Sonntag, 13. Juni 2021

Sam Phillips

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Der eher ungeschliffene Bauernjunge, der im Herbst 1954 an der Tür von Sun Records auftauchte, war dies auf Anhieb eher nicht. Carl Perkins fuhr mit seinen Brüdern Jay und Clayton in einem abgetakelten 1941 Plymouth vor - der Bass auf dem Dach befestigt. Carls Frau hatte „That`s All Right“ im Radio gehört und gemeint: „Das klingt sehr nach Dir, Carl.“
Marion Keisker war davon nicht überzeugt und wies die Perkins Brüder ab, da sie gerade niemanden brauchten, der wie Elvis klang. Zu Carls Glück fuhr gerade Sam Phillips vor. Dieser konnte den abgerissenen Typen ein Vorspielen nicht abschlagen, obwohl er keine Zeit hatte. Schon nach kurzer Zeit war er aber froh, Carl Perkins nicht weggeschickt zu haben.
Der Gesang dieses hohlwangigen Bauernjungen verfing bei Sam Phillips sofort. In Verbindung mit seinem unnachahmlichen Gitarrenspiel, welcher ihn noch mehr begeisterte, sah Sam Phillips das große Potenzial. Dabei hatte Carl Perkins noch nicht einmal einen guten Song zu bieten. Nur die beiden Brüder störten das Bild, da sie einfach nicht Carls Talent besaßen.
Nachdem dies geregelt war und Carl zwei mehr oder weniger mäßig erfolgreiche Singles auf Sun veröffentlicht hatte, wurde seine dritte Single „Blue Suede Shoes“ am 1. Januar 1956 von Sun Records veröffentlicht. Jetzt zahlte es sich aus, dass Carl im Vorjahr bei Elvis Presley im Vorprogramm touren konnte.
Im wesentlichen basierte der Text, dessen Anfang zum Sinnbegriff eines Rock `n` Roll Songs werden sollte, auf einer Geschichte aus der Militärzeit von Johnny Cash in Deutschland. Cash`s Drillsergeant legte auf sein Äußeres gesteigerten Wert und verabschiedete sich von seinen Soldaten immer mit den Worten „just don`t step on my blue suede shoes“. Als Carl Perkins während eines Auftritts einen Typen im Publikum sah, der seine Freundin auf Distanz hielt, wohl damit sie nicht auf seine neuen Schuhe trat, fiel ihm diese Geschichte wieder ein, die Johnny Cash im zuvor erzählt hatte.
„Blue Suede Shoes“ avancierte zum ersten Millionseller für Sun Records und wurde in den Charts nur von Elvis Presley`s „Heartbreak Hotel“ getoppt. Auch Sam Phillips hatte jetzt endlich den Erfolg, nach dem er so lange gestrebt hatte. Musste er in den ersten Jahren des Labels noch zittern, sein Geld von den Distributoren (Schallplattenhändlern) zu bekommen, so hatte er jetzt endlich einen ordentlichen Gewinn einstreichen können, nachdem er jahrelang nur knapp an einer Pleite vorbeigeschrammt war.
Carl, Sam und die Unglückskarre

Elvis raste zu diesem Zeitpunkt bei RCA von Erfolg zu Erfolg. Seine dortigen Produktionen waren etwas glatter und stellten die musikalische Begleitung etwas in den Hintergrund, aber seine Singles verkauften sich wie geschnitten Brot. Da beide eine Zeit lang gemeinsam bei Sam Phillips unter Vertrag standen, lohnt es sich aus heutiger Sicht, rückblickend beide zu vergleichen.
Was liegt da näher, als dies mit „Blue Suede Shoes“ zu tun? Denn Elvis nahm bereits Anfang 1956 eine Coverversion des Songs auf. Aus vertragsrechtlichen Gründen durfte RCA diese Version nicht auf Single pressen, daher gab es die Version von Elvis anfangs nur auf eine Extended Play und die erste LP von Elvis. Da er bei den DJs jedoch so beliebt war, spielten diese die Version von Elvis rauf und runter, so dass am Ende auch Elvis mit „Blue Suede Shoes“ in die Single Charts (Platz 20) stürmte
Musikalisch schlug Perkins Elvis um Längen (und dass nicht nur bei „Blue Suede Shoes“. Er schrieb seine Songs selbst und hatte wesentlich mehr Drive. Allerdings... war Elvis „hübscher“ und sexuell aufreizender. Die hungrige Jugend der 50er fuhr eher auf das Styling ab als auf die Musik. Nicht anders als heute also. Gerade bei „Blue Suede Shoes“ wird dieser Modeaspekt dank der optisch stärkeren Präsenz eines Elvis Presley auf dem Erfolgsbarometer deutlich. Als ob ihn Guido Maria Kretschmer beraten hätte.
Außerdem erkennt man bei diesem Vergleich die Genialität eines Sam Phillips als Produzent und Tontechniker. Bedenkt man die damaligen technischen Möglichkeiten, bestechen die Aufnahmen des Memphis Recording Services durch eine erstaunlich saubere Produktion. Die einzelnen Instrumente sind sauber abgemischt und voneinander unterscheidbar.
Im Gegensatz zu heute wurden die Takes von den Bands quasi live eingespielt; nicht wie heute einzeln und nacheinander. Hier war von den Musikern äußerste Konzentration gefordert. Dadurch bricht sich hier eine Spielfreude Bahn, die ich bei so vielen Produktionen der Rockmusik ab den späten 60ern vermisse.
Als die Verkaufszahl von „Blue Suede Shoes“ im April 1956 endlich die Millionengrenze überschritten hatte, schenkte Sam Phillips Carl Perkins aus Dank einen brandneuen Cadillac. Mit Carl Perkins und Johnny Cash hatte der nach wie vor unabhängige Plattenproduzent Sam Phillips zwei Megastars des neuen Sounds unter Vertrag.
Carl Perkins stand vor einer großen Karriere. Seine genialen Songschreiberqualitäten wies er allein schon mit der B-Seite „Honey don`t“ nach. Doch was macht der Dussel? Crasht seinen Cadillac und liegt monatelang mit einem Schädelbruch im Krankenhaus, statt einen Nachfolgehit anzuschieben. Stattdessen drängt sich Elvis mit seiner Version von „Blue Suede Shoes“ in die Ohren der Fans dieser Musik und baut seinen Ruf als Aushängeschild und Idol dieser neuen Jugendbewegung aus.
Carl Perkins gelangen in der Folge lediglich kleinere Chartserfolge wie „Boppin`the Blues“ oder „Pink Pedal Pushers“, aber unsterblich wurde er erst später, z.B. durch die Beatles (Everybody`s trying to be m y Baby) und im Rockabilly Revival der 70er mit Perlen wie „Matchbox“ (gut, ein Cover eines Blues-Klassikers). Auch die Beatles spielten gerne seine Songs nach, aber seine große Karriere fand einfach nicht statt. Jahre später verdingte er sich bei seinem Buddy als Gitarrist in der Johnny Cash Show.
Und damit sind wir auch schon beim „Black Man“ gelandet. Der eher schlaksige John Cash war aufgrund des Erfolges von Elvis (wir reden hier über dessen Live-Auftritte) 1954 nach Memphis gezogen, um dort eine Karriere als Musiker zu starten. So im Februar oder März 1955 schaute er das erste Mal bei Sam Phillips und Sun Records rein. Er kam über die Union Avenue jeden Tag beim Memphis Recording Service vorbei, wenn er auf dem Weg zu seinem Job als Verkäufer für Elektrogeräte war.

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