Bevölkerung des Silos töten. Jener Silo 30 bereitete Probleme, weil die vorgegebene Ordnung (Bürgermeister, IT Chef als eigentlicher Herrscher) aufgrund eines Aufstandes kippte.
Dazu lässt er sich irgendwann auf eine Beziehung mit Anna ein, gerade als er sich selbst wieder bewußt war. Seine geliebte Ehefrau war nämlich in einem anderen Silo gelandet und zu dem Zeitpunkt schon gestorben; mit seinem besten Freund war sie dann sogar noch verheiratet! In den anderen Silos wurden die Menschen nicht eingefroren, so dass Donald mehr und mehr verzweifelt. Auch stellt sich Thurman zunehmend als übler Tyrann heraus, der als Persona non Grata nach wie vor die Richtung bestimmt.
Irgendwann vertauscht Ana die Namensschilder, so dass Donald nicht als Troy, sondern als Thurman und damit Herrscher aller Reusen erweckt wird. Der von Selbsthaß geplagte Donald tötet Anna in der Tiefkühltruhe und erweckt seine Schwester Charlotte. Die wiederum schafft es, eine Drohne über den Bereich der Silos hinausfliegen zu lassen.
Die Drohne landet im grünen Gras unter blauem Himmel. Oooh....
Der andere Handlungsstrang dreht sich um den Silo 17. Erzählt wird die Geschichte von Solo, der ja anscheinend jahrzehntelang als Einsiedler gelebt hatte und dann von Juliette gefunden wurde. Der war als Kind der Sohn des IT Chefs und eigentlich als Schatten, also als Nachfolger, ausersehen. Als es jedoch zum Aufstand in diesem Silo kam, zog Thurman aus Silo 1 die Reißleine und ließ den Silo per Fernsteuerung öffnen, so dass die unaufhaltsamen Nanobots den Großteil der Bevölkerung töten konnten.
Durch die Funkgespräche zwischen Silo 1 und den anderen Silos wird das Grauen deutlich. Die IT Chefs der anderen Silos, die genau über den Zwang zur Willfährigkeit informiert sind, versuchen notfalls zu lügen, um einer Abschaltung durch Silo 1 zu entgehen. Leider werden die Stimmmuster von Silo 1 ausgewertet, so dass wieder mal Widerstand zwecklos erscheint.
Es gäbe noch einiges über weitere Nebenstränge zu berichten; auch hält Donald gegen Ende se8ine schützende Hand über Silo 18, indem er Juliette per Funk Ratschläge gibt. Aber lest es Euch selbst durch – ist geil. Und lest es NACH Silo. Sicherlich wäre Level chronologisch erst dran, aber so hat es seinen eigenen Reiz.
Exit ist der dritte Band von „Wool“. Ich nehme es vorweg – hier sind noch viele Folgebände möglich dank des Szenarios, welches Howey ersonnen hatte.
Juliette lässt im untersten Stockwerk von Silo 18 einen Tunnel zu Silo 17 graben, um auf diesem Weg Solo und die Kinder erreichen zu können. Hauptsächlich möchte sie aber auf diese Weise zusätzlichen Raum für die Bewohner ihres Silos schaffen.
Leider ist Donald in Silo 1 durch Zufall aufgeflogen. Sein Mordversuch an Thurman war gescheitert. Irgendwie schafft dieser es, seine Identität wiederherzustellen. Mit großer Brutalität wird Donald unter Arrest genommen und gequält. Die eigentlich fällige Verurteilung zur Reinigung wird aber ausgerechnet von Thurman unterbunden, der Donald zwar den Mord an Anna noch nachträgt, aber mittlerweile total abgehoben sich quasi in einem gottähnlichen Zustand wähnt. Von Charlotte`s Existenz bzw. Aufweckung weiß er allerdings nichts, soweit hat Donald sich noch unter Kontrolle.
Thurman ist aber der Aufstand in Silo 18 nicht verborgen geblieben. Er lässt die Außentore des Silos sprengen, auf dass der Silo komplett mit den dafür entwickelten Nanobots geflutet wird. Lukas kann mit letzter Kraft noch eine Warnung an Juliette funken, dann stirbt er. Die verzweifelte Juliette (großes Emotionskino – wann kommt der Film?) kann gerade noch ein paar Hundert Menschen über den Tunnel nach Silo 17 in Sicherheit bringen.
Die geretteten Menschen wollen gleich den von Juliette gesprengten Rückweg frei schaufeln doch endlich lassen sie sich überzeugen, das sie keine andere Wahl haben, als in Silo 17 zu bleiben. Dieser Silo kann natürlich nicht alle ernähren. Und während Solo versucht, seine Kinder zusammenzuhalten, kommen in diversen Nebensträngen noch soviel Zusatzaspekte in die Handlung, dass ich sie nicht anreißen möchte. Ich denke, eine Serie ist bei diesem Stoff mehr als angemessen.
Jedenfalls kann Juliette, die bereits seit geraumer Zeit von allen angefeindet wurde, die Überlebenden davon überzeugen, mit neu gebastelten Schutzanzügen auf der Oberfläche ihr Glück zu versuchen, weil die Ressourcen dieses Silos nicht mal für eine Woche ausreichen können. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass irgendwo hinter den Silos eine normale Landschaft sein muss, die ein Überleben ermöglicht.
Dies weiß sie dank Charlotte aus Silo 1. Diese hält sich vor Thurmans Schergen so gut es geht versteckt, wird aber schließlich von Darcy, einem Sicherheitsmann des Silos, entdeckt und gefangengenommen. Und um der Story den Drive zu erhalten, schafft sie es, Darcy zu überzeugen, ihr bei der Befreiung ihres Bruders zu helfen.
Zum Schluss ist Donald/Troy befreit und sprengt in einer hochdramatischen Szene den Silo in die Luft. Der schwer verletzte Darcy, der sich – wie auch sonst – noch schnell in Charlotte verknallt hatte, steckt Charlotte in einen Schutzanzug und ermöglicht ihr noch die Flucht auf die Oberfläche, bevor der Silo 1 hochgeht. Mit Darcy natürlich.
Zum Schluss stehen damit Juliette und Charlotte mit den anderen Überlebenden aus Silo 18 sowie Solo und seinen Kindern aus der 17 in einer grünen Landschaft und sind erst einmal froh, überlebt zu haben. Spätestens ab hier sollte die nächste Staffel einsetzen.
Ja, genau. Der Stoff schreit förmlich nach einer Verfilmung als Serie, nicht fürs Kino. Kino ist zu platt, da gehen die ganzen Nuancen verloren. Als da wäre z.B. die religiöse Komponente, die im letzten Band in einer Nebenhandlung kurz angerissen wird.
Hugh Howey hat es mit „Wool“ vorgemacht, wie man im Wechselspiel mit den Lesern aus einer guten Idee einen noch besseren Roman schreiben kann. Der Einfluss der Leser über Social Media ermöglichen den Autor, auf sein Zielpublikum einzugehen. Ein Lektor kann das nicht, weil er zwar seinen Markt kennt, aber auf Änderungen aufgrund Betriebsblindheit nicht reagieren kann.
Ein Nachteil könnte allerdings sein, dass Autoren auf diese Art langfristig nur noch den Mainstream bedienen, wodurch wirklich neue Erzählstile unterdrückt werden. Hier bin ich trotzdem zuversichtlich, dass es wie üblich zu einer Gegenströmung kommen wird, die dann einfach ihr Ding durchzieht.
Da sind dann immer wieder noch die Lektoren gefragt.

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