Sonntag, 8. September 2013

H Lecter: Jopi 2/2

In der Zeit nach unserem Abi trafen wir uns immer auf den wichtigen Partys oder Konzerten. Natürlich auch so mal zwischendurch. Jopi wohnte Anfang der 80er mit Jürgen zusammen in der Hugo-Luther-Str. Zusammen mit der Jahnstraße nebenan, wo er später mit Urmel zusammen wohnte, kann man die Gegend auch als Klein Kreuzberg bezeichnen. Zumindest in den 80ern.
Die Klos waren im Treppenhaus und Badezimmer – Fehlanzeige. Wenn Du eine Dusche nicht selbst installiert hattest, dann hattest Du auch keine. Ich seh immer noch den nackten Jürgen vor mir, wie er in einer weißen Emailleschüssel stand und mit der anderen Schüssel auf dem Herd erhitztes Wasser über seinen Körper rieseln ließ. Jürgen hätte damals bei den California Dream Boys auftreten können. Damals.
In der Jahnstraße war dann aber eine Dusche. Faszinierend dort vor allem die Ofenrohrkonstruktion. Jopi als Mathematiker scheute sich nicht davor, den Kohleofen mit einem Rohr zu verbinden, das fast waagerecht über mehrere Meter in den Schornstein endete. Durch dieses Rohr wollte er die Abwärme besser nutzen. Meiner Meinung nach war dies gelungen. Eine etwaige Verrußung fiel nicht auf, da Jopi dort auch irgendwann auszog.
Und wegzog. Ich weiß nicht mehr, ob er erst in Erlangen und dann in Würzburg studierte oder umgekehrt. Besucht haben wir, also Jenny und ich, ihn in Heidelberg, da war er dann auch noch.
Während all der Jahre, ob in BS oder anderswo, habe ich Jopi immer mit nem Wasser oder Kaffee gesehen. Tee war auch genehm. Alkohol war noch nie sein Ding. Er kann aber auch heute noch mit den breitesten Gestalten, die nur noch rumlallen können, abhängen und seinen Spaß haben. Ich könnte das nicht und bin wohl deshalb auch öfters mal …
Im Schneidersitz oder ein Bein untergeschlagen; in der Hand eine Rakete haltend und trotzdem voll konzentriert vor sich hinträumend. So kennen und lieben wir ihn.
Für eine Aktion liebe ich ihn besonders: Ich saß zuhause in der Nußberg rum und gammelte so vor mich hin. Pocke war unterwegs und das Telefon läutete am späten Nachmittag. Es war Jopi.
„Udo, biste cool?“ war seine Frage, die einer Antwort bedurfte. Hier war natürlich ein einfaches „Ja“ die einzig mögliche Antwort.
„Family 5 spielen heut abend in Göttingen. Ich hol dich jetzt ab.“ Mehr brauchte Jopi nicht zu sagen. Keine überflüssigen Bemerkungen wie „guten Tach“ oder „Tschüss.“
So, und nur so ist man richtig vorbereitet für ein Family 5 Konzert. Family 5, die wohl bis heute beste deutsche Band. In Göttingen sollte ich nun die Combo zum ersten Mal live erleben.
Von der Fahrt selber weiß ich natürlich nichts mehr. Das könnte natürlich an meinem Zustand liegen. Wir waren auf der Fahrt garantiert nicht untätig. Das Konzert selber jedenfalls fand in einer Zirkusmanege statt. Besonders begeistert war ich noch von den Bläsersätzen. Zu der Zeit waren Bläsersätze bei den vielen Konzerten, denen wir uns widmen mußten, überhaupt nicht angesagt. Außer bei Family 5.
Und die waren der Hammer, sind es heute noch. Unbedingt schauen – Family 5.
Jopi und ich hatten jedenfalls einen netten Abend und es nicht bereut, die weite Anfahrt nach Göttingen in Angriff zu nehmen. Zugegebenermaßen hatte Jopi bei Konzertfahrten immer die A…karte, da er keinen Alkohol mag und deshalb als Fahrer ideal war. Es machte ihm aber nichts aus, solange er seinen Kaffee kriegte.
Als Jopi aus Braunschweig studienbedingt wegzog, wurden die Kontakte seltener. Erheblich seltener. Einmal traf ich ihn Ende der 90er im FBZ, wo er nachmittags mit Charly auftauchte. Der krabbelnde 2-3jährige wurde abends bei den Großeltern verklappt und wir trafen uns in Sivas Kneipe.
Als ich ihn nach Ronja und Charly fragte, machte Jopi nur eine abwehrende Bewegung und sagte fast vorwurfsvoll: „Udo, ich bin nicht gekommen, um mich über Charly zu unterhalten. Was ist in Braunschweig los?“
Am Anfang dieses Jahrtausends besuchte ich ihn in Frechen. Ich war mit Roberta und ihren Mädels in Köln bei der Popkomm unterwegs. Jopi holte mich vom Bahnhof ab, Charly auf dem Dreirad hinterher. Ronja war schwer krank und nicht zu sehen, Jopi war abgespannt und wirkte etwas abwesend.
Dieser Besuch hatte mich dann schon etwas verwirrt. Mittlerweile ist jener Nachmittag Geschichte und bei den zwangsläufig sehr wenigen Begegnungen stelle ich von Mal zu Mal mehr fest, wie viel uns eigentlich noch verbindet, obwohl wir uns komplett auseinander bewegt haben.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es darauf ankommt, sich bei einer Rückbesinnung auf das Wesentliche – und das sind nun mal „vereinzelte Szenen“ – zu konzentrieren. Die da entstehenden Bilder sagen mehr über ein Lebensgefühl aus als alles Andere.
Und schließlich ist Jopi kein Freund langer Worte. Jetzt aber Schluss.

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