Ein Club, welcher keinen schönen Fußball spielt und die schlechteste Ballbesitzquote der Liga aufweist. Ein Club, dessen Mannschaft den geringsten Marktwert verkörpert. Vor der Saison benannten die meisten Experten, unter anderem "Tusche" Matuschka, Eintracht als Absteiger Numero Uno. Und tatsächlich stand Eintracht nach dem sechsten Spieltag mit lediglich einem Unentschieden am Ende der Tabelle. Wie kann man nur Fan so einer Trümmertruppe sein, wie geht das?
Viele meiner Kollegen aus Salzgitter sind Fans von Borussia Mönchengladbach oder VFL Wolfsburg - nur die erste Liga zählt. Hinzu kommen noch die erschreckend vielen Bayern Fans ausgerechnet hier in Norddeutschland. Macht Erfolg wirklich sexy? Die Antwort lautet eindeutig nein!
Um dies zu untermauern, verweise ich auf Ted Lasso. Wenn Du Dir diese Comedy-Serie angesehen hast, schämst Du Dich, solltest Du Fan von Bayern oder Dortmund sein. In der mehrfach mit dem Emmy preisgekrönten Serie geht es um den AFC Richmond, einem Vorort-Club aus dem Londoner Süden, der in der ersten Staffel aus der Premier League absteigt und in der zweiten wieder aufsteigt.
In der von Jason Sudeikes entwickelten Serie geht es jedoch mitnichten nur um das Geschehen auf dem grünen Rasen, sondern hauptsächlich um die Menschen, die den Verein ausmachen. Die Trainer, das Management und die Spieler. Hier wird so richtig gemenschelt, so dass selbst Fußballhasser die eine oder andere Träne vor Rührung verdrücken können.
Besonders erwähnen möchte ich noch die Präsidentin des imaginären Vereins, Rebecca Welton. Die wandelt sich im Laufe der Serie von der intriganten Gegnerin Lassos zur besten Freundin des Coaches. Mein persönlicher Favorit hingegen ist Coach Beard, der von Lasso aus den USA mitgebrachte Assistent.
So ist dann Folge 9 der zweiten Staffel, die sich mit einem Feierabend von Beard befasst, das Highlight der Serie, zumal hier Thierry Henry und Gary Lineker eine wesentliche Rolle spielen. Bei all den witzigen Animositäten untereinander wird immer wieder deutlich, dass die Protagonisten trotz aller Widrigkeiten oder Auf und Abs des Lebens zusammenstehen und sich am Ende trotz mancher Differenzen unterstützen.
So und nicht anders ist das in so "Pissvereinen" wie Eintracht Braunschweig oder Rot-Weiss Essen - zumindest in der gewünschten Wahrnehmung der jeweiligen Fangruppen. Ein Fan von Bayern München oder Borussia Dortmund wird das nie verstehen, darf aber nicht mit meinem Bedauern rechnen.
Nach den bereits erwähnten ersten sechs mehr oder weniger desaströsen Auftritten des BTSV in der neuen Zweitligasaison erfolgte die überraschende Wende dank zweier Schlusstransfers für die Defensive.
Filip Benkovic und Nathan de Medina haben die Dreierkette stabilisieren können, wodurch auch der Rest der Mannschaft an Selbstvertrauen gewinnen konnte. Dank der vorwiegend defensiven Spielweise hat die Eintracht in der Offensive noch kein Feuerwerk abbrennen können, aber acht Spiele ohne Niederlage (vier Siege, vier Unentschieden) später war die Eintracht sogar bis auf Platz 10 geklettert.
Dank einem alles überragenden Immanuel Pherai und dem kopfballstarken Anthony Ujah sammelte die Eintracht trotz diverser spielerischer Mängel die Punkte ein. Bei Eintrachts überfallartigem Angriffsspiel spielen die Außenspieler Anton Donkor und Jan-Hendrik Marx eine wesentliche Rolle. Dank ihres hohen Tempos reißen sie die notwendigen Lücken in die gegnerische Abwehr, so dass sich für Eintracht Chancen ergeben.
Das ein engagierter Spieler wie Bryan Henning derzeit lediglich als Backup für Pherai fungiert und Lion Lauberbach mehr oder weniger als Stolper-Jochen unterwegs ist, lässt sich deshalb noch verschmerzen.
Ah, Moment! Da fällt mir doch glatt eine Parallele zu Ted Lasso ein. Denn genau wie der AFC Richmond hat die Eintracht einen weiblichen Präsidenten. Anders als ihre Kollegin in der Serie jedoch kommt Nicole Kumpis aus Block 7 in der Südkurve, wo sie seit Jahren mit einer Dauerkarte gestanden hatte.
Für mich vollkommen unverständlich zog dies keine Flut an Nachrichten in den Medien nach sich. Da wird seit kurzem in dem Business Fußball gegendert was das Zeug hält; man scheut sich sogar nicht davor, gelegentlich die Kapitäne mit Armbinden in Regenbogenfarben auflaufen zu lassen. Kein Bericht über die einzige Präsidentin im deutschen Profifußball.
Fußball ist und bleibt halt ein Männersport, daran können auch die wirklich fadenscheinigen Lippenbekenntnisse in den Medien nichts ändern. Sieht man mal von dem ganzen Gegendere ab, ist Frau Kumpis allerdings auch nicht großartig in Erscheinung getreten. Sie beschränkt sich auf das Repräsentieren und überlässt das Tagesgeschäft den Spezialisten.
Das ist bei Ted Lasso selbstverständlich genauso, obwohl uns dort die doch irgendwie interessanten schmutzigen Deals in den Hinterzimmern erspart bleiben. Was der TV-Serie nur gut tut, denn das ganze Geschachere um die Kohle in der realen Welt des Profifußballs verleidet einem diesen Sport.
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