Doch für mich gestaltete sich diese Vertretungsphase vor meinem Urlaub noch etwas nerviger. In den ersten eineinhalb Wochen konnte ich quasi gar nicht arbeiten, da ich einen Laptop wegen meiner ständigen Home Office Tätigkeit (die ich zu diesem Zeitpunkt nicht mal ausführen konnte) statt des üblichen Stand-PCs erhalten hatte und unsere IT die Rechtevergabe nicht geschissen bekam, so dass ich die Ergebnisse meiner Arbeit - die Bescheide - nicht ausdrucken und zuschicken konnte.
Dazu wurde ein junger Kollege auch noch krank, während eine andere erfahrene Kollegin dank Corona noch zusätzlich zwei Wochen krank war. An einem Tag saß ich mit der brandneuen Kollegin, welche lediglich nach einem Vieraugenprinzip agieren konnte, komplett alleine da. Dass die Telefonzentrale nicht nur Anrufe für das gesamte Team, sondern selbst fürs Jugendamt an mich weitergeleitet hatte, nervte mich zusätzlich.
Und in der dritten Woche - wo ich wieder gut arbeiten konnte und mich auch ordentlich rein gekniet hatte - wurde ich von der Post erschlagen. Es kam dreimal so viel herein, wie ich überhaupt weg arbeiten konnte. In der vierten Woche war ich selber krank, hatte abends bis zu 38,4 Grad Fieber und lag tagelang antriebslos im Bett.
Als ich dann wieder im Büro erschienen, hatte sich dieser Postberg noch einmal verdreifacht, weil keiner meiner Kolleginnen auch nur einen Handschlag gemacht hatte. Das war aber auch okay, weil diese selber mehr als genug zu tun gehabt hatten.
Da musste ich meine Vertreterinnen noch für ein paar Tage vertreten und hatte selbst die Befürchtung, dass ich mit einem riesigen Rückstand an unbearbeiteter Post in meinen Jahresurlaub gehe. Witzigerweise schaffte ich es dank einer großen Energieleistung im mittlerweile wieder möglichen Homeoffice, meine Rückstände abzuarbeiten.
Nachdem ich also wochenlang frustriert und schlecht gelaunt über den Flur wandelte oder in meinem Büro gesessen hatte, war ich am Morgen meines letzten Arbeitstages vor dem Urlaub verständlicherweise gut gelaunt - dann kam dieses Personalgespräch.
Da hatte ich mich in die Defensive drängen lassen, weil ich keine Chance hatte, die Begebenheiten der letzten Wochen, ja sogar Jahre, richtig zuzuordnen. Ich musste halt schnell antworten; erst jetzt habe ich die Ruhe, um alles noch einmal Revue passieren zu lassen.
Also: Die Nichtannahme einer Hilfe der Kollegin mit dem Spruch, alles "gegen die Wand fahren zu lassen", hatte den Hintergrund, dass sie selbst monatelang wegen Burnout ausgefallen war. Zusätzlich war mir klar, das dieselbe Kollegin instinktiv denselben bedingungslosen Einsatz auch von anderen erwartet.
Das ist zwar nicht mein Problem, wird aber trotzdem häufig als Argument gegen meinen Arbeitsstil eingesetzt. Zusätzlich konnte ich dem Personalgespräch noch einen weiteren Knackpunkt entnehmen, welches einige meiner Teammitglieder zu umtreiben scheint.
Als Mitarbeiter des gehobenen Dienstes habe ich eine erheblich bessere Bezahlung als die meisten meiner Kolleginnen, welche lediglich die Qualifikation für den mittleren Dienst besitzen. Ihnen allen gegenüber hatte ich jahrelang betont, dass ich sie für unterbezahlt halte und eine höhere Bezahlung für gerechtfertigt halte.
Mein Fehler war sicherlich, dass ich die Tür zum Flur ständig offen gelassen hatte. Das ist zwar so üblich, doch wenn die Kollegas alle Stunde zusammen zum Rauchen vor die Tür gehen und im Vorbeigehen in mein Büro blicken, sehen Sie den schlecht gelaunten Kollegen dort sitzen. "Der hängt nur rum und kriegt noch mehr Geld als ich für nichts" - als alter Stromberg Fan ist mir das mehr als sonnenklar.
Da man gegen "die da oben"eh nichts machen kann, lässt man seinen Frust untereinander aus, zumal, wenn "unter einem" niemand mehr ist. Um den Vorwürfen den Wind aus den Segeln zu nehmen, schlug mein Teamleiter vor, dass ich in Zukunft sämtliche Widersprüche (höherwertige Tätigkeit) des Teams machen könnte.
Um den Druck rauszunehmen, erklärte ich mich sofort damit einverstanden. Nun, beim Nachdenken hierüber, bin ich sehr gespannt, wie lange es dauern wird, bis über eine meiner Widerspruchsentscheidungen gemeckert werden wird.
Da könnte ich dann zwei Antwortmöglichkeiten anbieten: Entweder "ich habe ja auch mehr Ahnung als du, deswegen werde ich besser bezahlt" oder "dann mach doch deinen Scheiß alleine". Natürlich würde ich das nicht sagen, weil ich bei einer Eskalation sicherlich alleine da stehen würde.
Es ist ja auch nicht so, das meine Kollegas ihren Frust bewusst an mir abarbeiten würden. Nach ihrem Weltbild hält man den Laden auch am Laufen, selbst wenn man selber vor die Hunde geht. Dass ich in meinem Alter auch nicht mehr so belastungs- und leistungsfähig bin wie früher, ist mir dabei durchaus bewusst. Insofern versuche ich mit der Woltersdose zusammen nachzuvollziehen, was meine Kollegas umtreiben könnte.
Jedenfalls ging ich aus diesem Gespräch zwiespältig heraus und war nur froh, dass ich zwei Stunden später in den Jahresurlaub ging. Eben auf dem Rad und jetzt auf dieser Parkbank beim dritten Wolters sah dieser ganze Schlamassel im Schnelldurchlauf so aus: Zuerst habe ich dem Team zuliebe zurückgesteckt und auf das Homeoffice verzichtet, dann hatte ich mit vielen Hindernissen zu kämpfen und konnte die Arbeit gar nicht schaffen und am Ende bin ich der faule Sack, der seine Kolleginnen nicht ordentlich vertritt.
Von den oben beschriebenen Schwierigkeiten während der Vertretungswochen hatte ich meinen Kollegas erzählt, offenbar hatte dies anscheinend nicht interessiert. Was ich im Personalgespräch leider vergessen hatte zu erwähnen, war die Reaktion auf meine telefonische Krankmeldung gewesen.
Weder die Kollegin, die ich erreicht hatte, noch der Abteilungsleiter hatten nachgefragt, was ich überhaupt habe. Von den zwei Worten "gute Besserung" ganz zu schweigen. Die hörte ich erst am nächsten Tag, als ich einen positiven Corona Test meldete. "Persönliche Wertschätzung am Arbeitsplatz sieht anders aus", sagte meine Löwin zurecht.
Mal sehen, wie ist nach dem Urlaub weitergeht. Pocke fällt mir jetzt ein, der letztes Jahr auch die fehlende Wertschätzung seitens seiner Kollegen beklagte. Das war zwar mehr so eine direkte Anmache wie "na los, mach schon!". Darüber hatte ich noch gewitzelt und Pocke eine Mitschuld zugeschoben, jetzt nicht mehr. Obwohl... Ganz unschuldig daran bin ich natürlich auch nicht, ähnlich wie bei Pocke.
Von daher kann ich nur bei mir etwas ändern. Keine Angriffsfläche bieten - das hatte mich früher schon des Öfteren in die Scheiße geritten. Das geht von Privatgespräche vermeiden bis zum konzentrierten Blick am Arbeitsplatz. Ich bin gespannt, doch jetzt erst mal geht es nach Hause. Ich holte noch schnell Medikamente aus der Apotheke und machte es mir anschließend zu Hause gemütlich. Donnerstag geht es für fünf Tage nach München zu Phil und Alejandra. Das wird auch noch anstrengend werden.
Nachtrag Mitte Oktober: Die Lage auf der Arbeit hat sich wieder normalisiert. Ich habe eingesehen, dass mich mein „Muckeln“ lediglich ins Abseits schiebt und habe mich mit meinen Kollegas arrangiert. Hinzu kommt, dass ich die „Kritiker“ wohl überzeugen konnte, dass meine Arbeitssituation während der Vertretung auch außerordentlich schlecht war.
Aber die Tür zum Flur lasse ich nicht mehr sperrangelweit auf.
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