Freitag, 17. Oktober 2025

Hartmudo: Superwumms

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Oder besser gleich zum Folgetag - dem 28. Februar. Da hatte ich vormittags - passt an dieser Stelle - einen Termin bei meinem Orthopäden. Die Nachsorge zu meinem rechten Handgelenk. Das war immer noch etwas steif, so dass ich mir 6 Sitzungen einer Ergotherapie verschreiben ließ. Der Orthopäde bot mir das an; an seiner fachlichen Qualifikation ist nicht zu rütteln. Wie immer fühlte ich mich bei ihm gut aufgehoben. So ging ich an diesem Tag noch frohgemut aus seiner Praxis; der nächste Termin: siehe oben.
Selbstverständlich gab es noch einen weiteren Grund, der meine Laune nach vorne gebracht hatte. Denn nachdem mich meine Löwin frühmorgens zum Orthopäden gebracht hatte, um danach einen eigenen Termin wahrzunehmen, hatten wir zwei uns für hinterher im Schloss zum Frühstück verabredet. Das Schloss - also die Schlossarkaden - befindet sich bei meinem Orthopäden um die Ecke. Im Play Off - Obergeschoss - gibt es Frühstücksbuffet.
Um 9.00 Uhr machen sie auf; Wir waren mit die ersten Gäste und saßen dann im typischen Dekor eines amerikanischen Diners. Als da wären die rot-weiß farbene und massive Sitzbank aus leicht zu reinigen den Kunstleder und stabile Stühle mit Armlehnen und roter Kunstledersitzfläche. Plump und massiv, wie der Ami es gern mag. Auf dem dunkelbraunen Tisch war in der Mitte eine kleine Glasvitrine integriert; Sympathischerweise befanden sich einige Eintracht-Devotionalien in dieser Vitrine: Wimpel, Flyer und eine Postkarte der 67er Meistermannschaft.
Allein bei diesem Anblick schlug mein Herz höher; da wurden Erinnerungen wach. An meinen ersten Trip an die Westküste im März 1992, als ich mit Kroll, Pocke und Tesla in San Franzisko angekommen war und wir ein Motel 6 in San Jose bezogen hatten. 2 Queen Size Betten in einem Zimmer für 4 Leute. Würde ich heute nicht mehr so machen.
Und am ersten Morgen frühstückten wir dann bei Denny's, einer der vielen amerikanischen Franchiseketten. Denny's Restaurants sind rund um die Uhr geöffnet und bieten gerade morgens das typisch amerikanische Frühstück an, welches ich dort kennenlernen durfte. Bis heute ist dies mein Lieblingsfrühstück.
Ich hatte seinerzeit ein "All American Grand Slam". Hashed Browns, Scrambled Eggs, Sausages, Bacon, Baked Beans und eine Grilltomaten bildeten das Ensemble auf dem Grund des Tellers. On Top gab es dann noch 3 Pancakes; der Ahornsirup stand stilgerecht mittels einer Plastikflaschen auf dem Tisch zur Verfügung. Der Kaffee (und der war wirklich grausam) wurde von der flinken Bedienung im Vorbeigehen ständig nachgefüllt.
An diesem Tag im Play Off gönnte ich mir von allem einen ordentlichen Teil, Hashed Browns gab es allerdings nicht. Stattdessen schmierte ich mir deutsche Brötchen mit Wurst und Käse dazu. Es war mal wieder schön, den Morgen mit einem tollen Erlebnis füllen zu können statt mit der neuen Routine vom Verzehr von Brot vor dem heimischen Fernseher. Die dazu konsumierten Folgen einer Serie (zu der Zeit Watzmann ermittelt) halfen zwar dabei, meine düsteren Gedanken in den Hintergrund zu drängen, erfüllten mich jedoch nicht Euphorie.
Anders an diesem Morgen. Wir scherzten noch während des ausgiebigen Frühstücks und schlenderten hinterher durch die Stockwerke der Schlossarkaden, ehe wir uns auf den Weg nach Hause begaben. Derart gut aufgelegt, wagte ich mich dann am frühen Nachmittag in den Keller, um mein Fahrrad zum ersten Mal seit Wochen zu begutachten.
Als erstes fiel mir der getrocknete Blutfleck auf dem Mittelträger ins Auge. Beim Abstellen des Rades direkt nach dem Unfall muss da wohl Blut von meiner gebrochenen Nase draufgefallen sein. Jetzt, fast zwei Monate später, wischte ich den Fleck weg. Das Wetter war ansonsten bereits leicht frühlingshaft.
Das schrie förmlich nach einer kleinen Spritztour mit dem Rad, deshalb machte ich dies auch. Nach bald zwei Monaten wieder auf dem Rad; man soll ja so schnell als möglich wieder auf den Drahtesel steigen, um keine bleibenden Ängste zu haben. Meine Ärzte hatten mir dies ein geschärft gehabt, und deshalb ging es an diesem Tag los.
Selbstverständlich fuhr ich sofort die Straße links runter, an deren Ende ich mich auf die Fresse gelegt hatte. Wenn schon denn schon! Mir war schon ein wenig mulmig in der Magengrube gewesen, deshalb nahm ich bereits lange vor Ende der Straße und des Gefälles das Tempo sehr vorsichtig raus und steuerte das Rad dann souverän durch die 90-Grad Kurve.
Geschafft, ich war stolz auf mich. Verstandesgemäß war mir zwar klar gewesen, dass es keinen Sinn machen würde, sich vor dem Fahrradfahren zu fürchten. Doch der Kopf denkt ja bekanntlich nicht rein rationell, insofern verbuchte ich diese erste "Abfahrt" als Erfolg.
Wie lange diese erste Tour nach dem Unfall gedauert hatte und wohin mich der Weg geführt haben könnte, weiß ich heuer nicht mehr. Nur eins: Ich hatte nen Helm auf. Einen Fahrradhelme, eine Reminiszenz an meinen Unfall Anfang Januar. Seitdem fahre ich nie mehr ohne einen Helm, denn da hätte ich dann wohl doch ängstliche Gedanken.
Abends ging es dann zum Geburtstag vom ältesten Sohn von Mary und Charles, welcher diesen mit einem Kegelabend beging. Und das auch noch in der Lokalität, wo unser Kegelverein auch immer tagt.
Zum Glück hatte ich einen schönen Tag erlebt gehabt und war deshalb an diesem Abend auch durchaus ansprechbar gewesen. Hierzu muss man wissen, dass dieser Sohn von Mary und Charles geistige Einschränkungen aufweist und in einer dementsprechenden Einrichtung lebt. Ein eigentlich ganz lieber Bengel, aber sehr anhänglich und auch emotionell. Das wird dann schon mal schnell anstrengend.
Doch da war ja noch der Rest der Familie, die sich sehr liebevoll um ihn kümmert. Tatsächlich ist der Zusammenhalt in dieser Familie außergewöhnlich stark. So saß selbst die rüstige Oma, auch bekannt als Mary's Mutter, mit am Tisch, kegelte allerdings nicht mit. Mit zunehmender Dauer fühlte ich mich zwar übermüdet, fühlte mich aber immer noch als Teil des Geschehens.
Mal wieder ein sehr schöner Abend, der mich kurzzeitig aus meiner Lethargie reißen konnte. Ein Ende der Misere war allerdings noch nicht in Sicht, denn zur Nacht holte mich das übliche Drama aus Grübeleien und panischen Ängsten, nach dem nächtlichen Pinkeln nicht wieder einschlafen zu können, erneut ein.

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