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Am 15. Juli, also genau 2 Monate,
nachdem ich das Amtsgericht angerufen und von Walters Tod informiert
hatte, ging ich mit der Testamentskopie zum Amtsgericht, um deren
Fehler zu berichtigen. Dachte ich.
Leider stellte sich heraus, das Walter
das Testament seinerzeit höchstselbst aus dem Verwahrgelaß des
Gerichts herausgenommen hatte. Das kurz vor dem Tod seiner ersten
Frau aufgesetzte und beim Gericht hinterlegte gemeinsame Testament
galt weiter fort. Nach dem BGB ist dies tatsächlich so, wie ich
später recherchierte.
Und vor dem Notar hatte Walter 2000
noch angegeben, das kein gemeinsames Testament existierte. Dies stand
auch so in meiner Testamentskopie drin. Ich war wie vor den Kopf
geschlagen.
Hinzu kam noch die unwirsche Art der
Rechtspflegerin, die mich ja auch erst 6 Wochen nach
Testamentseröffnung informierte. Da fühlte ich mich richtig
verarscht und kündigte noch großspurig eine
Dienstaufsichtsbeschwerde an.
Und das in meiner zweiten Urlaubswoche!
Wutentbrannt fuhr ich nach Hause.
Meine Löwin machte mich darauf
aufmerksam, dass ich jetzt Mutter Bescheid sagen mußte. Über meine
Rechtsschutzversicherung hatte ich mir als erstes einen Termin für
Donnerstag um 10.00 Uhr geben lassen. Die Anwältin ist Spezialistin
für Erbrecht.
Erst überlegte ich noch, ob ich zuerst
das Gesprächsergebnis bei der Anwältin abwarte, bevor ich meiner
Mutter diesen schweren Schock versetze. Berta meinte aber auch, dass
es gleich besser wäre.
Und so fuhren Berta und ich unter einem
Vorwand zu Mutter, um ihr die ganze Misere schonend beizubringen,
damit sie nicht zusammenbricht. Denn schließlich waren „wir“
jetzt die Dummen, die Walters Beerdigung zu bezahlen und dazu die
ganze Arbeit hatten.
Als wir ankamen, freute sich Mutter und
lotste uns sofort in die Küche. Das ist eine Macke von ihr – bloß
nicht ins Wohnzimmer, könnte ja was schmutzig werden. Very old
Style.
„Mutter, setz Dich erstmal hin. Wir
müssen Dir was erzählen.“ sagte ich. Sie setzte sich hin und ich
machte mich auf das Schlimmste gefaßt. Jetzt galt es, ihr die ganze
Misere in möglichst schonenden Worten beizubiegen.
Ruhig schilderte ich ihr von der
Mitteilung des Amtsgerichts über die unerwartete Erbregelung und
meinen Ärger beim Besuch des Amtsgerichts. Das ich nen Anwaltstermin
am Donnerstag habe und wir bis dahin erstmal abwarten. Erst nach
diesem Gespräch wollte ich weiter tätig werden. Ich wollte jetzt
keinen Fehler machen.
Zu Bertas und meinem Erstaunen blieb
Mutter erstaunlich gefaßt. Sie war sogar ruhiger als ich! Sie meinte
noch – ganz ruhig – das wir das Geld von der Rückerstattung der
Kaution des Wohnstifts nehmen sollten.
Das Stift hatte nämlich
zwischenzeitlich, wie abgesprochen, die Kaution plus
Essengutschriften von zusammen ca. 9100 € auf das Nachlaßkonto,
also Walters Konto, gutgeschrieben. Sie hatte da wohl eine Vollmacht
von Walter zur Entgegennahme dieses Geldes erhalten. Trotzdem wollte
ich da nicht ran. Erst zur Anwältin, mahnte ich.
Zumindest hielt ich die Idee für
praktikabel, das Geld vom Konto zu nehmen und dies der Erbin in
Florida so mitzuteilen. Aber, wie gesagt: Erst zur Anwältin.
Berta, Mutter und ich stürzten uns in
die Hoffnung, darüber das Geld für die Beerdigung zu haben. Mutter
erwähnte dann noch, dass diese Frau beim Tode einer anderen
Schwägerin von Walter aus Hannover kurz angereist war und dias Geld
„mitgenommen“ hatte. Geldgierig sei diese Frau, wußte Muttern zu
berichten.
Da mußten wir wohl das Geld „vorab
einbehalten“, ansonsten würden wir Probleme bekommen, das Geld in
Florida einzutreiben.
Während des ganzen Gesprächs blieb
Mutter ruhig und sachlich. So, als ob sie damit schon gerechnet
hätte. Nicht mit einer Silbe erwähnte sie die Möglichkeit, dass
sie die Beerdigung anstatt meiner bezahlt. Schließlich war es ihr
Lebensgefährte. Die beiden hatten über den Fall der Fälle
gesprochen. Ich sollte ja lediglich den Nachlaß verwalten; Nach dem
ungültigen Testament aus 2000. Danach hatte Walter dies nie wieder
erwähnt.
Auch erwähnte ich meine Enttäuschung
über Walters Verhalten, mir 13 Jahre lang nichts davon zu erzählen,
das er das Testament aus der Hinterlegung beim Amtsgericht
zurückgenommen hatte, weil es offensichtlich ungültig ist.
Jedenfalls waren Berta und ich total
verwirrt, als ich Berta schließlich nach Hause fuhr. Uns kam das
komisch vor. Irgendetwas schien Mutter uns zu verheimlichen.
Selbst zuhause
angekommen, begab ich mich in die Gaststätte zum Hohen Tore, bei
Walters altem Heim um die Ecke. Mit Ulli und der Katze ließ ich dann
die Gerste frei. Was für ein Tag!
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